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Mehr Geld, weniger Spannung: Vor dem Saisonstart der Fußball-Bundesliga

Summary:
Heute startet die Saison 2016/17 der deutschen Fußball-Bundesliga. Ein guter Zeitpunkt, intensiver über Gehaltsobergrenzen und Transferrestriktionen zu diskutieren. Denn, wie dieser Beitrag zeigt, spielen zunehmend bessere Spieler für bessere Vereine, was insgesamt die Spannung reduziert. Zum Start der Bundesligasaison 2016/17 stehen aktuelle TV-Vermarktungsrechte in der öffentlichen Diskussion. Die Deutsche Fußball Liga erhält ab der nachfolgenden Saison pro Spielzeit fast 1,2 Mrd. Euro für die nationalen Medienrechte, eine Steigerung von über 80 Prozent (DFL, 2016). Zeitgleich werden national und international neue Rekordablösen erzielt, die durch neue (Rekord-)Vermarktungsrechte in der Premier League getrieben werden. In Anbetracht dieser Entwicklung befürchten viele Fans, dass dabei die sportliche Spannung auf der Strecke bleibt und immer weniger Mannschaften um große Titel (wie der deutschen Meisterschaft oder dem DFB-Pokal) oder um Plätze in internationalen Wettbewerben konkurrieren können.[ 1 ] Abbildung 1: Entwicklung der Personalaufwendungen und der Champions League Einnahmen in der Bundesliga Die Sportökonomie untersucht diese Fragestellung unter dem Begriff competitive balance.

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Heute startet die Saison 2016/17 der deutschen Fußball-Bundesliga. Ein guter Zeitpunkt, intensiver über Gehaltsobergrenzen und Transferrestriktionen zu diskutieren. Denn, wie dieser Beitrag zeigt, spielen zunehmend bessere Spieler für bessere Vereine, was insgesamt die Spannung reduziert.

Zum Start der Bundesligasaison 2016/17 stehen aktuelle TV-Vermarktungsrechte in der öffentlichen Diskussion. Die Deutsche Fußball Liga erhält ab der nachfolgenden Saison pro Spielzeit fast 1,2 Mrd. Euro für die nationalen Medienrechte, eine Steigerung von über 80 Prozent (DFL, 2016). Zeitgleich werden national und international neue Rekordablösen erzielt, die durch neue (Rekord-)Vermarktungsrechte in der Premier League getrieben werden. In Anbetracht dieser Entwicklung befürchten viele Fans, dass dabei die sportliche Spannung auf der Strecke bleibt und immer weniger Mannschaften um große Titel (wie der deutschen Meisterschaft oder dem DFB-Pokal) oder um Plätze in internationalen Wettbewerben konkurrieren können.[ 1 ]

Abbildung 1: Entwicklung der Personalaufwendungen und der Champions League Einnahmen in der Bundesliga

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Die Sportökonomie untersucht diese Fragestellung unter dem Begriff competitive balance. Das Interesse an Sportmärkten hängt im Gegensatz zu anderen Märkten davon ab, dass die Ausgänge von einzelnen Spielen, aber auch von Meisterschaften und Pokalen nur begrenzt vorhersehbar sind. Ökonomen nennen dies Nachfrageexternalitäten. Falls Fußballspiele oder Meisterschaften sehr gut vorhersehbar wären und entsprechend wenig Spannung über den Ausgang eines Titelrennens herrsche, würde langfristig das Interesse an diesem Sport abnehmen.[ 2 ] Um möglichen Entwicklungen entgegenzuwirken und um eine fairere Finanzausstattung zwischen den Mannschaften zu erzielen, werden in der Öffentlichkeit (wie der Wissenschaft) Gehaltsobergrenzen nach amerikanischem Vorbild diskutiert.

Ob das sportliche Gleichgewicht in der Bundesliga oder in anderen europäischen Ligen über die Zeit wirklich zurückgegangen ist, konnte in der Wissenschaft trotz zahlreicher Studien bisher nicht geklärt werden.[ 3 ] Empirische Studien zu dem Thema competitive balance haben sich bisher fast ausschließlich mit aggregierten Informationen wie Abschlusstabellen beschäftigt. Sie analysieren dabei zum Beispiel, wie sich die Streuung von Tordifferenzen in einer Liga über die Zeit verändert hat. Und obwohl theoretische Studien die Transfers von Spielern als wichtigste Grundlage für sportlichen Erfolg ansehen (und damit auch für Veränderungen in der competitive balance), ist diese Dimension trotz der medialen Debatte um Transfers wie dem von Robert Lewandowski von Borussia Dortmund zu Bayern München in der Literatur bisher weitgehend außer Acht gelassen worden.

