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Erhöhung des Rentenalters – der Rest ist Detail

Summary:
Wie lässt sich die Altersvorsorge nachhaltig sichern? Dieser Beitrag plädiert am Beispiel der Schweiz für eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters. Alle anderen Massnahmen, wie beispielsweise die Erhöhung der Beiträge oder die Kürzung der Leistungen, sind angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung wenig zielführend. Es gibt kaum eine wirtschaftspolitische Herausforderung, die längerfristig von grösserer Bedeutung ist als die nachhaltige Sicherung der Altersvorsorge. Gleichzeitig gehören Reformen, die diese Nachhaltigkeit sichern sollen zu den politisch anspruchsvollsten Vorhaben. In der Schweiz zeigt dies etwa die jüngere Geschichte der AHV (umlagefinanzierte 1. Säule der Altersvorsorge). Die 10. AHV-Revision aus dem Jahre 1997 war die letzte umfassende Reform dieses Sozialwerkes, die sich politisch durchsetzen liess. Trotz riesiger Papierberge und jahrelanger politischer Debatten ist seither keine substantielle Reform mehr gelungen. Die momentan debattierte Altersvorsorge 2020 ist seit der im Parlament gescheiterten 11. und der verwaltungsintern seinerzeit angedachten 12. AHV-Revision der dritte Versuch, den angestauten Problemen mit einem grösseren Wurf zu begegnen. Gerade weil derartige Reformen politisch so schwierig durchsetzbar sind, sollte man sicher sein, dass sie dann die Finanzierungsprobleme auch wirklich nachhaltig lösen.

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Wie lässt sich die Altersvorsorge nachhaltig sichern? Dieser Beitrag plädiert am Beispiel der Schweiz für eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters. Alle anderen Massnahmen, wie beispielsweise die Erhöhung der Beiträge oder die Kürzung der Leistungen, sind angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung wenig zielführend.

Es gibt kaum eine wirtschaftspolitische Herausforderung, die längerfristig von grösserer Bedeutung ist als die nachhaltige Sicherung der Altersvorsorge. Gleichzeitig gehören Reformen, die diese Nachhaltigkeit sichern sollen zu den politisch anspruchsvollsten Vorhaben. In der Schweiz zeigt dies etwa die jüngere Geschichte der AHV (umlagefinanzierte 1. Säule der Altersvorsorge). Die 10. AHV-Revision aus dem Jahre 1997 war die letzte umfassende Reform dieses Sozialwerkes, die sich politisch durchsetzen liess. Trotz riesiger Papierberge und jahrelanger politischer Debatten ist seither keine substantielle Reform mehr gelungen. Die momentan debattierte Altersvorsorge 2020 ist seit der im Parlament gescheiterten 11. und der verwaltungsintern seinerzeit angedachten 12. AHV-Revision der dritte Versuch, den angestauten Problemen mit einem grösseren Wurf zu begegnen.

Gerade weil derartige Reformen politisch so schwierig durchsetzbar sind, sollte man sicher sein, dass sie dann die Finanzierungsprobleme auch wirklich nachhaltig lösen. Und hier kranken meines Erachtens die bisherigen Ansätze daran, dass sie mit dem Rentenalter die zentrale Stellschraube des ganzen Systems nicht wirklich zu betätigen wagen. Das rasant wachsende finanzielle Ungleichgewicht in der Altersvorsorge stammt zuallererst aus der einfachen Tatsache, dass die Lebenserwartung laufend ansteigt, das Rentenalter aber unverändert bleibt. Und alle Prognosen gehen davon aus, dass die positive Dynamik bei der Lebenserwartung weiter anhält. Ohne eine Flexibilisierung des Rentenaltes bleiben deshalb auch vermeintlich grosse Reformwürfe in der Altersvorsorge blosses Stückwerk von begrenzter Wirksamkeit.

Warum ist das Rentenalter so zentral?

