Nach einem Jahr QE scheint die EZB eher die unbeabsichtigten Nebenwirkungen als das eigentlich Ziel – eine Inflationsrate von 2% – bewirkt zu haben, wie dieser Beitrag zeigt. Das Krisenmanagement der EZB ist zwar richtig, hinkt aber jenem der Fed hinterher. Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen sind in der Eurozone im Vergleich zu den USA bisher auch bescheiden ausgefallen, nicht zuletzt deswegen, weil die EZB allein kämpft, während die Geldpolitik der Fed kooperativ von der Fiskalpolitik begleitet wird. EZB immer noch im Krisenmodus Während die US-Fed bereits ihren Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik einleitete, hat die EZB am 3. Dezember 2015 ihren expansiven Kurs noch einmal verschärft (Verlängerung des QE-Programms und Senkung des Satzes für die Einlagefazilität auf -0,3%). Angesichts der wegen des Verfalls der Ölpreise weiterhin gedämpften Inflationserwartungen hat die EZB weitere expansive Schritte in Aussicht gestellt. Damit wird die transatlantische Divergenz in der Geldpolitik, die es seit der Großen Rezession 2009 durch das Nachhinken der EZB gegenüber der Fed im Krisenmanagement gegeben hat, verlängert. Der Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15.
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Nach einem Jahr QE scheint die EZB eher die unbeabsichtigten Nebenwirkungen als das eigentlich Ziel – eine Inflationsrate von 2% – bewirkt zu haben, wie dieser Beitrag zeigt. Das Krisenmanagement der EZB ist zwar richtig, hinkt aber jenem der Fed hinterher. Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen sind in der Eurozone im Vergleich zu den USA bisher auch bescheiden ausgefallen, nicht zuletzt deswegen, weil die EZB allein kämpft, während die Geldpolitik der Fed kooperativ von der Fiskalpolitik begleitet wird.
EZB immer noch im Krisenmodus
Während die US-Fed bereits ihren Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik einleitete, hat die EZB am 3. Dezember 2015 ihren expansiven Kurs noch einmal verschärft (Verlängerung des QE-Programms und Senkung des Satzes für die Einlagefazilität auf -0,3%). Angesichts der wegen des Verfalls der Ölpreise weiterhin gedämpften Inflationserwartungen hat die EZB weitere expansive Schritte in Aussicht gestellt. Damit wird die transatlantische Divergenz in der Geldpolitik, die es seit der Großen Rezession 2009 durch das Nachhinken der EZB gegenüber der Fed im Krisenmanagement gegeben hat, verlängert.
Der Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15. September 2008 gab – ganz im Gegensatz zum Fehlverhalten der Geldpolitik während der Großen Depression der dreißiger Jahre – für die Zentralbanken der wichtigsten Industriestaaten das Signal, expansiv ohne Grenzen einzuschreiten. Zunächst geschah dies mit konventionellen (Senkung der Zinssätze auf Nullniveau) und nach deren Ausreizung mit unkonventionellen Mitteln (Quantitative Easing – QE). Nach Lehman Brothers begann die EZB ihren Leitzinssatz (Hauptrefinanzierungsinstrument) schrittweise von 4,25% zu senken, bis er zuletzt im September 2014 das Nullniveau (0,05%) erreichte: Die Fed streifte die Nullzinsgrenze (Zero Lower Bound) der Federal Runds Rate bereits im Dezember 2008.
Das QE-Programm der EZB 2015-2017
Am 22. Jänner 2015 beschloss der EZB-Rat eine Ausdehnung des bereits seit September 2014 laufenden Programms zum Kauf von Staatsanleihen. In dem Expanded Asset Purchase Programme (APP) wurde seit 9. März 2015 auch ein neues Programm, das Public Sector Purchase Programme (PSPP) aufgenommen, wodurch die Nationalen Zentralbanken der Eurozone entsprechend ihrem Kapitalanteil und die EZB marktfähige Schuldverschreibungen (von Staaten und speziell definierten staatsnahen Betrieben) am Sekundärmarkt aufkaufen. Seit März 2015 werden monatlich im Zuge von PSPP (das – im Gegensatz zu den bisherigen Programmen – auch von Vertretern der EZB als QE bezeichnet wird) Anleihen im Wert von 60 Mrd. Euro gekauft. Ursprünglich sollte das Programm bis September 2016 laufen; am 3. Dezember 2015 hat die EZB eine Verlängerung bis März 2017 beschlossen. Dadurch summiert sich das QE-Programm auf insgesamt 1.500 Mrd. Euro.
Im Zuge der QE-Politik kaufen die Notenbanken private und staatliche Anleihen. Dadurch steigen die Bilanzsumme der Zentralbank und auch die Geldbasis. Die QE-Politik hat beabsichtigte Wirkungen und führt zu unbeabsichtigte Nebenwirkungen.
Erfolge bisher marginal
Das selbsterklärte Ziel der EZB, auch in ein QE-Programm einzusteigen, war die Vermeidung einer Deflation in der Eurozone durch Ankurbelung der Inflation. Daneben sollte durch einen weiteren Druck auf die Zinsen die Kreditvergabe steigen. Allerdings scheinen die unbeabsichtigten Nebenwirkungen (Blasen auf den Aktienmärkten) rascher eingetreten sein als die beabsichtigten Wirkungen.
