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Ökonomische Bildung als Teil der Allgemeinbildung

Summary:
Kann und soll die Schule Unternehmertum lehren? Dieser Beitrag geht der Frage nach, welchen Stellenwert "Entrepreneurship Education" für die Volkswirtschaft sowie für eine zukünftige Erwerbstätigkeit aufweisen kann. In Baden-Württemberg ist seit diesem Schuljahr ab Klasse 7 in Real- und Gemeinschaftsschulen und ab Klasse 8 im Gymnasium das Fach "Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung" curricular verankert. Erklärtes Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, ökonomisch geprägte Lebenssituationen in ihren Rollen als Verbraucher, Wirtschaftsbürger oder Erwerbstätiger verantwortungsvoll und mündig zu bewältigen. Zugleich soll der Unterricht dazu beitragen, ihnen die Berufswahl zu erleichtern. Da zu ihrer Rolle als Erwerbstätiger sowohl die des Arbeitnehmers als auch die des Arbeitgebers bzw. des Unternehmers gehören kann, werden auch Chancen und Risiken unternehmerischer Selbstständigkeit aufgezeigt (Bildungsplankommission Wirtschaft, Bildungsplan, www.bildungsplaene-bw.de). Im nachfolgenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert Entrepreneurship Education für die Volkswirtschaft sowie für eine zukünftige Erwerbstätigkeit aufweisen kann. Das Unternehmerbild ist heute vielfältiger Unternehmertum gilt als Basis für eine prosperierende Volkswirtschaft sowie als Beschäftigungsmotor.

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Kann und soll die Schule Unternehmertum lehren? Dieser Beitrag geht der Frage nach, welchen Stellenwert "Entrepreneurship Education" für die Volkswirtschaft sowie für eine zukünftige Erwerbstätigkeit aufweisen kann.

In Baden-Württemberg ist seit diesem Schuljahr ab Klasse 7 in Real- und Gemeinschaftsschulen und ab Klasse 8 im Gymnasium das Fach "Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung" curricular verankert. Erklärtes Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, ökonomisch geprägte Lebenssituationen in ihren Rollen als Verbraucher, Wirtschaftsbürger oder Erwerbstätiger verantwortungsvoll und mündig zu bewältigen. Zugleich soll der Unterricht dazu beitragen, ihnen die Berufswahl zu erleichtern. Da zu ihrer Rolle als Erwerbstätiger sowohl die des Arbeitnehmers als auch die des Arbeitgebers bzw. des Unternehmers gehören kann, werden auch Chancen und Risiken unternehmerischer Selbstständigkeit aufgezeigt (Bildungsplankommission Wirtschaft, Bildungsplan, www.bildungsplaene-bw.de). Im nachfolgenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert Entrepreneurship Education für die Volkswirtschaft sowie für eine zukünftige Erwerbstätigkeit aufweisen kann.

Das Unternehmerbild ist heute vielfältiger

Unternehmertum gilt als Basis für eine prosperierende Volkswirtschaft sowie als Beschäftigungsmotor. In der Vergangenheit standen dabei besonders technologieorientierte Gründungen, die gemeinhin als Inbegriff innovativen Unternehmertums angesehen werden, im Fokus der Wirtschaftspolitik. Doch die Gründungsförderpolitik ist deutlich vielfältiger: So wird beispielsweise nach Wegen gesucht, wie verschiedene Erwerbstätigengruppen, die am Arbeitsmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen unterrepräsentiert sind und/oder schwerer eine Festanstellung finden, optional zu einer Existenzgründung motiviert werden können. Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass durch die unternehmerische Selbstständigkeit von Frauen der Gender Pay Gap reduziert werden kann bzw. Frauen häufig die Selbstständigkeit als Reaktion auf die gläserne Decke wählen. Aus diesem Grund wird das Thema Gründungsförderung durchaus aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Ebenso initiiert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit geraumer Zeit Projekte zu diesem Thema, mit deren Hilfe national unterschiedliche Wege aufgezeigt werden, wie verschiedene Personengruppen mit geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt den Weg in die Selbstständigkeit finden (vgl. Inclusive Business Creation, S. 3).

Doch Entrepreneurship birgt auch Schattenseiten: So zeigt sich, dass unternehmerische Selbstständigkeit auch Ungleichheiten verstärken kann. Zudem scheitern so genannte Necessity-Gründungen (Unternehmensgründungen aus der Not und mangels alternativer Perspektiven) besonders häufig. Nicht zuletzt aus diesem Grund erscheint eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Thematik schon im Schul- und Jugendalter notwendig, bei der sowohl grundlegende ökonomische Sachverhalte vermittelt als auch die Chancen und Gefahren aufgezeigt wird.

