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Elektrobusse im ÖPNV: Wichtiger Baustein der Energiewende oder Nischenprodukt?

Summary:
Elektrobusse könnten die Schadstoff- und Lärmemissionen sowie den Energieverbrauch des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Deutschland senken. Die ökologischen Potenziale sind somit vielversprechend. Allerdings stellt sich die wirtschaftliche Situation aktuell nicht so dar, als dass sich E-Busse von alleine im Markt durchsetzen können. Ohne weitere Maßnahmen dürften sie ein Nischendasein führen, wie dieser Beitrag zeigt. Der Mobilitätssektor ist zwar grundsätzlich ein wichtiger Baustein der deutschen Energiewende, allerdings sind bisher kaum Fortschritte in Richtung Zielerreichung realisiert worden. Die schleppende Umsetzung steht somit im deutlichen Kontrast zu den Erfolgen im Stromsektor. Status Quo Verkehrssektor Ein wesentlicher Baustein der geplanten Maßnahmen im Verkehrssektor bezieht sich auf eine deutliche Ausweitung der Elektromobilität. Die Politik und die öffentliche Wahrnehmung fokussieren dabei zumeist auf den PKW-Bereich, dessen Ziele besonders öffentlichkeitswirksam verbreitet wurden ("1 Mio. Elektroautos bis 2020"). Weniger häufig werden hingegen Konzepte zur Elektromobilität für den ÖPNV diskutiert. Dabei könnte in Zukunft eine Umstellung der bisher fast vollständig durch Diesel betriebenen Busflotten auf verschiedene Elektrobustechnologien von hoher Bedeutung sein.

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Elektrobusse könnten die Schadstoff- und Lärmemissionen sowie den Energieverbrauch des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Deutschland senken. Die ökologischen Potenziale sind somit vielversprechend. Allerdings stellt sich die wirtschaftliche Situation aktuell nicht so dar, als dass sich E-Busse von alleine im Markt durchsetzen können. Ohne weitere Maßnahmen dürften sie ein Nischendasein führen, wie dieser Beitrag zeigt.

Der Mobilitätssektor ist zwar grundsätzlich ein wichtiger Baustein der deutschen Energiewende, allerdings sind bisher kaum Fortschritte in Richtung Zielerreichung realisiert worden. Die schleppende Umsetzung steht somit im deutlichen Kontrast zu den Erfolgen im Stromsektor.

Status Quo Verkehrssektor

Ein wesentlicher Baustein der geplanten Maßnahmen im Verkehrssektor bezieht sich auf eine deutliche Ausweitung der Elektromobilität. Die Politik und die öffentliche Wahrnehmung fokussieren dabei zumeist auf den PKW-Bereich, dessen Ziele besonders öffentlichkeitswirksam verbreitet wurden (“1 Mio. Elektroautos bis 2020”). Weniger häufig werden hingegen Konzepte zur Elektromobilität für den ÖPNV diskutiert. Dabei könnte in Zukunft eine Umstellung der bisher fast vollständig durch Diesel betriebenen Busflotten auf verschiedene Elektrobustechnologien von hoher Bedeutung sein.

Der Verkehrssektor ist zu gut einem Viertel am deutschen Primärenergieverbrauch beteiligt. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) spielt hierbei jedoch nur eine untergeordnete Rolle und stellt nur rund 7% der Verkehrsleistung. Grundsätzlich sind im Rahmen der Energiewende zwei Entwicklungslinien denkbar: (1) eine Verschiebung der Anteile weg vom mobilen Individualverkehr zum ÖPNV und (2) eine Senkung des Energieverbrauchs des ÖPNVs. Mit Hinblick auf Punkt (2) besteht ein Handlungsbedarf vor allem im Bereich des Busverkehrs, da dieser aktuell zu rund 95% mit Diesel betrieben wird. Dieselbusse emittieren nicht nur das besonders im Fokus der Energiewende stehende Kohlendioxid (CO2), sondern diverse weitere Schadstoffe wie Stickoxide (NOx) und tragen zudem nicht unwesentlich zur Feinstaubbelastung (PM) in den Innenstädten bei.

Umweltwirkungen alternativer Antriebsarten

Als Alternativen zum Diesel bieten sich aktuell fossile (Dieselhybrid, Erdgas), wasserstoffbasierte (Brennstoffzelle) sowie elektrische Antriebstechnologien an. Letztere lassen sich in Nachlader (kleinere Batterien, die entlang der Strecke nachgeladen werden müssen) und Volllader (Batteriegrößen werden auf die vollen Strecken ausgelegt) sowie in Trolleybusse, welche die Oberleitungen der Straßenbahnen nutzen können, unterscheiden.