Bessere Spieler in besseren Vereinen?

In der vorliegenden Studie Sittl & Warnke (2016) untersuchen wir die Verteilung von Spielern und Vereinen, um zu analysieren, ob zunehmend bessere Spieler für bessere Vereine spielen. Wir betrachten dabei über fast 20 Jahre Spiele der 1. Bundesliga, der 2. Bundesliga und im DFB-Pokal. Dabei schlagen wir eine neue Methodik vor, die nicht auf aggregierten Informationen wie Abschlusstabellen beruht. Unsere Datenbasis beruht auf einzelnen Spielen und berücksichtigt dabei auch Veränderung innerhalb eines Fußballspieles wie Auswechslungen oder Platzverweise.

Um zu untersuchen, ob heutzutage bessere Spieler zunehmend für bessere Vereine spielen, benötigen wir ein Maß für die Qualität von Spielern und Vereinen. Wir schlagen dafür eine neue Methodik vor und betrachten die partielle Korrelation eines jeden Spielers mit der Tordifferenz während seiner Spielzeit. Im Hockey wird ein ähnliches Maß Plus-Minus Rating genannt.[ 4 ] Dieses Maß hat den Vorteil, dass wir damit nicht nur die Qualität eines einzelnen Spielers ermitteln können, sondern gleichzeitig auch die typische Leistung der Mannschaften, für den dieser Spieler aufläuft, und für den jeweiligen Trainer, der diese Mannschaft und diesen Spieler coacht. Auch andere Einflussfaktoren wie der Gegner, ein möglicher Heimvorteil, Platzverweise, die Liga oder die Saison in der das Spiel stattfindet, werden berücksichtigt. Für jeden Spieler in jedem Spiel betrachten wir nur die Differenz der erzielten Tore und der Gegentreffer für den Zeitraum, in dem der Spieler auf dem Feld steht.[ 5 ] Aus diesem einfachen Modell gewinnen wir Informationen über die durchschnittliche Spielstärke von Mannschaften, Trainern und Spielern. Die Ergebnisse sind dabei sehr plausibel. Wir zeigen, dass die ermittelten Spielerstärken z.B. hoch korreliert mit Expertenbewertungen (Noten) durch Journalisten des Kicker Fachmagazins sind. Darüber hinaus erhalten wir sehr ähnliche Ergebnisse, falls wir moderne Machine-Learning Algorithmen wie Ridge-Regressionsverfahren verwenden.

Im zweiten Schritt untersuchen wir nun die Verteilung von Spielern zu “Teams”, wobei ein Team die gemeinsame (addierte) Stärke von einem Verein und dessen aktuellen Trainer darstellt. Für jede Saison betrachten wir nun den Korrelationskoeffizienten von Spielern und Teams. Damit untersuchen wir Trends im assortative matching oder, anders ausgedrückt, in der Verteilung von Spielertalent über die Vereine. Wenn bessere Spieler zunehmend für bessere Vereine spielen (und umgekehrt), sehen wird dies in der Veränderung des Korrelationskoeffizienten deutlich.[ 6 ]

Abbildung 2 und 3: Entwicklung des Korrelationskoeffizienten von Spielern und Teams pro Saison

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Unsere Ergebnisse zeigen in der Tat, dass gute Vereine zunehmend bessere Spieler beschäftigen und wir interpretieren dies als Abnahme der competitive balance. Diese Entwicklung scheint dabei stark mit der Entwicklung der Fernsehgelder zusammenzuhängen. Vor der Pleite des Kirch-Konzerns um die Jahrtausendwende war beispielsweise der Anstieg der TV-Vermarktungseinnahmen besonders hoch. In diesem Zeitraum beobachten wir in der Bundesliga auch eine deutliche Entwicklung in der Angleichung von Spieler- und Vereinsqualität (weniger competitive balance). In den folgenden Jahren stagnierten die Medieneinnahmen und wir sehen eine ähnlich Entwicklung im Korrelationskoeffizienten zwischen Spielerstärke und Vereinsstärke. Seit 2007 ist aber erneut eine zunehmende Konzentration von besseren Spielern bei besseren Vereinen (und andersherum) zu beobachten. Dies drückt sich entsprechend auch in der vierten Meisterschaft in Folge für Bayern München aus, ein Rekord in der Bundesliga.