Ziel: Förderung einer Kultur der (unternehmerischen) Selbstständigkeit

In der Vergangenheit lag der Fokus der Entrepreneurship Education darauf, eine Art "Ausbildung zum Unternehmer" vorwiegend im tertiären Bildungsbereich zu etablieren. In den Schulen tauchte das Thema "Unternehmertum" – wenn überhaupt – nur in der Sekundarstufe II im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialkundeunterrichts oder in Form außercurricularer Initiativen wie "Unternehmergeist in die Schulen" oder "JUNIOR" auf. Das Förderungsselbstverständnis ist im Schulbereich ein anderes: Hier sollte Entrepreneurship Education weit über die Vermittlung von spezifischem unternehmerischen Fachwissen hinausreichen, wenn man erreichen möchte, dass unternehmerisches Denken und Handeln polyvalent gefördert wird: Ziel muss es sein, generell in der Gesellschaft ein positives Unternehmerbild zu etablieren (vgl. Bijedi? 2013, S. 35).

Wie wichtig insbesondere letzteres ist und wie gesellschaftlich verankerte Rollenbilder wirken, die sowohl im Bildungssystem als auch medial verbreitet werden, zeigen beispielsweise unterschiedliche Gender-Studien im Kontext der Berufsbildungs- und Entrepreneurship-Forschung. So bleibt die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt trotz zahlreicher Förderinitiativen wie beispielsweise Girls' Day oder Mach MINT weitgehend stabil (vgl. IWD 2015, S. 2). Wie selbstverständlich stereotype Rollenbilder weiter perpetuiert werden, zeigt die Berichterstattung über Unternehmerinnen in den Medien. So ist diese in den vergangenen 20 Jahren zwar etwas sachlicher geworden, doch beeinflusst immer noch das Bild vom "Mann als Haupternährer der Familie" das gesellschaftliche Denken (vgl. Welter/Ettl, S. 19). Dies hat zur Folge, dass sich Unternehmerinnen selbst nicht als solche bezeichnen, obwohl sie eindeutig unternehmerisch tätig sind.

Von Entrepreneurship Education profitieren nicht nur Gründungswillige

Durch eine frühzeitige, interdisziplinäre und polyvalente Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns im Rahmen von allgemeiner und beruflicher Bildung kann langfristig das Unternehmerbild in der Gesellschaft sowohl verbessert als auch in seiner Vielfalt aktualisiert werden. Zudem können unternehmerische Handlungskompetenzen und unternehmerische Persönlichkeit gefördert werden, die sowohl zur Ausübung unternehmerischer Selbstständigkeit als auch zum unternehmerischen Handeln im Rahmen abhängiger Beschäftigung befähigen sowie insgesamt die Beschäftigungsfähigkeit erweitern (Vgl. Bijedi? 2013, S. 102f).

Notwendig ist dabei allerdings, dass in der Schule nicht nur Fachkenntnisse vermittelt werden, sondern die Schülerinnen und Schüler auch lernen, fachübergreifende Kompetenzen zu entwickeln, damit sie das Erlernte kritisch reflektieren und auf unterschiedliche Kontexte transferieren können. Das lässt sich in der Regel anhand handlungs- und praxisorientierter sowie interdisziplinär ausgerichteter Lehr-Lern-Arrangements initiieren. Daneben empfiehlt es sich, Kreativität und soziale Verantwortung sowohl in der Schule als auch an der Universität explizit zu fördern. Ziel sollte es insgesamt sein, den Schülerinnen und Schülern eine realistische und differenzierte Einschätzung der unternehmerischen Selbstständigkeit zu bieten. Erst dann sind sie fähig, eine mündige Entscheidung für oder gegen die unternehmerische Erwerbsoption zu fällen.