Zwar hat die Kreditvergabe im Laufe des Jahres 2015 etwas angezogen, das primäre Ziel, eine Steigerung der Inflationsrate ist aber (bisher) – nicht zuletzt wegen des dämpfenden Einflusses fallender Ölpreise – nicht erreicht worden. Die Inflationsrate – gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) stieg nur ganz leicht an, von -0,1% im März auf 0,2% im Dezember 2015. Damit wurde das seit 2003 selbstdefinierte Preisstabilitätsziel (eine Inflationsrate des HVPI von "unter, aber nahe 2%") weit verfehlt. Die EZB hat eigentlich seit der Großen Rezession 2009 die Kontrolle über das eigene Inflationsziel verfehlt.
Vielleicht liegt das aber auch daran, dass die EZB den falschen Inflationsindex ansteuert. Die Definition der Preisstabilität (2%) der EZB zielt auf die Gesamtinflationsrate des HVPI ab. Allerdings kann sie gar nicht alle Komponenten der Gesamtinflation kontrollieren, insbesondere nicht die Energie-, Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise. Diese werden auf den internationalen Rohwarenmärkten gebildet und entziehen sich somit der Kontrolle der EZB.
Es wäre daher sinnvoller, wenn die EZB nur die Kerninflation (HVPI exklusive Energie und Nahrungsmittelpreise) als Preisstabilitätsziel anpeilen würde. Die Kerninflationsrate stieg denn auch von 0,6% im März 2015 auf 0,9% im Dezember 2015. Sie ist damit zwar näher dem Ziel, aber trotzdem kein großer Erfolg des seit März 2015 laufenden QE-Programmes.
Die EZB hätte ein leichteres Leben und könnte sich den krampfhaften Versuch, eine Inflationsrate von knapp 2% erreichen zu wollen, ersparen, wenn sie wieder zurückkehrte zum ursprünglichen (vor 2003 gültigen) Inflationsziel, nämlich von unter 2%. Das würde – wie von der Schweizerischen Nationalbank praktiziert – einem Zielband statt einem Punktziel entsprechen.
Wie dürfte QE in Zukunft wirken?
Die bisher zu beobachtenden Tendenzen werden auch in Simulationen mit einem Weltmakromodell von Oxford Economics bestätigt. Danach sollten sich die beabsichtigten Effekte erst mit einer Verzögerung von rund einem Jahr einstellen, während die unbeabsichtigten Effekte (Stimulierung der Aktienmärkte und Wechselkursänderungen von Euro zu Dollar) sofort wirken. Des Weiteren wird das angestrebte Inflationsziel erst allmählich, letztlich erst 2020 erreicht. Das QE-Programm der EZB dürfte lediglich zu einem kumulierten Anstieg des realen BIP in der Eurozone bis zum Höhepunkt im 1. Quartal 2017 von rund 0.2 Prozentpunkten führen. Der Effekt ist etwas höher in den Peripheriestaaten der Eurozone. Der "BIP-Multiplikator" von QE in der Eurozone (d.h. der Anstieg des realen BIP in der Eurozone aufgrund einer 1%-gen Steigerung des QE-Programms der EZB) ist in den Simulationen mit dem Weltmakromodell mit 0,12 deutlich kleiner als in vergleichbaren Berechnungen für die USA (0.40) und Großbritannien (0.25), die allerdings DSGE- bzw. Zeitreihenmodelle (Bayesian VAR) verwenden.
Ohne Politikkoordination verpuffen EZB-Bemühungen
Alle wichtigen Notenbanken der Welt fahren seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und der Großen Rezession 2009 eine sehr expansive Politik. Das sind die Lehren aus der Großen Depression der dreißiger Jahre, als die Federal Reserve auf die Bremse stieg und eine Verlängerung der Krise bewirkte. Auch die EZB reagierte auf die Krisen mit einer expansiven Geldpolitik – allerdings im Vergleich zur US-Fed verspätet.
Die Erfolge sind sehr unterschiedlich. Die Bank of Japan hat QE bereits lange vor den Krisen eingesetzt und hat sie seit 2013 (im Zuge der "Abenomics") zu neuen Höhen geführt. Die Erfolge sowohl zur Bekämpfung der Deflation als auch zur Stimulierung der Wirtschaft sind ausgeblieben. Viel erfolgversprechender waren die seit der Großen Rezession praktizierte QE-Politiken in Großbritannien und in den USA. In den USA steht allerdings die Fed – ganz im Gegensatz zur EZB – nicht allein im Kampf gegen Deflation und Wirtschaftsflaute, sondern hat eine kooperative Unterstützung durch eine ebenso expansive Fiskalpolitik.
Solang die EZB als wichtigster Player mit ihrer expansiven Geldpolitik allein auf weiter Flur steht, um ihr Hauptziel, eine Inflationsrate von 2% zu erreichen und zu versuchen, die Wirtschaft durch Nullzinsen und Kreditausweitung zu stimulieren, werden die Erfolge bescheiden bleiben. Seit sie ihr "keynesianisches" Pulver in der Großen Rezession 2009 verschossen hat und seit den Beschränkungen durch die New Economic Governance der WWU (Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts; Fiskalpakt) ist die Fiskalpolitik in der Eurozone auf Austerität ausgerichtet. Auch EZB-Präsident Mario Draghi betont denn auch immer wieder, wie wichtig es wäre, die Geldpolitik seitens der Fiskalpolitik und durch Strukturreformen zu unterstützen. Wenn die Eurozone die Vorteile einer Politikkoordination (von Geld- und Fiskalpolitik) nicht nutzt, wird der Erfolg einer Belebung ihrer Wirtschaft – auch mit QE – ausbleiben.
©KOF ETH Zürich, 28. Jan. 2016