Die Finanzierungssituation jedes Systems der Altersvorsorge hängt letztlich an ein paar wenigen direkt oder indirekt beeinflussbaren Faktoren:

  1. Anzahl Rentner pro Beitragszahler (Erwerbstätige)
  2. Finanzierung (Beitragszahlungen, Steuern)
  3. Ausgaben (Leistungen an die Rentner)
  4. Wirtschaftswachstum.

Das gilt sowohl für Systeme mit Umlageverfahren (AHV) als auch für solche mit Kapitaldeckungsverfahren (Pensionskassen). Eine Erhöhung des Rentenalters ist die einzige wirtschaftspolitische Massnahme, die jede dieser vier Faktoren im Hinblick auf die Finanzierbarkeit bei steigender Lebenserwartung positiv beeinflusst. Im Vergleich zu einer Situation bei unverändertem Rentenalter ergeben sich folgende Effekte:

Erstens reduziert sich die zentrale Kenngrösse der Anzahl Rentner pro Beitragszahler und zwar weil die Leute länger erwerbstätig sind und weniger lange Rentner. Dadurch sinkt bei dieser Kenngrösse für jeden Zeitpunkt der Zähler (weniger Rentner) und gleichzeitig steigt der Nenner (mehr Erwerbstätige).

Zweitens steigen die Einnahmen der Altersvorsorgesysteme weil die Leute länger erwerbstätig und damit beitragspflichtig bleiben.

Drittens sinkt die Anzahl ausgezahlter Renten und damit die Ausgaben der Sozialwerke, da die Leute weniger lange Renten beziehen.

Viertens schliesslich – und dieser wichtige Effekt wird in der politischen Diskussion meist übersehen – erhöht sich gegenüber einer Situation mit unverändertem Rentenalter das zukünftige Wirtschaftswachstum. Die Höhe des BIP ist ja abhängig von der durchschnittlichen Stundenproduktivität und von der Anzahl geleisteter Arbeitsstunden. Je höher das Rentenalter desto mehr Arbeitsstunden werden geleistet und desto höher ist also das BIP pro Kopf. Umgekehrt wird die Bevölkerungsalterung bei gleichbleibendem Rentenalter den höchst unerfreulichen Effekt haben, dass das BIP-Wachstum in den kommenden Jahren deutlich negativ beeinflusst wird. Dem kann mit einer Erhöhung des Rentenalters entgegen gewirkt werden.

Wie wirken im Vergleich dazu die beiden alternativen wirtschaftspolitischen Stellschrauben, nämlich Beitragserhöhungen oder Rentenkürzungen? Mit Erhöhungen der Lohnbeiträge oder der Steuern einerseits lässt sich von den vier genannten Faktoren nur einer beeinflussen, nämlich die Höhe der Einnahmen. Auf die beiden Faktoren Anzahl Rentner pro Erwerbstätige und Ausgaben der Sozialwerke hat das keinen Einfluss und der vierte Faktor – das Wirtschaftswachstum – wird wegen der verzerrenden Wirkung von Steuern tendenziell negativ beeinflusst. Rentenkürzungen auf der anderen Seite beeinflussen ebenfalls nur einen der vier genannten Faktoren und zwar die Höhe der Ausgaben. Alle anderen bleiben davon unbeeinflusst.

Es ist nun aber natürlich klar, dass eine Erhöhung des Rentenalters politisch nicht einfach zu verkaufen ist. Trotzdem scheint es mir ein Gebot der politischen Ehrlichkeit, die oben angeführten Zusammenhänge klar zu kommunizieren und auf die letztliche Unvermeidlichkeit dieses Schrittes mit Nachdruck aufmerksam zu machen. Die Alternative ist ein nicht nachhaltiges System, das auf einer massiven versteckten Umverteilung von der jungen an die ältere Generation basiert. Irgendwann wird dies nicht mehr aufrecht zu erhalten sein und es braucht dann drastische und sehr teure Massnahmen, um den finanziellen Kollaps der Altersvorsorge zu vermeiden.

Aber haben wir überhaupt genügend Arbeitsplätze?

