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Kurz vor Weihnachten hatte der Deutsche Ethikrat seine Empfehlung für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Nun rudert die Ratsvorsitzende, Alena Buyx, zurück und empfiehlt der Politik "Revisionsoffenheit".
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, sieht die von dem Gremium gestellten Bedingungen für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht bisher nicht gegeben.
Der Ethikrat hatte kurz vor Weihnachten eine Stellungnahme veröffentlicht, in der eine Ausweitung der Corona-Impfpflicht auf große Teile der Bevölkerung empfahl. Ein solcher Schritt müsse aber flankiert werden „von einer Reihe von Maßnahmen, etwa einer flächendeckenden Infrastruktur mit sehr vielen niedrigschwelligen Impfangeboten und ausreichend Impfstoff“, hieß es damals.
Die neue Omikron-Variante habe jedoch bei der Stellungnahme noch nicht richtig mit einbezogen werden können, sagte Buyx nun dem „Spiegel“. „Wir haben im Kern unter den Bedingungen der Delta-Variante geschrieben.“ Die normativen Argumente an sich blieben aber gleich.
Wenn sich Faktenlage und Situation allerdings deutlich änderten, müsse man sich „normative Einschätzungen, wie man sie getroffen hat, noch einmal neu anschauen“, sagte Buyx weiter. „Alles andere wäre unverantwortlich.“
Buyx mahnte zur Vorsicht bei der Impfpflicht-Debatte
Die Ratsmitglieder stünden für „Revisionsoffenheit“, sagte die Medizinethikerin. Dies sei auch der Politik zu empfehlen. „Es kann ja sein, dass sich erneut wichtige Dinge verändern, zum Beispiel, dass unsere bisherige Impfquote bei zukünftigen, harmloseren Mutationen doch ausreicht, um in eine kontrollierte endemische Lage zu gelangen.“ Selbstverständlich könne auch das Gegenteil passieren.
Grundsätzlich mahnte Buyx zur Vorsicht bei der Debatte über eine mögliche allgemeine Impfpflicht. „Es wäre falsch, die Entscheidung übers Knie zu brechen“, sagte sie. „Eine Impfpflicht bräuchte ohnehin vier Monate Minimum, bis sie wirkt. Es geht nicht um morgen, sondern um übermorgen. Und deshalb halte ich es für angemessen, sorgfältig zu diskutieren, auch wenn es Zeit kostet.“
„Wir haben der Politik ins Aufgabenheft geschrieben, was alles gemacht werden müsste, bevor eine Impfpflicht kommen könnte: Man müsste zum Beispiel noch viel mehr niedrigschwellige, flächendeckende Impfangebote haben“, sagte sie dem „Spiegel“. „Eine echte zielgruppenspezifische Strategie aber wurde bislang versäumt.“
Nötig seien auch eine dauerhafte Impf-Infrastruktur, sehr viel gute Beratung und noch einiges mehr. „Es gibt also eine ganze Reihe von Bedingungen oder flankierenden Maßnahmen, die zwingend sind, bevor es aus unserer Sicht zu einer Impfpflicht kommen könnte“, sagte Buyx.
Auch müsse eine erweiterte Impfpflicht mit „zielgruppenspezifischer, kultursensibler, mehrsprachiger und leicht verständlicher Information“ verbunden sein.
Stiko-Chef Mertens lehnt allgemeine Corona-Impfpflicht ab
Auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sieht eine allgemeine Corona-Impfpflicht mit Skepsis. „Das spaltet die Gesellschaft, da wird zu viel Druck aufgebaut“, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Freitagsausgaben). Er setze auf weitere Überzeugungsarbeit und Aufklärung zur Impfung.
Es sei im Falle einer Impfpflicht nicht unbedingt zu erwarten, dass das „anvisierte Ziel auch wirklich erreicht werden kann“, fügte Mertens hinzu. Eine gesetzliche Impfpflicht sei nur so viel wert, wie sie effektiv umgesetzt werden könne.
„Was machen Sie mit jenen, die sich weigern?“, fragte der Virologe. Diese Menschen würden sich womöglich auch von einem Bußgeld nicht umstimmen lassen. Außerdem könne selbst eine schnelle Impfpflicht die aktuelle Corona-Welle nicht brechen. (afp/dl)
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