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Mehr Frauen in Führungspositionen: ein Vorschlag zur Flexibilisierung der Frauenquote

Summary:
Das Beispiel Norwegen zeigt: Durch die Frauenquote werden in Deutschland und anderen europäischen Ländern hohe Kosten auf die Unternehmen zukommen. Dieser Beitrag schlägt eine Alternative vor, die gegenüber den derzeit diskutierten starren Politikmaßnahmen einige Vorteile aufweist. Anstatt einer einheitlichen Quote könnte ein Zertifikatehandel die individuellen Umstände der Firmen und ihr geschlechterspezifisches Arbeitsangebot besser berücksichtigen. In verschiedenen europäischen Ländern wird derzeit darüber diskutiert, eine Frauenquote einzuführen. Den Anfang hat Norwegen bereits 2003 gemacht. Island, Spanien, Deutschland und Frankreich folg(t)en in 2013, 2015 2016 und 2017. Auch auf EU-Ebene wird über eine Quote diskutiert, welche ab 2020 eingeführt werden soll. Dabei handelt es sich in der Regel um sektorenübergreifende starre Quoten. Eine einheitliche Quote belastet jedoch Firmen unterschiedlich, unter anderem weil das Arbeitsangebot von Frauen in den Ländern nach Sektoren unterschiedlich hoch ist. Durchschnittlich sind ca. 16% der Aufsichtsratsmitglieder in den USA und in den EU-27 Staaten weiblich. Wenn man sich allerdings Minimal- und Maximalwerte (innerhalb der EU) ansieht, dann gibt es beträchtliche Unterschiede. In Malta gibt es überhaupt keine Frau in einem Aufsichtsrat, während in Finnland bereits fast jeder dritte Aufsichtsratsposten von einer Frau besetzt ist.

Topics:
Stefan Pichler considers the following as important:

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Das Beispiel Norwegen zeigt: Durch die Frauenquote werden in Deutschland und anderen europäischen Ländern hohe Kosten auf die Unternehmen zukommen. Dieser Beitrag schlägt eine Alternative vor, die gegenüber den derzeit diskutierten starren Politikmaßnahmen einige Vorteile aufweist. Anstatt einer einheitlichen Quote könnte ein Zertifikatehandel die individuellen Umstände der Firmen und ihr geschlechterspezifisches Arbeitsangebot besser berücksichtigen.

In verschiedenen europäischen Ländern wird derzeit darüber diskutiert, eine Frauenquote einzuführen. Den Anfang hat Norwegen bereits 2003 gemacht. Island, Spanien, Deutschland und Frankreich folg(t)en in 2013, 2015 2016 und 2017. Auch auf EU-Ebene wird über eine Quote diskutiert, welche ab 2020 eingeführt werden soll. Dabei handelt es sich in der Regel um sektorenübergreifende starre Quoten.

Eine einheitliche Quote belastet jedoch Firmen unterschiedlich, unter anderem weil das Arbeitsangebot von Frauen in den Ländern nach Sektoren unterschiedlich hoch ist. Durchschnittlich sind ca. 16% der Aufsichtsratsmitglieder in den USA und in den EU-27 Staaten weiblich. Wenn man sich allerdings Minimal- und Maximalwerte (innerhalb der EU) ansieht, dann gibt es beträchtliche Unterschiede. In Malta gibt es überhaupt keine Frau in einem Aufsichtsrat, während in Finnland bereits fast jeder dritte Aufsichtsratsposten von einer Frau besetzt ist. Selbst innerhalb Deutschlands sind die Unterschiede sehr ausgeprägt und reichen von ausschließlich männlich besetzten Aufsichtsräten wie etwa bei Fresenius (im Jahr 2015) bis zu 44% bei Henkel. Würden nun alle diese Firmen eine einheitliche Frauenquote erfüllen müssen, könnte dies mit hohen Kosten verbunden sein. So zeigten Ahern und Dittmar (2012), dass die Bewertungen der Aktien für jene Firmen nach dem Beschluss zur Einführung einer Frauenquote in Norwegen sanken, die in der Besetzung ihrer Aufsichtsräte noch weit von einer Quotenerfüllung entfernt waren. Auch versuchten einige Firmen, durch Änderung der Rechtsform die Quote zu vermeiden (Bohren und Staubo 2014). Beides deutet darauf hin, dass die Einführung einer Quotenregelung mit erheblichen Kosten für Firmen einhergehen könnte, die volkswirtschaftlich gesehen nicht vernachlässigt werden sollten.

