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Schmuggler, Samariter und das Lieferkettengesetz

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Photo: @markheybo from Flickr (CC BY 2.0) Brennende Fabriken, ausbeuterische Kinderarbeit und zerstörte Regenwälder in Entwicklungsländern – die Lieferketten deutscher Unternehmen stehen schon seit langem in der Kritik. Das geplante Lieferkettengesetz der Großen Koalition soll diesen Missständen ein Ende bereiten und Unternehmen zu höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen und härteren Umweltauflagen in Entwicklungs- und Schwellenländern zwingen. Während der Gesetzesvorschlag auf den ersten Blick wie ein Gesetz wirkt, das aus reiner Menschenfreundlichkeit ersonnen wurde, wird man auf den zweiten Blick stutzig: Denn hinter der Initiative Lieferkettengesetz stehen nicht nur die üblichen Samariter mit guten Absichten wie Oxfam und Brot für die Welt, sondern auch knallhart-ökonomische

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Brennende Fabriken, ausbeuterische Kinderarbeit und zerstörte Regenwälder in Entwicklungsländern – die Lieferketten deutscher Unternehmen stehen schon seit langem in der Kritik. Das geplante Lieferkettengesetz der Großen Koalition soll diesen Missständen ein Ende bereiten und Unternehmen zu höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen und härteren Umweltauflagen in Entwicklungs- und Schwellenländern zwingen. Während der Gesetzesvorschlag auf den ersten Blick wie ein Gesetz wirkt, das aus reiner Menschenfreundlichkeit ersonnen wurde, wird man auf den zweiten Blick stutzig: Denn hinter der Initiative Lieferkettengesetz stehen nicht nur die üblichen Samariter mit guten Absichten wie Oxfam und Brot für die Welt, sondern auch knallhart-ökonomische Lobbyinteressen von Konzernen wie Nestle, Tchibo, Primark und KiK.

Schmuggler und Samariter: Seit Jahrzehnten für mehr Regulierung

Solche unheiligen politischen Allianzen aus guten Absichten und Profitinteressen legt der Ökonom Bruce Yandle dar mit seiner Theorie der Schmuggler und Samariter (engl. „Bootleggers and Baptists“): Yandle erklärte Entstehung und Aufrechterhaltung des landesweiten Verbots von Alkohol in den USA der 1920er Jahre durch zwei scheinbar gegensätzliche Kräfte: Auf der einen Seite standen die pietistischen Protestanten. Angetrieben von hehren und moralisierenden Idealen, die gotterwählten USA von der Krankheit des Alkoholkonsums zu heilen, setzten sie sich aus echter Überzeugung für das Alkoholverbot ein. Auf der gleichen Seite, aber mit deutlich pragmatischeren Motiven standen die Alkoholschmuggler. Sie engagierten sich Seite an Seite mit den frommen Frauen für eine harte Politik der Prohibition. Denn sie wussten: Je härter die Politik die Prohibition durchsetzte, desto höher waren die Profite für den Schmuggel von Alkohol in den Bars und Saloons der wilden 20er.

Über die Jahre hinweg wurde Yandles Theorie der Schmuggler und Samariter zur Erklärung einer Vielzahl politischer Koalitionen herangezogen: bei der Energiewende, beim Verbot Grüner Gentechnik und beim Widerstand gegen Freihandelsabkommen. In jedem dieser Beispiele setze sich eine kleine Gruppe aus Samaritern und Schmugglern zu Lasten der vielen im Regulierungsprozess durch. Und das ging in der Regel zu Lasten kleiner und mittelständischer Unternehmen, der Konsumenten und der vielen einfachen Arbeiter in den ärmsten Ländern der Welt – also all jener, die im Lobby-Spiel nicht vertreten sind.

