Summary:
Die Geldpolitik sollte so funktionieren: Die Notenbank senkt die Zinssätze. Und Unternehmen und private Haushalte fühlen sich ermutigt, Kredit aufzunehmen und zu investieren: sie geben Geld aus.So läuft es aber nicht.In der Billig-Geld-Ära, die sich in den meisten Industrieländern im zweiten und in Japan im dritten Jahrzehnt befindet, gab es zwar Kreditaufnahme, aber es waren ...
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Die Geldpolitik sollte so funktionieren: Die Notenbank senkt die Zinssätze. Und Unternehmen und private Haushalte fühlen sich ermutigt, Kredit aufzunehmen und zu investieren: sie geben Geld aus.So läuft es aber nicht.In der Billig-Geld-Ära, die sich in den meisten Industrieländern im zweiten und in Japan im dritten Jahrzehnt befindet, gab es zwar Kreditaufnahme, aber es waren ...
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Die Geldpolitik sollte so funktionieren: Die Notenbank senkt die Zinssätze. Und Unternehmen und private Haushalte fühlen sich ermutigt, Kredit aufzunehmen und zu investieren: sie geben Geld aus.
So läuft es aber nicht.
In der Billig-Geld-Ära, die sich in den meisten Industrieländern im zweiten und in Japan im dritten Jahrzehnt befindet, gab es zwar Kreditaufnahme, aber es waren in erster Linie die Staaten, die es taten, nicht der private Sektor, wie Bloomberg in einem lesenswerten Bericht anhand von ein paar eindrucksvollen Abbildungen schildert.
Unternehmen sind sogar inzwischen zum Netto-Sparer geworden. Trotz der sinkenden Steuerlast, sinkender Zinsausgaben und sinkender Lohnquote investieren sie nicht.
Die effektiven Steuersätze sind niedrig. Die Körperschaftssteuer wurde fast überall gesenkt. Und die Unternehmen nutzen die Steuerschlupflöcher weiter, ohne mit der Wimper zu zucken.
Die Gewinne steigen. Aber sie werden zum grossen Teil im Unternehmen behalten, da das Kapitaleinkommen viel stärker konzentriert ist als das Arbeitseinkommen, wie in einem IMF Working Paper (Nov 2018) von Mai Chi Dao und Chiara Maggi (“The rise in corporate saving and cash holding in advanced economies”) betont wird.
In der Ära des billigen Geldes gab es reichlich Kreditaufnahme. Doch es war in erster Linie der öffentliche Sektor. Unternehmen haben sich nicht anlocken lassen, Graph: Bloomberg, March 15, 2019
Trotz der zu niedrigen Zinsen und der zu hohen Gewinne halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück.
Die Nachfrage der privaten Haushalte fällt. Und der Staat verschuldet sich stärker, um die Nachfragelücke zu schliessen.
Wenn aber (dummerweise) auch der öffentliche Sektor die Gürtel enger schnallt, aus welchen Gründen auch immer, während der private Sektor spart, wie im Euroraum, dann stagniert die Wirtschaft weiter und die Zentralbank kann die Zielinflationsrate nicht treffen; sie unterbietet sie.
Anleiheinvestoren verdoppeln die Wetten, dass die Wachstumsschwäche die Konjunktur weiter bremst und damit das Fenster für die geldpolitische „Normalisierung“ sich schliesst; 5y5y forward (real) Zinsen, Euroraum: weisse Kurve, Japan: blaue kurve und USA: rosarote Kurve, Graph: Bloomberg, March 14, 2019
Die niedrigen Zinsen sind heute für Investitionen deshalb nicht mehr fördernd; sie sind sogar ein Anreiz für Zurückhaltung, schreiben Ernest Liu, Atif Mian und Amir Sufi (“Low interest rates, market power and productivity growth”) in einem Working Paper (Jan 2019).
Der Grund ist die steigende Marktkonzentration. Trotz der steigenden Gewinnmargen lässt die Dynamik nach, weil die grössten Unternehmen ihre Marktwerte steigern, und die Verfolger die Hoffnung verlieren, aufzuschliessen.
Die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand zu niedrigen Zinsen hat sich in den USA und Japan als wirksames Mittel erwiesen. Die Eurozone hat darauf verzichtet, Fiskalpolitik einzusetzen, Graph: Bloomberg, March 15, 2019
Sicherlich tragen viele Faktoren zum Problem der Wachstumsschwäche bei hoher Ungleichheit in den meisten Industrieländern bei.
Ein tiefer greifendes und grundlegenderes Problem ist die zunehmende Konzentration der Marktmacht, die es den dominanten Unternehmen erlaubt, ihre Kunden auszunutzen und ihre Mitarbeiter, deren Verhandlungsmacht und rechtliche Absicherung laufend geschwächt werden, auszupressen, schreibt auch Prof. Joe Stiglitz in seiner jüngsten Kolumne („Market concentration is threatening the US economy“) bei Project Syndicate.
Die Führungskräfte der US-Konzerne sorgen dafür, dass die enorme Mehrheit der Ersparnisse aus der Steuersenkung (Donald Trump’s tax cut) in Dividenden und Aktienrückkäufe fliesst. Diese übertrafen 2018 einen Rekordwert von 1,1 Billionen Dollar.
Das Wachstum von Sektoren mit grossen Netzwerkeffekten treibt die Zunahme der Marktmacht voran. Es gelingt einigen Unternehmenslenkern, mit Schaffung von Markteintrittshürden, jeden echten Wettbewerb zu verhindern.
Steigende Ungleichheit bedeutet eine fallende gesamtwirtschaftliche Nachfrage.
Die Herausforderung ist wie immer politischer Art, wie Stiglitz zusammenfasst. Es ist daher Zeit, über eine kooperative Haltung zwischen Fiskal- und Geldpolitik nachzudenken.
Die Eurozone ist darum bemüht, trotz niedriger Zinsen Schulden abzubauen, Graph: Bloomberg, March 15, 2019
Die öffentliche Kreditaufnahme zu niedrigen Zinssätzen hat sich sicherlich als wirksames Mittel erwiesen, um der Great Recession Einhalt zu gebieten. Die USA und Japan haben mehr getan als der Euroraum, wo es keine zentrale Behörde gibt, die in der Lage wäre, die Kreditmärkte zu erschliessen.
Dass die Modern Monetary Theory (MMT) gerade jetzt ins Zentrum der politischen und wirtschaftspolitischen Debatte gerückt ist, ist nicht erstaunlich und vor diesem Hintergrund zu verstehen.