Soziale Ungleichheit und Umweltschutz erfahren wachsende Aufmerksamkeit und werden oft verknüpft. Verteilungsfragen zu berücksichtigen ist notwendig für eine effiziente und effektive Umweltpolitik. Dennoch ist die Reduktion von sozialer Ungleichheit kein primäres Ziel von Umweltpolitik und sollte sinnvollen Maßnahmen nicht im Wege stehen. Soziale Ungleichheit und Umweltschutz sind zwei prägende Themen unserer Zeit. Seit der globalen Finanzkrise von 2007-08 und ihrer Folgen spielt die Verteilung von Einkommen und Vermögen eine zunehmend zentrale Rolle im öffentlichen Diskurs. Ähnlich steht es mit der Umwelt. Lange Zeit als Randthemen behandelt, genießen Klimawandel und der Schutz der biologischen Vielfalt seit einigen Jahren wachsende Aufmerksamkeit. In den Vereinigten Staaten hat
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Moritz Drupp, Ulrike Kornek, Jasper Meya, Lutz Sager considers the following as important:
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Soziale Ungleichheit und Umweltschutz erfahren wachsende Aufmerksamkeit und werden oft verknüpft. Verteilungsfragen zu berücksichtigen ist notwendig für eine effiziente und effektive Umweltpolitik. Dennoch ist die Reduktion von sozialer Ungleichheit kein primäres Ziel von Umweltpolitik und sollte sinnvollen Maßnahmen nicht im Wege stehen.
Soziale Ungleichheit und Umweltschutz sind zwei prägende Themen unserer Zeit. Seit der globalen Finanzkrise von 2007-08 und ihrer Folgen spielt die Verteilung von Einkommen und Vermögen eine zunehmend zentrale Rolle im öffentlichen Diskurs. Ähnlich steht es mit der Umwelt. Lange Zeit als Randthemen behandelt, genießen Klimawandel und der Schutz der biologischen Vielfalt seit einigen Jahren wachsende Aufmerksamkeit. In den Vereinigten Staaten hat die Regierung von Präsident Biden mit ihrer Initiative Justice40 die Umweltgerechtigkeit („environmental justice“) zum Kernthema erklärt. Auch die Europäische Union setzt innerhalb ihres Europäischen Grünen Deals auf einen sozialverträglichen Übergang („just transition“) in die Klimaneutralität.
Die zunehmende Beachtung von Verteilungsfragen und ökologischer Nachhaltigkeit ist begrüßenswert. Schließlich können enorme Kosten entstehen, wenn hohe Ungleichheit oder übermäßige Umweltverschmutzung zu lange ignoriert werden (Stern, 2007; Stiglitz, 2012). Allerdings stellt sich in Anbetracht des wachsenden Interesses an der Umweltgerechtigkeit die Frage, ob es Sinn macht, die beiden Themen systematisch zu verbinden und, wie es manchmal geschieht, die Umverteilung zum Ziel der Umweltpolitik zu erklären. Diese Frage liegt einem neuen Arbeitspapier (Drupp et al., 2021) zu Grunde, in welchen wir darlegen, was die Politikbereiche Umwelt und Ungleichheit verbindet.
Umweltpolitik sollte Verteilungsfragen berücksichtigen
Verteilungsfragen sollten bei der Gestaltung von Umweltpolitik nicht ignoriert werden. Der aktuelle Forschungsstand zeigt eine klare Verbindung: Die Qualität natürlicher Güter korreliert in vielen Bereichen mit der wirtschaftlichen Stellung der Betroffenen. So wohnen ärmere Einwohner in Industriestaaten oft in den Stadtteilen wo auch die höchste Luftverschmutzung gemessen wird (Colmer et al., 2020). Ebenso sind Entwicklungsländer besonders gefährdet durch den Klimawandel, denn dort ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Landwirtschaft oft besonders hoch (Burke et al., 2015).