Lieferkettengesetz: (Un)Verständnis für Schmuggler und Samariter

Die Politik der Prohibition und die Politik des geplanten Lieferkettengesetzes sind sich sehr ähnlich: Wohlmeinende Samariter rund um NGOs wie Forum Fairer Handel, die Gesellschaft für bedrohte Völker und WWF verbrüdern sich hier nämlich mit den Konzerninteressen von Bayer, Nestlè, KiK und Co. Dabei sollte man den Konzernen keinen Vorwurf machen, mit Blick auf Profit zu handeln: Erstens können  gerade die drei genannten Konzerne ihr ramponiertes Image durch die Unterstützung des Lieferkettengesetz aufbessern. Denn sie signalisieren: „Wir setzen uns ein, für eine bessere Welt“. Zweitens haben Unternehmen wie KiK nach diversen Skandalen in der Vergangenheit schon hohe Beträge in die Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten gesteckt. Diese hohen Kosten sollen nun auch den Mitbewerbern durch einen gesetzlichen Rahmen aufgezwungen werden. Der dritte und gewichtigste Grund liegt in den hohen Gewinnmargen von Großkonzernen. Investitionen in Arbeits- und Klimaschutz sind natürlich zunächst mit Kosten verbunden. Doch können sie sich dadurch einer Vielzahl von mittelständischen Wettbewerbern entledigen, die nicht die finanziellen Reserven haben, um ihre Lieferketten dem Buchstaben des Gesetzes treu zu verändern, und die somit aus dem Markt verschwinden müssen. Die Investition in das Lieferkettengesetz bedeutet für große Konzerne: überschaubare Kosten, aber maximale Rendite durch weniger Konkurrenz.

Während man nicht überrascht sein sollte, dass Konzerne den profitablen Weg der Ausschaltung von Konkurrenten durch das Lieferkettengesetz gehen, sollte man nochmal genau darüber nachdenken, wie konsistent es ist, wenn sich die Samariter für das Gesetz einsetzen.

Wer für die Ärmsten der Welt streitet, kämpft gegen das Lieferkettengesetz

Die Realisierung der guten Absichten der Pietisten haben die USA nicht zu einem besseren Ort gemacht. Im Gegenteil: die Prohibition stürzte die USA in jahrelange Mafiakriege und führte zur massenhaften Kriminalisierung einfacher Bürger. Auch die Samariter hinter der Lieferketten-Initiative sind beseelt von dem hehren Ziel, Menschen weltweit zu helfen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass auch deren gut gemeintes Engagement mehr schaden als nutzen wird.

Die Fabriken europäischer Firmen in der Dritten Welt zahlen nicht nur überdurchschnittliche Löhne für die Arbeiter vor Ort, sondern bieten auch zahlreiche non-monetäre Vorteile, die alternative Arbeitgeber – meist in der Landwirtschaft – nicht bieten können. Zwingt man nun die Unternehmen zu noch höheren Fair-Trade-Auflagen, haben sie zwei Möglichkeiten: Entweder die Produktion wird eingestellt, weil sie nicht mehr kostendeckend ist. Oder die Unternehmen bewegen ihre Produktion weg von den armen Ländern in die Länder des globalen ökonomischen Mittelfelds, wie z.B. Mexiko und Costa Rica. Hier produzieren sowieso schon eine Vielzahl von Fair-Trade-Unternehmen. Denn nur diese reicheren Länder bieten die kostspielige Infrastruktur, die durch ein Lieferkettengesetz nötig wird. In jedem Fall sind die Opfer eines Fair-Trade-Gesetzes die schwächsten Glieder der Lieferkette – die Arbeiter in der Dritten Welt.

Mein Beitrag appelliert nicht an die Schmuggler im Lobbyprozess. Man kann nicht überrascht sein, wenn Unternehmen die Chance auf Einflussnahme durch Lobbying auch nutzen. Vielmehr appelliert mein Beitrag an die Samariter hinter der Lieferketteninitiative:

Ihr setzt Euch mit Leidenschaft für Wohlstand und Fortschritt in der Dritten Welt ein. Lasst Euch genau deshalb nicht von den Interessen der Schmuggler vereinnahmen und kämpft gegen das Lieferkettengesetz. Denn nur die kontinuierliche ökonomische Kooperation zwischen Menschen in den reichsten Ländern und Menschen in den ärmsten Ländern wird zu Wohlstand und Fortschritt in der Dritten Welt führen.

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