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37 Jahre hat Bernd Hanemann in Hongkong gelebt, den Übergang von der britischen Kolonie zur chinesischen Sonderverwaltungszone inklusive diverser Protestwellen miterlebt – doch der Umgang mit der derzeit wütenden Corona-Welle hat ihn zur Flucht getrieben. „Der letzte Tropfen war Penny’s Bay“, erzählt der frühere Einkaufsleiter des Metro-Handelskonzerns, während Umzugshelfer Kühlschrank und Waschmaschine aus seiner Wohnung holen. Penny’s Bay ist das berüchtigte staatliche Quarantänelager.
Ende vergangenen Jahres sei er mit einem befreundeten Piloten wandern gegangen, erzählt Hanemann. Als dieser danach von einer Dienstreise wieder kam, sei er positiv getestet worden und habe Hanemann als Kontaktperson angegeben. „Er hat sich Covid hundertprozentig geholt, nachdem wir uns gesehen haben“, sagt Hanemann. Doch den Behörden war das egal. „Wir können mit dir machen, was auch immer wir wollen“, habe ihm ein Polizist gesagt.
Deutsche flüchten aus Hongkong
Gegen seinen Willen wurde er in das Lager neben Disneyland befördert. Doch anders als im benachbarten Freizeitpark seien die Bedingungen dort „menschenunwürdig“, erzählt Hanemann, der eigentlich in Hongkong seinen Ruhestand genießen wollte. Wegen des ständig brennenden Flutlichts habe er nachts nicht schlafen können, das Wasser sei zwei Tage lang ausgefallen, die Hotline kaum erreichbar gewesen.
14 Tage musste er dort bleiben. Die Situation habe ihn „extrem belastet“, sagt Hanemann. Das deutsche Generalkonsulat habe sich „außer Stande gesehen“, ihm zu helfen.
Hanemann will zurück nach Deutschland – und ist mit dieser Entscheidung in guter Gesellschaft, wie der Direktor der deutschen Außenhandelskammer (AHK) in Hongkong, Wolfgang Ehmann, sagt. Eine „von vielen als mangelhaft empfundenen Kommunikationsstrategie“ der Regierung, „teils leere Supermarktregale“ und der „bevorstehende Lockdown“ mit „Massentests“ treibe „viele in die Flucht“.
Das Auswärtige Amt warnt seit neuestem davor, dass positiv getestete Kinder von ihren Eltern getrennt werden können. Für Barbara, die aus Angst vor den Behörden ihren echten Namen nicht in der Presse lesen möchte, war das der Moment, in dem sie sich gedacht habe: „Ich muss mein Kind in Sicherheit bringen“. Dabei haben ihr 15 Monate alter Sohn, ihr Partner und sie selbst gerade erst eine Corona-Infektion „heimlich auskuriert“ – in ihrer Wohnung, trotz Fiebers, ohne den Behörden Bescheid zu sagen oder ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Barbara fällt die Entscheidung nicht leicht. Sieben Jahre war Hongkong ihre Heimat. Doch schon mit den gewaltsamen Demokratie-Protesten von 2019 waren das „Business und die Lebensqualität“ der Frisörin stark beeinträchtigt, durch die Corona-Maßnahmen wurde es noch schlimmer. „Keiner“ aus ihrer Familie habe ihren Sohn bislang „kennenlernen“ können, die Spielplätze seien zu, wegen der Kontaktbeschränkungen habe er keine gleichaltrigen Spielkameraden. Als Frisörin kann sie nur noch Hausbesuche machen.
Barbara hat bereits die Auszahlung ihrer privaten Altersvorsorge angefordert. Wegen des Kriegs in der Ukraine ist sie allerdings nicht sicher, ob sie nach Europa zurück möchte, oder anderswo hinzieht.
Keine „mittelfristige Perspektive für ein Ende der Isolation“
Der Direktor der Deutschen Schule (GSIS) in Hongkong, Dirk Bennhardt, berichtet, dass sich binnen eines Monats 15 bis 20 Prozent der Schüler im deutschen Zweig abgemeldet hätten. AHK-Direktor Ehmann berichtet ebenfalls von einem Exodus in dieser Größenordnung – zusätzlich zu den Abwanderungen wegen der politischen Lage seit 2020. Damals waren noch schätzungsweise zwei- bis dreitausend Deutsche in Hongkong. Wegen der schwierigen Lage hat die AHK ihren Mitgliedern Kontingente in einem von der Schweiz organisierten Heimflug gesichert.
Immerhin haben die internationalen Schulen Bennhardt zufolge eine Ausnahmegenehmigung erstritten, um den Unterricht online weiterführen zu können. „Sonst hätten wir dieses Jahr keine Abschlüsse erteilen können“, sagt er. Reguläre Schulen wurden indessen in vorgezogene Sommerferien geschickt. Bennhardt hat der Regierung die nicht mehr benötigten Schulräume für die Impfkampagne angeboten. Der Schulleiter sagt, die Situation in Hongkong erinnere ihn „an Deutschland vor anderthalb bis zwei Jahren“.
Während sich Deutschland-AHK-Direktor Ehmann zufolge jedoch langfristig auf ein „Leben mit dem Virus“ einstellt, halte Hongkong an „Zero Covid“ nach chinesischem Vorbild fest, „ohne mittelfristige Perspektive für ein Ende der Isolation“. (afp/red)