Der Rückblick auf das fast abgelaufene Jahr 2019 zeigt, dass der Handelsstreit die Investoren stark belastet hat. (Bild: Shutterstock.com / Min C. Chiu) Trotz Rezessionsängsten, Handelsstreit und Brexit stiegen die wichtigsten Aktienindizes rund um den Globus seit Jahresbeginn um 10% oder mehr, wie Marc Brütsch von Swiss Life schreibt. Der Grund für diese Entwicklung ist die geldpolitische Kehrtwende der US-Notenbank.Das zu Ende gehende Jahr startete unter ungünstigen Vorzeichen. Der lange Aufschwung an den Aktienmärkten erfuhr Ende 2018 einen erheblichen Dämpfer, schreibt Marc Brütsch, Chefökonom der Swiss Life in seinem Jahresrückblick. Medien und Investoren fürchteten sich zunehmend vor einer Rezession. Für Verunsicherung sorgten drei grosse politische Krisenherde, nämlich
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Trotz Rezessionsängsten, Handelsstreit und Brexit stiegen die wichtigsten Aktienindizes rund um den Globus seit Jahresbeginn um 10% oder mehr, wie Marc Brütsch von Swiss Life schreibt. Der Grund für diese Entwicklung ist die geldpolitische Kehrtwende der US-Notenbank.
Das zu Ende gehende Jahr startete unter ungünstigen Vorzeichen. Der lange Aufschwung an den Aktienmärkten erfuhr Ende 2018 einen erheblichen Dämpfer, schreibt Marc Brütsch, Chefökonom der Swiss Life in seinem Jahresrückblick. Medien und Investoren fürchteten sich zunehmend vor einer Rezession. Für Verunsicherung sorgten drei grosse politische Krisenherde, nämlich der sino-amerikanische Handelsstreit, der Brexit und Italiens Finanzhaushalt. Zusätzlich belastete die Börse zu diesem Zeitpunkt auch die Geldpolitik in den USA. So ging man im Januar 2019 noch von zwei bis drei weiteren Leitzinserhöhungen durch die US-Notenbank aus.
Brütsch meint zur Entwicklung in den USA: "War es sein Bauchgefühl, oder war Donald Trump einfach gut beraten, als er im Schlussquartal 2018 damit anfing, der US-Notenbank vorsorglich die Schuld für eine allfällige Rezession in die Schuhe zu schieben? Die Geschichte der Wahlkämpfe in den USA zeigt, dass eine deutliche Verlangsamung der Konjunktur die Wiederwahl des Präsidenten gefährdet. Und ebenfalls aus der Geschichte weiss man, dass drei der letzten vier Zinserhöhungszyklen der US-Notenbank eine Rezession nach sich zogen."
Doch es kam anders: Das Fed erhöhte den Leitzins 2019 nicht weiter, sondern senkte ihn in drei Schritten um insgesamt 75 Basispunkte. Als Folge davon ist ein vielbeachtetes Signal für eine kommende Rezession, nämlich eine inverse Zinskurve, in den USA wieder verschwunden. Die US-Notenbank hat also Gegensteuer gegeben und damit laut Brütsch die Befürchtung, dass eine zu restriktive Geldpolitik das Tempo der US-Wirtschaft zu stark drosseln würde, gleich vom Tisch genommen.
Keine Zinserhöhung in Europa
Während der Zinserhöhungszyklus in den USA bereits wieder zu Ende ist, hat er in Europa gar nie begonnen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik mittlerweile wieder gelockert. "Die Neuauflage des EZB-Kaufprogramms war das Abschiedsgeschenk von Mario Draghi an Christine Lagarde, seine Nachfolgerin an der Spitze der EZB. Als die entsprechenden Pläne der EZB im Sommer Konturen annahmen, wurde darüber spekuliert, dass auch die Schweizerische Nationalbank ihren Leitzins noch tiefer in den negativen Bereich fallen lassen müsste", sagt der Chefökonom. In der Folge fiel die Rendite auf eine Obligation der Eidgenossenschaft am 15. August 2019 auf einen historischen Tiefstwert von -1,12%. Weil die SNB sich aber auf Devisenmarktinterventionen beschränkte, stiegen die Renditen bei den Langfristzinsen hierzulande bis zum Jahresende stärker als in den benachbarten Ländern der Eurozone.
Anders als in den USA drehten sich in Europa die Diskussionen um eine drohende Rezession allerdings nicht nur um die Geldpolitik, sagt Brütsch rückblickend: "Das Vertrauen der europäischen Unternehmer litt unter der dreifachen politischen Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Handelsstreit, dem Brexit und dem Konflikt zwischen Italiens Koalitionsregierung und ihren Partnern in der übrigen Eurozone. Italiens Neuwahlen haben die Gefahr einer erneuten Schuldenkrise in der Eurozone zumindest vorerst gebannt. Auch ein vertragsloser Brexit galt zuletzt wieder als ein sehr unwahrscheinliches Szenario."
Handelsstreit belastet europäische Konjunktur
Am stärksten belastet aber der Handelsstreit zwischen den USA und China die Konjunktur in Europa. Besonders die exportstarken Länder wie Deutschland, die Schweiz und Österreich, aber auch Schweden und die Tschechische Republik leiden unter der Gefahr des Protektionismus. In der Schweiz berichtete laut Brütsch der Branchenverband der MEM-Industrien Swissmem für das zweite Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal von einem Rückgang der eingegangenen Bestellungen um rund 20%. Deutschlands Automobilindustrie und ihre Zulieferer sind vom Rückgang der Nachfrage besonders betroffen. Brütsch erklärt: "Im letzten Jahrzehnt wurden in diesem Sektor zu viele Investitionen getätigt und zu viele Arbeitsplätze geschaffen. 2019 mussten Überkapazitäten abgebaut werden. Es ist nicht übertrieben, davon zu sprechen, dass gewisse Branchen in Europa 2019 in einer Rezession steckten."
Da könnte es laut dem Experten auf den ersten Blick überraschen, dass die Hauptindizes der wichtigsten Aktienmärkte auf dem europäischen Festland genau so wie in Japan und den USA im gesamten Jahresverlauf im zweistelligen Prozentbereich stiegen. Einen Teil der Erklärung für diese erstaunliche Performance liefern die Unternehmen selbst, sagt Brütsch: "Nach wie vor gelingt es der Mehrzahl der börsenkotierten Firmen, die Analystenerwartungen zu ihrem Abschluss Quartal für Quartal zu übertreffen. Viel wichtiger aber ist der anhaltende Einfluss der Geldpolitik. Die Kehrtwende der US-Notenbank hat es im Jahr 2019 gezeigt: Den Investoren fehlen in Zeiten der Finanzrepression Alternativen zu Sachwerten wie Aktien oder Immobilien."