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Lotto spielen ist dumm

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Mit einem Lottoschein den Jackpot zu knacken ist 8‘000 Mal unwahrscheinlicher als innerhalb eines Jahres bei einem Verkehrsunfall zu sterben. Warum spielen die Leute trotzdem? Ziehung der Lottozahlen: Die Chancen sind nur theoretisch. Bild: wikimedia.orghttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ziehung_der_Lottozahlen,_Ziehungsger%C3%A4te_Spiel_77_und_Zusatzzahl_im_Main_Tower.jpg – Emkaer Woche für Woche sitzen Tausende erwartungsfroh vor dem Fernseher und vergleichen ihre Tipps mit den gezogenen Lottozahlen von Swisslos. Um den mehrere Millionen schweren Jackpot zu knacken, muss man 6 von 42 Zahlen richtig ankreuzen und dazu noch die Richtige von sechs Glückzahlen. Sehr wahrscheinlich ist jedoch bereits nach der ersten Kugel klar, dass es auch dieses Mal nichts wird mit dem Traumhaus auf den Malediven. Statistisch stehen die Chancen auf den Jackpot in der Tat schlecht. Die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser mit Glückszahl ist eins zu 31,5 Millionen oder 0.0000032%. Ein begeisterter Lottospieler, der 60 Jahre lang jede Woche 5 Tipps abgibt, wartet mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.95% ein Leben lang vergeblich auf den Vollerfolg. Um mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% den Jackpot zu knacken, müsste er rund 87‘000 Jahre lang so weiterspielen. Auch ein Sechser ohne Glückszahl, der immer noch eine Million Franken verspricht, ist höchst unwahrscheinlich.

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Mit einem Lottoschein den Jackpot zu knacken ist 8‘000 Mal unwahrscheinlicher als innerhalb eines Jahres bei einem Verkehrsunfall zu sterben. Warum spielen die Leute trotzdem?

Lotto spielen ist dumm

Ziehung der Lottozahlen: Die Chancen sind nur theoretisch. Bild: wikimedia.orgLotto spielen ist dummhttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ziehung_der_Lottozahlen,_Ziehungsger%C3%A4te_Spiel_77_und_Zusatzzahl_im_Main_Tower.jpg – Emkaer

Woche für Woche sitzen Tausende erwartungsfroh vor dem Fernseher und vergleichen ihre Tipps mit den gezogenen Lottozahlen von Swisslos. Um den mehrere Millionen schweren Jackpot zu knacken, muss man 6 von 42 Zahlen richtig ankreuzen und dazu noch die Richtige von sechs Glückzahlen. Sehr wahrscheinlich ist jedoch bereits nach der ersten Kugel klar, dass es auch dieses Mal nichts wird mit dem Traumhaus auf den Malediven.

Statistisch stehen die Chancen auf den Jackpot in der Tat schlecht. Die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser mit Glückszahl ist eins zu 31,5 Millionen oder 0.0000032%. Ein begeisterter Lottospieler, der 60 Jahre lang jede Woche 5 Tipps abgibt, wartet mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.95% ein Leben lang vergeblich auf den Vollerfolg. Um mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% den Jackpot zu knacken, müsste er rund 87‘000 Jahre lang so weiterspielen.

Auch ein Sechser ohne Glückszahl, der immer noch eine Million Franken verspricht, ist höchst unwahrscheinlich. Die Chancen auf mindestens einmal 5 Richtige (1‘000 Franken Gewinnhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/gewinn/) stehen nach 60 Jahren immerhin bei rund 46%. Der treue Lottospieler wird im Verlauf der Jahre fast mit Sicherheit einige Dreier erzielen, doch der Gewinnhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/gewinn/ von rund 10 Franken – oder mit Glückszahl um die 30 Franken – erlaubt keine grossen Sprünge. Und die ganze Spielerei hat ihren Preis: Durch die Spieleinsätze wird er im Verlauf der Jahre um 37‘500 Franken erleichtert (CHF 2.50 pro Tipp).

Im Durchschnitt ein schlechtes Geschäft

Lotto ist ein Risikospiel par excellence: Man zahlt einen Einsatz ohne zu wissen, wieviel man zurückbekommt. Das ist genau die Definition von Risiko. Risiken einzugehen ist jedoch nicht per se falsch oder irrational. Im Gegenteil, es wäre eigenartig, jeglichen Risiken aus dem Weg zu gehen. Jeder, der schon mal in ein Auto gestiegen ist oder eine Strasse überquert hat, wird mit mir in diesem Punkt einverstanden sein.

Doch der springende Punkt ist der: Wer sein Geld in Aktienhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/aktie/ anlegt, statt es auf ein sicheres Bankkonto zu bringen, der wird im Durchschnitt für das eingegangene Risiko belohnt. Aktienhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/aktie/ werfen weltweit über die lange Frist eine reale Renditehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/rendite/ von rund 5% ab. Dies ist deutlich mehr als das risikolose Sparbüchlein zu bieten hat. Anders sieht es beim Lotto aus. Da tragen Sie Risiko und darüber hinaus machen Sie im Erwartungswert Verluste. Mit anderen Worten: Lottospieler verlieren im Durchschnitt über die Jahre hinweg beim Lottospielen Geld. Es ist in der Tat ein schlechtes Geschäft.

