Soll es in Deutschland zu einer großen Rentenreform kommen? Dieser Beitrag spricht sich dagegen aus, verlangt allerdings gezielte Verbesserungen am jetzigen System. Nein, eine neue große Rentenreform brauchen wir nicht, und erst recht kein Wettrennen, wer am schnellsten den mühsam errungenen Ausgleich zwischen der jüngeren und der älteren Generation wieder aufkündigen kann. Was wir brauchen, sind zielgenaue Verbesserungen, um die Gefahr der Altersarmut zu verringern und die Riesterrente effizienter zu machen, nicht aber eine Reform der gesetzlichen Rente für Otto und Emma Normalverbraucher. Erinnern wir uns an die Mechanik der gesetzlichen Rente: Sie wird durch die jeweils jüngere Generation finanziert, indem diese Beiträge in die Rentenkasse einzahlt und den Bundeszuschuss durch Steuern füttert. Die Kasse wird dann umgehend wieder als Rentenleistungen zugunsten der älteren Generation ausgezahlt. Dieses Umlageverfahren funktioniert so lange, wie genügend junge Leute vorhanden sind, die diesen Generationenvertrag finanzieren. Da wir in den letzten Jahrzehnten wenige Geburten hatten, funktioniert dies jedoch zunehmend weniger: Uns fehlt ungefähr ein Drittel junger Leute relativ zur Vorgeneration.
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Soll es in Deutschland zu einer großen Rentenreform kommen? Dieser Beitrag spricht sich dagegen aus, verlangt allerdings gezielte Verbesserungen am jetzigen System.
Nein, eine neue große Rentenreform brauchen wir nicht, und erst recht kein Wettrennen, wer am schnellsten den mühsam errungenen Ausgleich zwischen der jüngeren und der älteren Generation wieder aufkündigen kann. Was wir brauchen, sind zielgenaue Verbesserungen, um die Gefahr der Altersarmut zu verringern und die Riesterrente effizienter zu machen, nicht aber eine Reform der gesetzlichen Rente für Otto und Emma Normalverbraucher.
Erinnern wir uns an die Mechanik der gesetzlichen Rente: Sie wird durch die jeweils jüngere Generation finanziert, indem diese Beiträge in die Rentenkasse einzahlt und den Bundeszuschuss durch Steuern füttert. Die Kasse wird dann umgehend wieder als Rentenleistungen zugunsten der älteren Generation ausgezahlt. Dieses Umlageverfahren funktioniert so lange, wie genügend junge Leute vorhanden sind, die diesen Generationenvertrag finanzieren. Da wir in den letzten Jahrzehnten wenige Geburten hatten, funktioniert dies jedoch zunehmend weniger: Uns fehlt ungefähr ein Drittel junger Leute relativ zur Vorgeneration.
Der Nachhaltigkeitsfaktor sorgt nun dafür, dass das entsprechende Finanzierungsdefizit in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Hälfte dadurch aufgefangen wird, dass die jüngere Generation höhere Beiträge zahlen wird. Die andere Hälfte leistet die ältere Generation, indem ihre Rentenleistungen weniger stark als früher steigen werden. Diese Lastenaufteilung verschafft der gesetzlichen Rente die notwendige finanzielle Nachhaltigkeit und erscheint generationengerecht.
Eine Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors bedeutet dagegen eine einseitige Abkehr von dieser Lastenverteilung mit deutlich höheren Rentenbeiträgen für die jüngere Generation: Der Beitragssatz im Jahr 2040 würde um ca. vier Prozentpunkte höher liegen und die gesamte demografische Last läge wieder bei der jungen Generation. Erfahrungsgemäß bedeuten um einen Punkt höhere Sozialabgaben 100?000 verlorene Arbeitsplätze. Damit würde die Beschäftigungsbasis, die zur Finanzierung der Rente so wichtig ist, wieder unterminiert werden.
Ähnlich steht es mit der Riesterrente. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rente müssen die Rentenleistungen hier durch Eigenbeiträge finanziert werden: Wer riestert, zahlt selbst ein und kann das Ersparte später wieder abheben. Das entlastet die jüngere Generation, was Hauptzweck der Schaffung dieses Instruments der Altersvorsorge war. Die Riesterrente ist hoch reguliert, bietet eine Bestandsgarantie und Sicherheiten, wie sie sonst nicht zu erhalten wären. Sie abzuschaffen und diese Säule wieder in das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung zu überführen, würde die Finanzierungslast von der Babyboomgeneration wieder auf ihre Kinder verlagern. Reformbedürftig sind jedoch die Modalitäten der Riesterrente, ihre unsägliche Intransparenz, die den Wettbewerb aushebelt, und die nicht sachgerechten Anlagevorschriften, welche die Erträge des gesparten Kapitals reduzieren.
Anstatt dieser Generaldebatte bedarf das Problem der Altersarmut erhöhter Aufmerksamkeit. Der Anteil der Grundsicherungsempfänger, die über 65 Jahre alt sind, ist in den vergangenen Jahren sowohl anteilsmäßig als auch absolut gestiegen. Zwar ist die neulich publizierte Prognose des Westdeutschen Rundfunks, die 50% Altersarmut vorhersagt, grotesk falsch, aber auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium prognostiziert in seinem pessimistischen Szenario fast eine Verdopplung der Grundsicherungsempfänger von derzeit 3% auf 5,4%. Besonders armutsgefährdet sind Erwerbsgeminderte, Soloselbständige und Menschen mit Migrationshintergrund. Hier sind zielgerichtete Verbesserungen dringend angesagt.
©KOF ETH Zürich, 18. Mai. 2016