Auch die Kosten von Umweltschutzmaßnahmen sind in der Regel ungleich verteilt. Nehmen wir ein Beispiel aus der Klimapolitik. Seit 2005 erheben die Mitgliedstaaten des EU-Emissionshandelssystems einen Preis auf industrielle Emissionen des Treibhausgases CO2. Auch in der Schweiz gibt es seit 2008 eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe. Eine solche Bepreisung führt zu Mehrkosten beim Strom, beim Sprit und bei allem was sonst noch mit fossilen Brennstoffen produziert wird. Da es sich hierbei oft um so genannte „normale Güter“ handelt, also solche bei denen die Einkommenselastizität der Nachfrage positiv aber kleiner als eins ist, tendieren diese Preissteigerungen dazu, Haushalte mit geringerem Einkommen überproportional zu treffen (West & Williams, 2004). Diese Verteilungseffekte zu ignorieren ist gefährlich, denn sie können unter Bürgern eine Abwehrhaltung gegenüber der Klimapolitik bestärken. So richtete sich beispielsweise die französische Gelbwestenbewegung gegen eine geplante Treibstoffabgabe. Gleichzeitig müssen auch die zusätzlichen Belastungen berücksichtigt werden, die Firmen zu tragen haben und die über geringere Arbeits- oder Kapitaleinkommen am Ende auch wiederum bei den Haushalten ankommen. Bei aller berechtigten Sorge um die Verteilung der Kosten des Umweltschutzes gehört zu einem vollständigen Bild zudem der Nutzen des Umweltschutzes. Und die vermiedenen Umweltschäden kommen meist einkommensschwächeren Haushalten relativ zu ihrem Einkommen überproportional zu Gute.
Zum Glück gibt es Lösungen für unerwünschte Verteilungseffekte von Umweltmaßnahmen. So können beispielsweise die Einnahmen einer CO2-Abgabe genutzt werden, um Haushalte zu kompensieren. Eine simple Lösung ist die sogenannte Klimadividende. In Kanada erhält zum Beispiel jeder Haushalt die gleiche Steuergutschrift für jede dem Haushalt angehörige Person. In der Schweiz werden die durch die CO2-Abgabe erhobenen Gelder über die Krankenversicherer an die Bürger verteilt. Die Rückvergabe erfolgt auf einer pro-Kopf Basis. Da Haushalte mit geringerem Einkommen weniger einbezahlen, denn sie konsumieren weniger, stehen sie unter dem Strich meist besser da (Rausch et al., 2011). Diese Progressivität der Klimadividenden gilt sowohl für Industriestaaten, als auch für Entwicklungsländer (Sager, 2019a). Es gibt viele weitere Optionen für die Rückvergabe, wie zum Beispiel eine Reduktion der Einkommenssteuer oder auch eine Entlastung der Industrie. Es ist also durchaus möglich, eine CO2-Bepreisung mit Rückverteilung so zu gestalten, dass sie über Einkommensgruppen hinweg keine unerwünschten Verteilungseffekte hat.
Verteilungsfragen dürfen die Umweltpolitik nicht dominieren
Allerdings ist es nicht zwingend notwendig, dass jede Maßnahme zum Umweltschutz auch progressive Verteilungswirkungen haben muss. Die CO2-Bepreisung wird nicht aufgrund ihrer Verteilungswirkungen von Ökonomen bevorzugt. Andere Eigenschaften dieses Instrumentes sind hier ausschlaggebend, wie zum Beispiel die Kosteneffizienz und die Effektivität im Hinblick auf eine Senkung der Emissionen. Dass die CO2-Abgabe unerwünschte Verteilungswirkungen haben kann, sollte kein Grund sein, dieses wichtige Politikinstrument zu verwerfen. Stattdessen sollten die Verteilungswirkungen erkannt und eventuell mit Zusatzmaßnahmen der Sozialpolitik oder der oben genannten Klimadividende gekontert werden. Diese Erkenntnis ist Kern einer Faustregel des Ökonomens Jan Tinbergen: Um zwei verschiedene Ziele effizient zu verfolgen, sind prinzipiell auch mindestens zwei Politikinstrumente nötig. Für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bei gleichzeitiger Umverteilung zu Gunsten einkommensschwächerer Haushalte benötigen wir also zum Beispiel mindestens eine CO2-Bepreisung und eine Klimadividende.
Tinbergens Regel birgt eine wichtige Lektion für eine effiziente Umweltpolitik: Einzelne Politikinstrumente sollten nicht daran bemessen werden, ob sie mehrere Ziele gleichzeitig erfüllen. Eine CO2-Abgabe kann als kosteneffektives Instrument zur Senkung von Treibhausgasemissionen sinnvoll sein, auch wenn sie zu regressiven Verteilungseffekten führt. Und der Ausstieg aus der Kohlekraft kann sich volkswirtschaftlich lohnen, auch wenn er bestimmte Arbeitnehmergruppen schlechter stellt. Kurz gesagt, Tinbergens Regel birgt eine Warnung, Verteilungsfragen nicht zum Kern der Umweltpolitik zu deklarieren. Es ist zum Beispiel fraglich, ob Klimaschutzmaßnahmen noch kosteneffizient sind, wenn mindestens 40% der Gelder sozialschwachen Gruppen versprochen werden, wie dies unter Bidens Justice40 Initiative der Fall ist. Denn: Umverteilung ist nicht die Kernaufgabe von Umweltpolitik.