Die Macht der kleinen Wahrscheinlichkeit

Untersuchungen zeigen, dass Menschen kleine Gewinnwahrscheinlichkeiten überbewerten. Der französische Ökonom und spätere Nobelpreisträger Maurice Allais hat dies schon 1953 an einem Beispiel illustriert. Stellen Sie sich vor, Sie hätten zwei Lotterien zur Auswahl (die Zahlen verstehen sich jeweils in Franken):

  • Lotterie 1A: 1 Million mit Sicherheit
  • Lotterie 1B: 1 Million mit 89%, 5 Millionen mit 10% oder null mit 1% Wahrscheinlichkeit

Wenn Ihnen Lotterie 1A attraktiver erscheint, dann sind Sie in guter Gesellschaft. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, es gibt kein Richtig und Falsch. Doch wie sieht es mit den folgenden zwei Lotterien aus?

  • Lotterie 2A: 1 Million mit 11% oder null mit 89% Wahrscheinlichkeit
  • Lotterie 2B: 5 Millionen mit 10% oder null mit 90% Wahrscheinlichkeit

Hier ziehen die meisten Befragten Lotterie 2B vor. Dies ist ein Widerspruch, sofern man 1A gegenüber 1B bevorzugt. In beiden Entscheidungssituationen bietet die Option B gegenüber Option A eine 10%ige Wahrscheinlichkeit, 5 Millionen statt 1 Million zu gewinnen. Der Preis dafür ist in beiden Fällen, dass die Wahrscheinlichkeit in Option B um 1%-Punkt höher ist, dass man leer ausgeht. In der zweiten Entscheidungssituation ist die Wahrscheinlichkeit 90% statt 89%. Das spielt für die meisten Menschen kaum eine Rolle. Wenn sie jedoch in der ersten Entscheidungssituation 1% beträgt statt null, dann gehen die meisten lieber auf Nummer sicher. Dieses eine Prozent in Lotterie 1B scheint eine unglaubliche Macht zu haben.

Das systematische Überschätzen von kleinen Wahrscheinlichkeiten hat zur Entwicklung der sogenannten «Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion» geführt. Die Funktion kann geschätzt werden und sieht bei den meisten Menschen etwa so aus:

Lotto spielen ist dummLotto spielen ist dumm

Wahrscheinlichkeitsfunktion, eigene Darstellung

Die blaue Kurve zeigt, wie die Gewinnwahrscheinlichkeiten wahrgenommen werden. Kleine tatsächliche Wahrscheinlichkeiten von einigen wenigen Prozenten werden deutlich überbewertet. Grosse Wahrscheinlichkeiten nahe bei 100% werden unterbewertet. In der Grafik rot eingezeichnet ist das Beispiel einer tatsächlichen Wahrscheinlichkeit von 5%, die wie 15% wahrgenommen wird. Eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit von 1% ist in der Wahrnehmung der Leute fünf Mal grösser.

Vor dem Hintergrund dieser verzerrten Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten wirkt die Anziehungskraft des Schweizer Lottos weniger rätselhaft. Swisslos lockt mit Gewinnen, die finanzielle Sorgen zum Verschwinden bringen wie Geister aus der Flasche. Die vernachlässigbar kleine Chance darauf wird von den Lottospielern überbewertet. So gesehen betreibt Swisslos ein Geschäft mit der verzerrten Wahrscheinlichkeitswahrnehmung.

Und sie sind nicht die Einzigen. Das Versicherungsgeschäft profitiert ebenfalls von der Furcht vor seltenen Ereignissen. Die Leute sind bereit, jeden Monat Versicherungsprämien zu bezahlen, um in höchstunwahrscheinlichen Unwetter-, Unfall- oder Krankheitsereignissen finanziell abgesichert zu sein. Da ein Teil der Prämien für die Finanzierung von Löhnen und Gewinnen der Versicherungsgesellschaft verwendet wird, ist eine Versicherung für den Kunden im Durchschnitt ein Verlustgeschäft. Für das Geld, das man im Durchschnitt drauf legt, bekommt man allerdings als Gegenleistung eine Absicherung gegen Schadenereignisse. Warum sich die Leute gegen Risiken absichern und gleichzeitig bei Swisslos Risiko «einkaufen», lässt sich wohl nur mit dem Reiz von kleinen Wahrscheinlichkeiten erklären.


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David Staubli, Ökonom, MSc der Universität Basel, Doktorand und Lehrassistent an der Universität Lausanne.

Dies ist ein Gastbeitrag. Inhaltlich verantwortlich ist der jeweilige Autor, die jeweilige Autorin.

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