Unter Berücksichtigung des kompletten Lebenszyklus eines Busses (incl. Kraftstoffbereitstellung, Fahrzeugproduktion, Instandhaltung) und eines standardisierten Linienbusfahrbetriebs lassen sich die jeweiligen Energieverbräuche und Emissionen der alternativen Technologien abschätzen. Abbildung 1 stellt diese Werte in Relation zum dominierenden Dieselantrieb dar. Der Vergleich zeigt, dass signifikante Einsparungen bei den Emissionen und Energiemengen durch einen Umstieg auf Elektrobusse möglich sind – soweit es sich um Strom aus erneuerbaren Energien handelt. Wird der konventionelle Strommix Deutschlands (mit seinen hohen Kohleanteilen) unterstellt, fällt der Vergleich uneinheitlich aus.

Abbildung 1: Vergleich alternativer Busantriebstechnologien unter Umweltgesichtspunkten

Kosten alternativer Antriebsarten

Das ökologisch erfreuliche Bild der Elektrobusse wird durch die nicht wettbewerbsfähige Kostensituation getrübt (Abbildung 2). Hier machen sich neben den hohen Anschaffungskosten der Busse auch noch die im Vergleich zum Diesel deutlich erhöhten Kosten für die Ladeinfrastruktur bemerkbar. Lediglich der Dieselhybrid mit elektrobasiertem Zusatzantrieb liegt in vergleichbaren Dimensionen, da der geringere Kraftstoffverbrauch die etwas höheren Anschaffungskosten weitestgehend ausgleicht. Allerdings lagen wie in Abbildung 1 gezeigt die positiven Umweltwirkungen des Hybrid deutlich unter denen der reinen Elektrobusse.

Abbildung 2: Gesamtkosten pro Jahr

Fazit

Elektrisch betriebene Busse könnten die Schadstoff- und Lärmemissionen des ÖPNV merklich senken und auch einen geringeren Energieverbrauch mit sich bringen. Die ökologischen Potenziale sind somit tatsächlich vielversprechend. Gleichwohl stellt sich die wirtschaftliche Situation aktuell nicht so dar, als dass sich E-Busse von alleine im Markt durchsetzen können, so dass ohne weitere Maßnahmen wohl ein Nischendasein drohen dürfte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kraftstoffkostenkonstellation innerhalb absehbarer Zeit so drastisch ändern wird, dass Diesel deutlich teurer und gleichzeitig die Stromgroßhandelspreise gleichbleibend oder noch günstiger werden, als es zurzeit der Fall ist. Selbst wenn dies geschehen sollte, bleibt aus Sicht der E-Busse immer noch die Problematik, dass massive Investitionen in eine Ladeinfrastruktur vorgenommen werden müssen und diese mit einer bestehenden Dieseltankinfrastruktur im Wettbewerb steht. Erfahrungen aus Fallstudien in Deutschland und aus dem Ausland weisen zudem darauf hin, dass ein flächendeckender Einsatz von elektrischen Bussen, u.a. durch die streckenspezifischen Anforderungen, planerisch sehr anspruchsvoll ist. Es existiert in Deutschland zwar eine Vielzahl von Förderinstrumenten, offenbar sind diese jedoch nicht ausreichend, um den Marktanteil von E-Bussen merklich zu steigern.

Ausblick

Zum Abschluss sollen daher noch einige mögliche gesetzliche Änderungen und Ideen für Förderprogramme vorgestellt werden, die einen positiven Effekt auf die Verbreitung von batterieelektrischen Bussen haben könnten. Diese Aufstellung ist weder vollständig noch sind die einzelnen Vorschläge bereits voll ausformuliert. Sie sollen vielmehr Gedankenanstöße darstellen, die noch in weiteren Arbeiten näher analysiert und evaluiert werden müssten.

Abbau Steuerbegünstigungen Konkurrenzenergieträger

Die Steuerbegünstigung von Diesel fördert den steigenden Anteil am Verkehrseinsatz und senkt gleichzeitig die Anreize zur Investition in umweltfreundliche Antriebstechnologien. So liegt der Energiesteuersatz für Dieselkraftstoff bei 47 Cent/l, der für Benzin hingegen bei 65,4 Cent/l. Zwar sind die Kfz-Steuersätze für Dieselfahrzeuge höher angesetzt, allerdings kann dies die Begünstigung des Kraftstoffs vor allem bei Vielfahrern nicht ausgleichen. So legte der Absatz von Diesel in Deutschland in den letzten Jahren stark zu (von ca. 22 Mio. t in 1990 auf ca. 36 Mio. t in 2014), während der Trend beim Superbenzin gegenläufig ausfiel (von ca. 32 Mio. t in 1990 auf unter 19 Mio. t in 2014). Mit einer Erhöhung der Energiesteuer für Dieselkraftstoff könnte die Attraktivität von Dieselmotoren gesenkt werden und gleichzeitig Anreize geschaffen werden, speziell in Elektrobusse zu investieren.