In der Diskussion um ein höheres Rentenalter wird oft ein Gegenargument angeführt, das auf den ersten Blick überzeugend, tatsächlich aber ökonomisch völlig falsch ist. Die Idee nämlich, dass es nicht genügend Stellen für Arbeitnehmer über 65 gäbe. Sie ist ein Ausfluss der uralten Fehlvorstellung, dass es eine fixe Menge von Arbeit gäbe, die es auf die Bevölkerung zu verteilen gilt. Die ökonomische Theorie wie auch die Erfahrungen gerade in der Schweiz zeigen, dass in einer dynamischen Wirtschaft die Beschäftigung laufend ansteigt. Wäre die Hypothese einer beschränkten Anzahl von Arbeitsplätzen korrekt, so hätte etwa die steigende Frauenerwerbsquote der letzten Jahrzehnte zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit führen müssen; nichts dergleichen haben wir beobachtet. Genau so spricht nichts dafür, dass ältere Arbeitnehmer nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können, insbesondere, da der Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit der Menschen über 65 wohl mit dem der 55-jährigen vor einigen Jahrzehnten vergleichbar ist. In der Schweiz kommt noch dazu, dass mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative eine deutliche Einschränkung des Pools an potentiellen Arbeitskräften droht; die Beschäftigung von Senioren wird dadurch für die Unternehmen zusätzlich attraktiv. Schliesslich ist es für Unternehmen auch interessanter in die Anstellung über 60-Jähriger zu investieren, wenn sie wissen, dass diese deutlich länger als bis 65 arbeiten könnten. Das muss dann ja nicht in einer 100%-Stelle sein, sondern kann verschiedene Formen der Altersteilzeit umfassen.

Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung

Aus all diesen Gründen spricht sehr viel dafür, bei der nächsten grundlegenden Revision der Sozialwerke Erhöhungen des Rentenalters als ein Kernelement zu behandeln. Leider sieht man aber in der aktuell in der Schweiz diskutierten Altersvorsorge 2020 sehr wenig davon. Ausser der eigentlich selbstverständlichen Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 ist an dieser Front Funkstille. Vielmehr baut die vom Bundesrat vorgeschlagene Reform primär auf Erhöhungen der Mehrwertsteuer und damit auf Mehreinnahmen. Dies kann zwar – mit einem sehr einseitigen Ansatz zuungunsten der Jüngeren – die Nachhaltigkeit der Finanzierung etwas verbessern, bietet aber in keiner Weise eine dauerhafte Lösung; es ist jetzt schon klar, dass bald nach einer solchen Grossreform die nächste folgen müsste.

Was die konkrete Umsetzung betrifft, so wäre ein Sprung des Rentenalters zum Beispiel auf 67 Jahre politisch kaum durchzusetzen. Erfolgsversprechender erscheint hier eine schrittweise Erhöhung, die sich an der steigenden Lebenserwartung orientiert. Ein solcher Mechanismus hätte den Vorteil, das Problem direkt bei der Wurzel anzupacken, nämlich dem zunehmenden Auseinanderklaffen von Rentenalter und Lebenserwartung. Zudem könnte man so die Notwendigkeit dauernder Adjustierungen vermeiden, indem das Rentenalter nicht von politischen Entscheiden, sondern von einer objektiv messbaren biologischen Grösse abhängt. Das Beispiel Schweden zeigt, dass sich derartige Mechanismen auch tatsächlich implementieren lassen.

Da es letztlich ohnehin unvermeidlich sein wird, wäre wirklich sinnvoll, wenn das Rentenalter 65 bereits in der laufenden Reform den Status einer heiligen Kuh verliert und man so einer wirklich nachhaltigen Finanzierung der Altersvorsorge zum Durchbruch verhilft; zwar ist die Hoffnung auf eine solche Einsicht in der laufenden Debatte gering, aber noch hat das Schweizer Parlament ja nicht entschieden.

©KOF ETH Zürich, 23. Feb. 2016

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