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In seinem zweiten Brief an die WHO warnt der belgische Virologe Geert Vanden Bossche davor, gegen Omikron zu impfen. Stattdessen sieht der Wissenschaftler Omikron als Chance zur Herdenimmunität. Sogar für die bisher Geimpften soll Omikron eine Chance sein, ihre „angeborenen Immunantikörper“ zurückzuerlangen. Bei einer Impfkampagne gegen die Variante befürchtet Vanden Bossche jedoch eine katastrophale Entwicklung.
Geert Vanden Bossche, ein ehemals für die Gates-Stiftung tätiger belgischer Virenexperte, der auch für große Pharmaunternehmen im Bereich der Impfstoffentwicklung und Infektionsforschung sowie im Ebola-Programm der Global Alliance for Vaccines and Immunization (GAVI) tätig war, schrieb im März 2021 einen warnenden Brief an die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Er warnte vor einer globalen Katastrophe „epischen Ausmaßes“, ausgelöst durch die Massenimpfungen gegen das Corona-Virus. „Wir werden einen enormen Preis für die Corona-Massenimpfkampagne zahlen“, schrieb Vanden Bossche und fordert die WHO auf, die Impfkampagnen weltweit „sofort“ zu stoppen.
Der Forscher befürchtete, dass sich durch die Impfungen in der Pandemie „viel infektiösere“ Virusvarianten entwickeln, die schließlich ein Massensterben der Menschen verursachen. Stattdessen empfahl er den Einsatz sogenannter natürlicher Killerzellen (NK), an denen er selbst forscht. Man nahm ihn nicht ernst. Nun schreibt Vanden Bossche erneut einen Brief an die WHO, in dem er vor der Bekämpfung der Omikron-Variante durch Impfstoffe abrät.
Omikron – das infektiöseste Virus
Der Brief des Wissenschaftlers beginnt damit, dass er der WHO empfiehlt, zuzugeben, dass das Massenimpfprogramm gegen die Pandemie „ein völliger Fehlschlag“ gewesen sei. Auch auf seine Bitte um eine wissenschaftliche Debatte über die möglichen Risiken der Impfstoffe sei nicht reagiert worden.
Vanden Bossche erklärte, dass ihm kürzlich „einer der renommiertesten Impfstoffexperten der Welt“ in einer E-Mail erklärt habe, dass eine Impfung mit diesen Impfstoffen nur neue Varianten hervorbringen werde. Er riet Vanden Bossche aber davon ab, sich gegen den Mainstream zu stellen, weil ohnehin niemand auf ihn hören werde. Der Experte hoffte auf Impfstoffe der zweiten Generation zur Lösung dieses Problems.
Die WHO-Wissenschaftler hätten gegenüber den Warnungen von Forschern vor der Ausbreitung weiterer infektiöser Varianten nur „das vereinfachende Mantra gepredigt, dass sich das Virus umso weniger vermehren wird, je mehr wir impfen, und dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Varianten umso geringer ist“, so der belgische Forscher. Die Folgen dieser falschen Sichtweise hätten zur heutigen dominanten Zirkulation von Omikron geführt, der „infektiösesten SARS-CoV-2-Variante und wahrscheinlich dem infektiösesten Virus, das wir bisher gesehen haben“.
Eine einzigartige Gelegenheit
Bossche sieht in Omikron aufgrund seiner Resistenz gegen die Impfantikörper „eine sehr gute Gelegenheit“. Das bedeute, dass „die Impfantikörper die angeborenen Antikörper weniger wahrscheinlich verdrängen werden“. Infolge könnten die angeborenen Antikörper freigesetzt werden und die Geimpften in die Lage versetzen, „das Virus zu eliminieren, die Virusübertragung zu kontrollieren und zu einem drastischen Rückgang der Virusinfektionsrate zu führen“. So wie es bei gesunden ungeimpften Menschen der Fall sei.
Dadurch könnten dem Forscher nach auch die Geimpften ihre angeborenen Immunantikörper wiedererlangen. Die erstrebte Herdenimmunität wäre die Folge. Man werde nach einem bedeutenden Anstieg der Infektionsfälle einen raschen Rückgang der Welle und der Krankheitsfälle haben.
Man wisse, so Bossche, dass die angeborenen Antikörper vor SARS-CoV-2 schützen könnten. Sie könnten auch trainiert werden, um ihren Schutz zu verbessern. Vanden Bossche verweist auf Daten der britischen Gesundheitsbehörde, die zeigten, dass mit zunehmendem Alter und mit zunehmender Exposition gegenüber dem Erreger die Zahl der Fälle bei ungeimpften Personen drastisch zurückgegangen sei.
„Es ist wichtig zu erkennen, dass Omikron in der Tat mehr oder weniger als abgeschwächter Lebendimpfstoff dient und dass dies eine einzigartige Gelegenheit ist“, schreibt Vanden Bossche weiter an die WHO.
Ausbreiten lassen, nicht impfen
Es sei sehr, sehr wichtig, so der Forscher, dass man die Menschen in Ruhe lasse, die Kinder in Ruhe lasse, das Virus sich ausbreiten lasse. „Wir sollten uns also nicht gegen diese Omikron-Variante impfen lassen, und wir sollten auch keine Sperren verhängen.“ Wenn man jetzt gegen Omikron impfe, nehme man der Bevölkerung die Möglichkeit, durch die Freisetzung der angeborenen Antikörper eine Herdenimmunität aufzubauen, d.h. Antikörper gegen das Spike-Protein von Omikron zu bilden.