Meine Ko-Autoren und ich (Akyol, Neugart und Pichler, 2015[ a ]) schlagen eine Flexibilisierung der Frauenquote vor. Unsere Idee lehnt sich an den Handel mit CO2-Zertifikaten an. Dort bewirken Zertifikate, dass jene Firmen, die am kostengünstigsten CO2 einsparen können, dies auch tun und dafür auf dem Zertifikatemarkt belohnt werden. Umgekehrt können Firmen mit hohen Einsparungskosten Zertifikate erwerben, anstatt große Investitionen für eine geringe CO2-Ersparnis zu tätigen. Auf dem Arbeitsmarkt verhält es sich ähnlich: Einige Firmen agieren in Sektoren oder in Ländern in denen das Arbeitsangebot der Frauen gering ist und haben deshalb hohe Kosten, geeignete Frauen zu finden. In anderen Sektoren und Ländern hingegen ist es deutlich einfacher, geeignete Frauen für Führungspositionen zu finden. Eine einheitliche Quote könnte im zweiten Fall sogar zu einer Benachteiligung von Frauen führen, denn sobald die Quote erfüllt ist, sinkt der Anreiz weitere Frauen einzustellen.

Handelbare Zertifikate könnten somit zweierlei bewirken: Einerseits stellen sie eine Chance für Unternehmen dar, kostengünstiger mehr Frauen in Führungspositionen zu holen. Andererseits schaffen sie weitere Anreize, mehr Frauen in Führungspositionen zu holen, selbst wenn die Quote bereits erfüllt ist. Insbesondere aber zeigen wir in dem Beitrag, dass mit unserem Vorschlag die Anpassungskosten für Firmen mehr Frauen zu beschäftigen, gesenkt werden können, ohne an dem gesellschaftlichen Ziel, insgesamt mehr Frauen in Führungspositionen zu integrieren, Abstriche zu machen.

Ein weiteres Ergebnis, das bereits aus der Forschung zu CO2-Zertifikaten bekannt ist, bleibt dabei ebenfalls bestehen: Handelbare Zertifikate schneiden im Hinblick auf Wohlfahrtsverluste besser ab als eine einheitliche Quote, und zwar unabhängig von der anfänglichen Verteilung der Zertifikate. Demnach kann die anfängliche Verteilung zum Beispiel so gewählt werden, dass jene Firmen in Sektoren mit weniger Frauen mehr Zertifikate bekommen. Denkbar sind aber auch andere Zuweisungen. Klar ist, dass die Art und Weise wie Zertifikate anfangs verteilt werden, manche Firmen besser und andere schlechter stellen wird, je nachdem wie viele Zertifikate sie erhalten.

Die Auswirkungen einer handelbaren Quote auf den Arbeitsmarkt

Die Auswirkungen einer handelbaren Quote zu messen, ist schwierig, da die Politik noch nicht erprobt wurde und somit keine belastbaren Daten existieren. Deshalb haben wir die möglichen Folgen eines Zertifikatehandels in einer agentenbasierten Simulation (Agent Based Modeling) untersucht.

Gegenüber einem klassischen Theoriemodell können agentenbasierte Simulationen wesentlich komplexer sein, da sie nicht mathematisch gelöst werden müssen, sondern simuliert werden. Dadurch ermöglichen sie eine etwas detailgenauere Abbildung des Arbeitsmarkt und der zu untersuchenden Politiken als andere Modellierungsansätze.

Ohne jede Politik werden Frauen in diesem Modellrahmen benachteiligt, was dazu führt, dass insgesamt weniger Frauen einen Arbeitsplatz finden und dass die gezahlten Löhne für Frauen geringer ausfallen als jene für Männer. Im nächsten Schritt werden dann zwei unterschiedliche Politiken verglichen, welche dieser Benachteiligung entgegenwirken sollen. Einerseits wird eine einheitliche Quote eingeführt, die in jeder Firma eingehalten werden muss. Andererseits werden Zertifikate an die Firmen verteilt. Jedes Zertifikat erlaubt es, einen Mann einzustellen. Über die Menge der ausgegebenen Zertifikate wird so festgelegt, wie viele Männer maximal einen Arbeitsplatz erhalten könnten. Somit wird indirekt eine Frauenquote bestimmt.