Verbot Busse in Innenstädten/Plaketten

Neben einer Einflussnahme mit marktorientierten Ansätzen wie Energiesteuern könnten auch Maßnahmen aus dem Auflageninstrumentarium eingeführt bzw. verschärft werden. Am konsequentesten wäre vermutlich ein Verbot von Dieselbussen in Innenstädten, das bspw. im Rahmen der Feinstaubplakettenregelung eingeführt werden könnte. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine zu schnell eingeführte und vor allem auch die Bestandsbusse erfassende Regelung die Verkehrsbetriebe vor größere Herausforderungen stellen dürfte und mit einer massiven Kapitalentwertung einhergehen würde.

Subvention von Elektrobussen

Elektrobusse könnten von einigen staatlichen Abgaben oder Umlagen befreit oder zumindest mit ermäßigten Stromsteuersätzen begünstigt werden. Eine weitere Subventionsmöglichkeit könnte darin bestehen, eine Art EEG-Umlage für Elektrobusse einzuführen. Nach dem EEG-Prinzip könnten die Mehrkosten für Elektrobusse beispielsweise auf die Fahrtickets im gesamten ÖPNV umgelegt werden. Diese Regelung würde zwar die ÖPNV-Betreiber (und die öffentliche Hand) entlasten, angesichts der Kostendynamik, die beim EEG zu beobachten ist, sind massive Kostensteigerungen für die Fahrgäste zu befürchten. Dies könnte die Bestrebungen, mehr Personen für den ÖPNV zu begeistern, konterkarieren und ab einem bestimmten Ticketpreis müsste vermutlich doch wieder die öffentliche Hand zuschießen. Daher sollten sich vor der Einführung einer wie auch immer gearteten weiteren ökologisch motivierten Umlage Gedanken über die Kostendynamik gemacht werden.

Neue Betreibermodelle

Es bestünde die Möglichkeit, eine Art Genossenschaft für Elektrobusse zu gründen. In einer solchen Genossenschaft könnte sich das Betreiberunternehmen mit der Stadt und lokalen Unternehmen oder Geschäften zusammenschließen, um die Elektrobusse anzuschaffen. Für den Betreiber hätte das den Vorteil der geringeren Anschaffungskosten. Die Stadt und die Unternehmen könnten den Einsatz von umweltschonender und effizienter Technologie fördern. In Abstimmung mit den Umweltämtern könnte die Förderung durch Unternehmen auch als Umweltausgleichsmaßnahme anerkannt werden. Zusätzlich könnten elektrisch betriebene Busse als Werbefläche für diese Unternehmen genutzt werden und zur ökologischen Imageverbesserung beitragen. Der Vorteil von Elektrobussen wäre im Gegensatz zu einigen anderen Maßnahmen, dass sie durch die lokale Bevölkerung täglich wahrgenommen und erfahren werden (im Gegensatz bspw. zu Aufforstungsmaßnahmen im Ausland).

Darüber hinaus sind auch alternative Finanzierungskonzepte (bspw. Leasing einzelner Buskomponenten) oder eine sinnvolle Nachverwertung von ausrangierten Busteilen (bspw. Nutzung nicht mehr für den Fahrbetrieb geeigneter Batterien als Energiespeicher für Gewerbekunden oder Haushalte mit geringeren Leistungsansprüchen und weniger Ladezyklen) denkbar.

Literatur

BMWi (2015): Die Energie der Zukunft – Vierter Monitoring-Bericht zur Energiewende. Berlin.

Pütz, R. (2010): Modell zur ökologischen und ökonomischen Analyse und strategischen Optimierung von Linienbusflotten. Düsseldorf.

Seeliger, A./Jeschull, S./Krönauer, B./Limberg, S./Schreiner, C./Souza, M./Verza, M. (2016): Elektrobusse im ÖPNV – eine technisch-wirtschaftliche Analyse unter Berücksichtigung praktischer Umsetzungsbeispiele. Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Niederrhein, Nr. 9. Krefeld.

©KOF ETH Zürich, 26. Apr. 2016

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