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Entwicklungszusammenarbeit ist eine Erfolgsgeschichte

Summary:
Die Entwicklungshilfe, oder Entwicklungszusammenarbeit steht nicht erst seit Jörg Königs (2015) ernüchternder Übersichtstudie im Zeichen fundamentaler Kritik. Zu Unrecht, wie dieser Beitrag zeigt. Wird Entwicklungshilfe nämlich als das betrachtet, was sie eigentlich darstellt, eine Spielart der Aussenpolitik, fällt die Bilanz wesentlich günstiger aus. Generationen von Entwicklungsökonomen haben sich den Kopf darüber zerbrochen, wie effiziente Entwicklungshilfe gestaltet werden muss. Analysiert wurden die Bedingungen der Zahlungen, Formen der Kooperation, Branchen, in die investiert wird, politische, soziale, kulturelle, ethnische, religiöse Rahmenbedingungen, Interessenbindungen der Akteure und vieles mehr. Entsprechend kreativ sind Entwicklungshilfeprojekte angelegt; immer in der Hoffnung auf positive Resultate. Das Ergebnis ist allerdings ernüchternd. Gemäss Jörg König sind seit 1960 weltweit 5000 Milliarden Dollar in die Entwicklungshilfe geflossen, doch der Effekt ist bestenfalls nicht negativ. Ökonomen sollte das allerdings nicht überraschen, sind die grundlegenden Argumente gegen Entwicklungshilfe doch recht lange bekannt (Keynes, 1929, Myrdal, 1957). Nichtsdestotrotz erfährt die Diskussion auch durch den Nobelpreis 2015 für den Entwicklungsökonomen Angus Deaton eine Renaissance.

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Die Entwicklungshilfe, oder Entwicklungszusammenarbeit steht nicht erst seit Jörg Königs (2015) ernüchternder Übersichtstudie im Zeichen fundamentaler Kritik. Zu Unrecht, wie dieser Beitrag zeigt. Wird Entwicklungshilfe nämlich als das betrachtet, was sie eigentlich darstellt, eine Spielart der Aussenpolitik, fällt die Bilanz wesentlich günstiger aus.

Generationen von Entwicklungsökonomen haben sich den Kopf darüber zerbrochen, wie effiziente Entwicklungshilfe gestaltet werden muss. Analysiert wurden die Bedingungen der Zahlungen, Formen der Kooperation, Branchen, in die investiert wird, politische, soziale, kulturelle, ethnische, religiöse Rahmenbedingungen, Interessenbindungen der Akteure und vieles mehr. Entsprechend kreativ sind Entwicklungshilfeprojekte angelegt; immer in der Hoffnung auf positive Resultate.

Das Ergebnis ist allerdings ernüchternd. Gemäss Jörg König sind seit 1960 weltweit 5000 Milliarden Dollar in die Entwicklungshilfe geflossen, doch der Effekt ist bestenfalls nicht negativ. Ökonomen sollte das allerdings nicht überraschen, sind die grundlegenden Argumente gegen Entwicklungshilfe doch recht lange bekannt (Keynes, 1929, Myrdal, 1957). Nichtsdestotrotz erfährt die Diskussion auch durch den Nobelpreis 2015 für den Entwicklungsökonomen Angus Deaton eine Renaissance.

Ein wesentliches Element der Entwicklungszusammenarbeit geht bei den Wirkungsanalysen regelmässig nahezu vergessen. Entgegen der üblichen Rhetorik der meisten Beteiligten, wie zuletzt etwa der deutschen Bundesregierung, die mit Hilfe der Entwicklungshilfe "Fluchtursachen bekämpfen" will, ist die Entwicklungshilfe im Kern nichts anderes als eine Spielart der Aussenpolitik. Nicht ohne Grund wird häufig die Entwicklungszusammenarbeit, wie etwa im Fall der Schweiz, entsprechend durch eine Abteilung des Aussenministeriums verantwortet. Doch auch Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind auf die diplomatische Unterstützung ihrer Herkunftsländer angewiesen. Einige Empfängerländer, wie Russland oder Ägypten erzwingen im Zweifel überdies das Primat der Aussenpolitik durch spezielle NGO-Gesetze.

In die Beurteilung der Wirksamkeit von Entwicklungshilfe sollte daher zuallererst der Effekt der Entwicklungshilfe auf die Aussenpolitik betrachtet werden. Die wirtschaftlichen Effekte sind lediglich Nebenwirkungen. Erreicht die Entwicklungshilfe ihre primären aussenpolitischen Ziele und ist der wirtschaftliche "collateral damage" minimal, muss das Resultat der Entwicklungshilfe als Erfolg gewertet werden.

Der eigentliche ökonomische Erfolg der Entwicklungshilfe stellt sich allenfalls in Folge der Normalisierung der aussenpolitischen Beziehungen ein. Dies wird eindrücklich deutlich am Beispiel Chinas, Malaysias, Südkoreas, Taiwans oder Kubas, um ein gerade aktuelles Beispiel zu nennen. Die ununterbrochenen diplomatischen Kontakte, nicht zuletzt unter dem Vorwand der Entwicklungshilfe, bereiten günstigenfalls den Boden für einen raschen, breiten wirtschaftlichen Austausch zu beiderseitigem Vorteil, sobald die (innen)politischen Rahmenbedingungen es zulassen.

Mit dieser Sichtweise wird offensichtlich, dass die Bilanz der 5000 Milliarden Dollar gar nicht so schlecht ausfällt. Denn auch unter widrigsten Umständen und im Umgang mit schlimmen Diktaturen wie etwa in Afrika, Asien, Lateinamerika und aktuell im arabischen Raum, bietet die Entwicklungshilfe stets einen moralisch gerechtfertigten Vorwand, um den Gesprächsfaden nicht abreissen zu lassen. So erklärt sich schliesslich, warum westliche Regierungen selbst dann die Entwicklungshilfe nie ganz einstellen, wenn die Empfängerländer allen westlichen Wertvorstellungen Hohn sprechen und die Mittel offensichtlich für Korruption, Waffenkäufe und Machtmissbrauch zweckentfremdet werden.

Für die vielen in der Entwicklungshilfe engagierten Menschen, die gewiss mit den besten Absichten die Situation der Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern suchen, mag dieser Befund auf den ersten Blick ernüchternd sein. Langfristig, d.h. unter Ausklammerung kurzfristig mangelnder Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit, ist aber auch ihr Beitrag wertvoll für beide Seiten, wenn auch indirekt über den aussenpolitischen Kanal, und nicht wie erhofft auf der Basis der konkreten wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Für die Entwicklungsökonomie sollte zukünftig eine nüchterne Analyse der Zielfunktion von Entwicklungshilfe in den Fokus rücken, denn nur so erscheint eine ernsthafte und aussagekräftige Beurteilung der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit möglich.

König, Jörg (2015), Hilflose Entwicklungshilfe?[ a ], Reihe Argumente zur Marktwirtschaft und Politik Nr. 128, Stiftung Marktwirtschaft, Berlin.

Keynes, John M. (1929), The German transfer problem, The Economic Journal XXXIX (135): 1-7.

Myrdal, G. (1957), Economic Theory and Underdeveloped Regions, Duckworth, London.

©KOF ETH Zürich, 29. Jan. 2016

Christian Müller
Christian Müller berät das Eidgenössische Finanzministerium und ist Privatdozent an der Jacobs University Bremen. Er hat in Deutschland, Grossbritannien und Schweden Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie studiert, an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert und habilitierte sich an der Jacobs University Bremen.

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