Eine Gründungsförderung im engeren Sinne ist hierdurch hingegen nicht beabsichtigt. Im Gegenteil: Untersuchungen belegen, dass Entrepreneurship Education trotz der Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen und trotz Persönlichkeitsförderung die Gründungsneigung insbesondere bei Zielgruppen ohne vorherige Berührungspunkte mit dem Thema sogar verringern kann (Vgl. Bijedi? 2013, S. 361ff). Dies darf jedoch keineswegs als Misserfolg des Entrepreneurship Education-Angebots betrachtet werden. Es belegt vielmehr, dass erst eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Thematik einerseits und den eigenen Neigungen und Eignungen andererseits zu einer kompetenten, verantwortungsvollen und mündigen Entscheidung befähigt. Denn Studien zeigen auch, dass Erwerbstätige, die im Rahmen der Schulbildung Entrepreneurship Education-Angebote in Anspruch genommen haben und danach (noch immer) über Gründungsneigung verfügen, mit höherer Wahrscheinlichkeit diese auch vollziehen als Personen, die über hohe Gründungsneigung verfügen und keine Entrepreneurship Education-Maßnahme nutzten (vgl. Josten/van Elkan 2010, S. 26). Das heißt, die Selbstständigenquote der Entrepreneurship Education-Teilnehmer war Jahre nach der Maßnahme deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Solch eine mündige Entscheidungsfähigkeit ist heute umso wichtiger, denn in den vergangenen Jahrzehnten haben sich sowohl die Erwerbsverläufe als auch die Arbeitnehmerrolle deutlich gewandelt. So hat erst kürzlich eine Studie des IfM Bonn gezeigt, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Anzahl derjenigen Erwerbstätigen gestiegen ist, die zwischen Selbstständigkeit, abhängiger Beschäftigung und auch Phasen der Arbeitslosigkeit hin und her wechseln (Vgl. Suprinovi?, 2016, S. 40f).

Allerdings sollte man nicht verkennen, dass unternehmerisches Denken und Handeln nicht allein wirtschaftlichen Interessen dient – es trägt auch dazu bei, innovative Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden sowie einen positiven sozialen Wandel zu begünstigen. Social Entrepreneurs werden medial immer sichtbarer. Wird im Rahmen der Entrepreneurship Education die soziale Verantwortung integrativ mitbedacht ? wie es im angelsächsischen Kontext bereits auf breiter Ebene und in Deutschland vereinzelt geschieht ? kann sie letztlich nicht nur positive Effekte für die Ökonomie und die einzelnen Erwerbstätigen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt herbeiführen.

Bijedi?, T. (2013): Entwicklung unternehmerischer Persönlichkeit im Rahmen einer Entrepreneurship Education. Didaktische Lehr-Lern-Konzeption und empirische Analyse für die Sekundarstufe II, München/Mehring.

Bildungsplankommission Wirtschaft: Bildungsplan Wirtschaft/Beruf- und Studienorientierung[ a ].

IWD (2015): Es ist, wie es ist, in: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Ausgabe 31, Jahrgang 41, S. 1-2.

Josten, M.; van Elkan, M. (2010): Unternehmergeist in die Schulen?! Ergebnisse aus der Inmit-Studie zu Entrepreneurship Education-Projekten an deutschen Schulen; in: Ministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.), Mittelstandspolitik, Existenzgründungen, Dienstleistungen, S. 26.

OECD (Hrsg. 2016): Inclusive Business Creation. Good Practice Compendium, Paris.

Suprinovi?, O.; Schneck, S.; Kay, R. (2016): Einmal Unternehmer, immer Unternehmer? Selbstständigkeit im Erwerbsverlauf, in: IfM Bonn: IfM Materialien Nr. 248, Bonn.

Welter, F.; Ettl, K. (2015): Das Unternehmerinnenbild in der deutschen Presse, in: Schütt, B. (Hrsg.): grOW ? Frauen gründen (in) Ost und West. 25 Jahre Wiedervereinigung ? Frauengründungen in Ost- und Westdeutschland auf dem Prüfstand. Rückblick ? Status ? Ausblick.

Bijedi?, T.; Brink, S.; Ettl, K.; Kriwoluzky, S.; Welter, F. (2016): Innovation and women’s entrepreneurship: (why) are women entrepreneurs less innovative?, in: Diaz-Garcia, C.; Brush, C.; Gatewood, E.; Welter, F.: Women’s Entrepreneurship in Global and Local Contexts. Cheltenham et al. 2016, S. 63-80.

Bijedi?, T.; Brink, S.; Chlosta, S.; Werner, A. (2016): Verwertung der Innovationen von an Hochschulen tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, IfM Bonn: IfM-Materialien Nr. 243, Bonn.

Bijedic, T.; Chlosta, S.; Werner, A. (2016): Inventions and their Commercial Exploitation in Academic Institutions: Analysing Determinants Among Academics, IfM Bonn: Working Paper 04/16, Bonn.

Bijedi?, T.; Maaß, F.; Schröder, C.; Werner, A. (2014): Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf die Gründungsneigung von Wissenschaftlern an deutschen Hochschulen, IfM Bonn: IfM-Materialien Nr. 233, Bonn.

Brink, S.; Kriwoluzky, S.; Bijedi?, T.; Ettl, K.; Welter, F. (2014): Gender, Innovation und Unternehmensentwicklung, IfM Bonn: IfM-Materialien Nr. 228, Bonn.

Welter, F.; Gröschl, J. (2016): Unternehmer und Unternehmerinnen in Deutschland, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte, 16-17/2016, Bonn.

©KOF ETH Zürich, 5. Dez. 2016

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