Wir zeigen im Weiteren, dass diese Entwicklung einerseits durch eine zunehmende Ungleichheit der Spielerstärken zwischen der 1. Bundesliga und der 2. Bundesliga getrieben ist. Die höchste Spielklasse hat über die Zeit an Spielerstärke gewonnen und hängt dabei die 2. Bundesliga zunehmend ab.[ 7 ]

Abbildung 4: Entwicklung der Spieler-, Verein- und Trainerstärken pro Liga und Saison

Entwicklung der Spieler-, Verein- und Trainerstärken pro Liga und Saison

Andererseits finden wir aber auch eine zunehmende Polarisierung innerhalb der 1. Bundesliga. Die Top-Mannschaften setzen sich dabei vom Rest ab. Wir weisen darauf hin, dass dies mit den UEFA Champions League Einnahmen zusammenhängen könnte, die in den letzten Jahren stark angestiegen sind. Wir beobachten dagegen aber keine Trends in der Konzentration von Spieler- und Vereinsstärke in der 2. Bundesliga, hier scheinen Auf- und Abstiege von starken (und schwächeren) Mannschaften eine größere Rolle zu spielen.

Interessanterweise scheint sich diese Entwicklung bisher nicht auf das Zuschauerinteresse der Bundesliga auszuwirken. Die Stadionbesuche sind seit einigen Jahren auf sehr hohem Niveau und die erzielten Erträge der TV-Rechte zeugen vom Interesse am deutschen Fußball. Nichtsdestotrotz sollten die hier vorgestellten Ergebnisse zum Nachdenken anregen und die weitere Entwicklung in der Bundesliga, und in anderen internationalen Wettbewerben, kritisch verfolgt werden. Die Diskussion um die Verteilung von zukünftigen TV-Einnahmen ist gerade erst entbrannt. Ungleiche Verteilungen der TV-Vermarktungsrechte könnten bisherige Trends weiter verstärken. Die Wissenschaft sollte sich dabei intensiver mit den Auswirkungen von Regularien wie Gehaltsobergrenzen oder Transferrestriktionen auf competitive balance beschäftigen, um Fans, Vereinen und Verantwortlichen mit Informationen über die Wirkung von solchen institutionellen Regelungen auszustatten.

Quellen

DFL (2016a)

DFL (2016b). Bundesliga Report 2016. Frankfurt am Main. URL:

Literatur

Card, David, Jörg Heining, and Patrick Kline (2013). Workplace Heterogeneity and the Rise of West German Wage Inequality. The Quarterly Journal of Economics 128, No. 3, Pages 967-1015.

Rottenberg, Simon (1956). The Baseball Players’ Labor Market. The Journal of Political Economy, Volume 64, No. 3, Pages 242–258.

Sittl, Roman and Warnke, Arne Jonas (2016), Competitive Balance and Assortative Matching in the German Bundesliga. ZEW Discussion Paper No. 16-058, Mannheim.


  • 1  Siehe auch den Artikel Der Ball ist rund und Geld schiess Tore bei Ökonomenstimme.
  • 2  Siehe zum Beispiel Rottenberg (1956).
  • 3  Eine Diskussion der Literatur findet sich in unserer aktuellen Studie Sittl & Warnke (2016).
  • 4  Auch die bekannte Webseite www.goalimpact.com verwendet eine ähnliche Methode, wobei auf der Webseite keine Details zum verwendeten Algorithmus veröffentlich sind.
  • 5  Da wir außerdem entsprechend der gespielten Minuten gewichten, haben späte Einwechslungen nur einen sehr geringen Einfluss auf dieses Maß. Spieler, die in der Nachspielzeit eingewechselt werden, erhalten in den meisten Fällen (in denen kein Tor in der Nachspielzeit fällt) eine Tordifferenz von Null zugeschrieben. Das entsprechende Spiel wird bei der Ermittlung ihrer “Qualität” nur mit einem minimalen Gewicht berücksichtigt.
  • 6  Ähnliche Methodiken wurden unter anderem in der Literatur zur Lohnungleichheit oder dem Effekt von (guten) Lehrern auf Schüler verwendet, siehe zum Beispiel Card et al. (2013).
  • 7  Dies ist auch erkennbar, wenn man die Wettquoten bei DFB-Pokal-Spielen zwischen Bundesligisten und Zweitligisten über die Zeit betrachtet. Die durchschnittliche Quote beim Setzen auf den Erstligisten fällt hier kontinuierlich.

©KOF ETH Zürich, 26. Aug. 2016

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