Die Firmen können dann, je nach Arbeitsmarktsituation, mit Zertifikaten handeln. Die Anbieter solcher Zertifikate wären dann all jene Firmen, die weniger Männer eingestellt haben, als sie Zertifikate halten. Hier wären also Firmen zu finden, die sich einem Arbeitsmarkt mit vielen Frauen gegenübersehen. Auf der Nachfrageseite wären Marktteilnehmer in Sektoren mit weniger Frauen, für die es günstiger ist Zertifikate zu kaufen, als Frauen aus anderen Sektoren zu überzeugen ihren alten Beruf aufzugeben und für sie zu arbeiten.

Die Simulation zeigt, dass beide Politiken zu einer deutlichen Verbesserung der Situation für die weiblichen Arbeitskräfte führen: Die Löhne und die Beschäftigung steigen. Die handelbare Quote jedoch erreicht dieses Ziel deutlich kostengünstiger. Die Vorteile der handelbaren Quote kommen dadurch zustande, dass nicht alle Firmen gleichermaßen gezwungen werden, eine Quote einzuhalten. Unterschieden beim Angebot weiblicher Arbeitskräfte nach Region, Beruf oder Branche könnte damit Rechnung getragen werden. Firmen müssten nun nicht mehr Stellen unbesetzt lassen oder weniger qualifizierte Arbeitnehmerinnen einstellen, nur um die Quote einzuhalten.

Praktische Umsetzung

Ich habe das System handelbarer Zertifikate mit den jüngsten Entscheidungen über die Einführung von Quoten für Aufsichtsräte motiviert. Jedoch ist es durchaus denkbar, ein System handelbarer Zertifikate auch auf andere Führungspositionen oder Gruppen des Arbeitsmarkts auszuweiten. Auch hier haben Zertifikate gegenüber einer Quote einen klaren Vorteil. Sie legen eine klare Anzahl fest. Somit fallen die Probleme der begrenzten Teilbarkeit von Gremien weg. Dadurch könnten Zertifikate auch für den Posten eines einzelnen Geschäftsführers (CEO) angewandt werden, während eine prozentuelle Quote hier versagt, da der Posten meist nicht teilbar ist.

Die zweite Frage, die sich bei der Umsetzung stellt, ist der Handelsplatz. Dafür könnte sich eine zentrale Behörde auf nationaler oder bei einer Ausweitung des Systems auf EU-Ebene eignen, wo die Zertifikate ähnlich wie auf anderen Wertpapiermärkten gehandelt werden. Diese Einrichtung könnte dann auch gleichzeitig die Einhaltung der Zertifikate kontrollieren und dafür sorgen, dass kein Unternehmen mehr Männer einstellt als es Zertifikate besitzt. Die Agentur könnte ferner durch den Aufkauf und Verkauf von Zertifikaten am Markt, die Anreize für Firmen, Frauen einzustellen, steuern. Wenn es der politische Wille in Zukunft sein sollte, den Druck auf Firmen, Frauen einzustellen, weiter zu erhöhen, würde die Behörde Zertifikate aufkaufen. Das würde sich dann auf die Marktpreise auswirken und jede Firma könnte auf Grund der Preisänderung neu abwägen, ob Frauen oder Männer eingestellt werden sollten.

Ahern, K.R., Dittmar, A.K., 2012. The changing of the boards: the impact on firm valuation of mandated female board representation[ b ]. Quarterly Journal of Economics 127, 137–197.

Akyol, M., Neugart, M. Pichler, S. 2015. A tradable employment quota. Labour Economics[ a ], forthcoming.

Bohren, O., Staubo, S., 2014. Does mandatory gender balance work? Changing organizational form to avoid board upheaval[ c ]. Journal of Corporate Finance 28, 152–168.

©KOF ETH Zürich, 8. Okt. 2015

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