Doch was würde passieren, wenn man dennoch in großem Umfang gegen Omikron impft? Nach Ansicht von Geert Vanden Bossche sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass man Varianten fördere, die einen anderen Zugang zur Zelle hätten als den bisherigen ACE-2-Rezeptor, der derzeit von der rezeptorbindenden Domäne des Virus bevorzugt genutzt werde.
Das Virus könne das und habe es alternativ auch schon getan. „Es würde aber wahrscheinlich nur eine oder zwei Mutationen benötigen, damit das Virus diese alternativen Rezeptoren zu den bevorzugten Rezeptoren für den viralen Eintritt macht.“ Dies würde geschehen, wenn man den Immundruck auf das Virus durch Impfungen entsprechend erhöht.
Die katastrophale Folge wären Antikörper, die zwar immer noch stark an das Virus anbinden, es aber „nicht mehr neutralisieren“ könnten. Dies sei dann ein „Lehrbuchbeispiel dafür, wie man eine antikörperabhängige Verstärkung der Krankheit provoziert“. Das stark mit bindenden, aber nicht mehr neutralisierenden Antikörpern bedeckte Virus erlange „ein höheres Maß an Virulenz“.
Warnung vor katastrophalen Folgen
Vanden Bossches Fazit: „Diese Situation würde wirklich, wirklich, wirklich die Gefahr bergen, die Art von katastrophalen Folgen zu provozieren, vor denen ich zu Beginn dieses Jahres gewarnt habe.“ Die Industrie bereitet sich bereits auf eine Massenimpfung gegen Omikron vor.
Seiner Meinung nach wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine echte Katastrophe. Das müsse verhindert werden. Die Entscheidungsträger der WHO wären für die „dramatischen Folgen, die dieses biologische Experiment am Menschen möglicherweise nach sich ziehen könnte, verantwortlich, rechenschaftspflichtig und haftbar“. Er hoffe, dass man seine Warnung diesmal ernst nehme.
Omikron: 30 Veränderungen am Spike-Protein
Die Omikron-Variante, die infektiöseste aller bisherigen Varianten, tritt derzeit als dominante Variante in Deutschland auf. Aktuell liegt die Impfquote in Deutschland bei 71,7 Prozent. Viele Millionen Menschen sind bereits geboostert.
Erstmals registriert wurde sie laut dem European Centre for Disease Prevention and Control der Europäischen Union am 11. November in Botswana und am 14. November in Südafrika, als Variante der südafrikanischen Beta-Variante. Botswana hat aktuell eine Impfquote von 43,9 Prozent und Südafrika von 26,8 Prozent.
Die Variante zeigt der Meldung vom 26. November nach 30 Veränderungen im Spike-Protein, wovon sich 15 in der Rezeptorbindungsdomäne befinden, die laut Vanden Bossche schon mehrere wichtige Mutationen erfahren habe. Am 7. Dezember berichtete die „Pharmazeutische Zeitung“ bereits von 37 Mutationen am Spike-Protein von Omikron.
Das „Ärzteblatt“ berichtete am 23. Dezember anhand von britischen Daten, dass bei Delta die meisten Infektionen bei ungeimpften Personen aufgetreten seien, vor allem bei Kindern. Omikron würde hingegen eher geimpfte Personen infizieren. 48,9 Prozent der Omikron-Infektionen seien demnach auf die Altersgruppe 20 bis 39 Jahre entfallen. Die Reinfektionsrate liege bei Omikron mit 7,6 Prozent deutlich höher als die 0,7 Prozent von Delta.
Ein Rückblick
Der Faktenchecker „Correctiv“ bezeichnete Vanden Bossches Warnungen aus dem ersten Brief, dass die aktuellen Corona-Impfstoffe eine „Immunflucht“ und gefährlichere Mutationen begünstigten und daher unwirksam bei der Pandemiebekämpfung seien, als unbelegte These. „Correctiv“ sprach mit Experten über Vanden Bossches These. Das war im April 2021.
Ralf Bartenschlager, Leiter der Abteilung für Molekulare Virologie an der Uniklinik Heidelberg und Präsident der Gesellschaft für Virologie, meinte, dass es ein ganz grundsätzliches Problem bei den Thesen von Geert Vanden Bossche zu bedenken gebe: „Es wird immer wieder der Eindruck erweckt, das Virus könne denken“, was eine irreführende Sicht sei.
Bei Mutationen handele es sich um Fehler bei der Vermehrung des Virus, also um „rein zufällige Ereignisse“ als Ergebnis zufälliger Mutation und entsprechender Selektion. Bartenschlager verwies damals darauf, dass eine Variante mit Immun-Escape (Immunflucht) in Deutschland zu diesem Zeitpunkt keinen Reproduktionsvorteil hätte, weil bisher nur ein Teil der Menschen geimpft oder genesen sei. Die meisten Menschen in Deutschland hätten also keine Immunität, weshalb sich Varianten, die keine Immunflucht erzeugten, genauso gut ausbreiten würden wie Varianten, die der Immunantwort entkämen.
Carsten Watzl, Leiter des Fachbereichs Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Universität Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, sagte, dass Mutationen immer dann zu erwarten seien, wenn sich ein Virus ungehindert verbreiten könne, es eine geringe gesellschaftliche Immunität gebe, die durch Impfungen aber zu erreichen sei. Die Impfungen verhinderten Watzl nach daher die Entstehung von neuen Mutationen. Somit sei Vanden Bossches These falsch, meint Watzl.
=> Geert Vanden Bossche, Brief an die WHO, Original, englisch
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