Jedoch sollte Tinbergens Regel auch nicht missverstanden werden. Manch Leserin oder Leser könnte schlussfolgern, dass wir Umweltpolitik und Umverteilung getrennt betrachten und die jeweiligen Politikmaßnahmen separat beurteilen können. Auch dies wäre ein Fehler, denn in vielen Bereichen gibt es wichtige Rückkoppelungseffekte, welche wir in Drupp et al. (2021) herausarbeiten.
Wechselwirkung zwischen Umweltpolitik und Verteilung sind zu beachten
Nehmen wir zum Beispiel an, dass wir die Einnahmen aus einer CO2-Abgabe über eine Klimadividende an die Bevölkerung zurückgeben. Einkommensschwache Haushalte würden unter dem Strich bessergestellt und die Regressivität der Konsumkostensteigerungen würde in eine Progressivität verwandelt. Jedoch würde dies auch zu weiteren Anpassungen des Konsumverhaltens führen. Da genau die Haushalte eine Kaufkrafterhöhung erfahren, welche einen größeren Anteil ihres Einkommens für emissionsreiche Konsumgüter ausgeben, würde dies die Gesamtnachfrage nach diesen Gütern wiederum erhöhen (Sager, 2019b). Ähnliches gilt für die sogenannten Sozialen Kosten von Kohlenstoff („Social Cost of Carbon“, kurz: SCC). Diese beziffern die Gesamtkosten welche mit einer zusätzlichen Tonne von CO2-Emissionen verbunden sind. Da diese Kosten auch von der Verfügbarkeit wirtschaftlicher Ressourcen abhängig sind, kann die Verteilungspolitik sowohl zwischen als auch innerhalb von Ländern die SCC und somit auch die optimale Höhe einer CO2-Abgabe maßgeblich beeinflussen (Kornek et al., 2021).
Nicht nur für die Klimapolitik gelten solche Überschneidungen mit der Verteilungspolitik. Auch wenn es um die Erhaltung der globalen Biodiversität geht, kann die Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen eine wichtige Rolle spielen. Natürliche Lebensräume generieren wertvolle öffentliche Güter und natürliches Kapital. Der Wert dieser Lebensräume wird von Ökonomen zunehmend anerkannt (Dasgupta, 2021). Für eine ökonomisch rationale Umweltpolitik ist es wichtig, den wirtschaftlichen Wert dieser Lebensräume zu beziffern. Allerdings hängt eine solche Bewertung auch von den wirtschaftlichen Ressourcen der Betroffenen ab. Eine wohlhabende Familie, welche in einem gut isolierten Haus mit Klimaanlage lebt, wird von zukünftigen Hitzewellen weniger stark betroffen sein, als eine weniger wohlhabende Familie ohne diese Abwehrmöglichkeiten. Kurz gesagt, die Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen beeinflusst den volkswirtschaftlichen Gesamtwert natürlicher Lebensräume (Drupp et al., 2018) und somit auch den gebotenen Umweltschutz.
Die wachsende Beachtung von Verteilungsfragen ist also nicht nur aus moralischer Sicht begrüßenswert, sondern auch eine notwendige Bedingung für eine effiziente und effektive Umweltpolitik. Jedoch ist Vorsicht geboten, um sicher zu stellen, dass Verteilungsfragen innerhalb einer Generation nicht vom wesentlichen Ziel von Umweltpolitik ablenken, oder sinnvollen Maßnahmen im Weg stehen. Schließlich sollte eine weitere Verteilungsdimension nicht vergessen werden, denn eine unzureichende Umweltpolitik läuft Gefahr enorme Kosten für zukünftige Generationen zu generieren.
Burke, M., Hsiang, S. M., & Miguel, E. (2015). Global non-linear effect of temperature on economic production. Nature, 527(7577), 235-239.
Colmer, J., Hardman, I., Shimshack, J., & Voorheis, J. (2020). Disparities in PM2.5 air pollution in the United States. Science, 369(6503), 575-578.
Drupp, M. A., Kornek, U., Meya, J. N., & Sager, L. (2021). Inequality and the Environment: The Economics of a Two-Headed Hydra. CESifo Working Paper No. 9447.
Drupp, M. A., Meya, J. N., Baumgärtner, S., & Quaas, M. F. (2018). Economic inequality and the value of nature. Ecological Economics, 150, 340-345.
Kornek, U., Klenert, D., Edenhofer, O., & Fleurbaey, M. (2021). The social cost of carbon and inequality: When local redistribution shapes global carbon prices. Journal of Environmental Economics and Management, 107, 102450.
Rausch, S., Metcalf, G. E., & Reilly, J. M. (2011). Distributional impacts of carbon pricing: A general equilibrium approach with micro-data for households. Energy economics, 33(S1), S20-S33.
Sager, L. (2019a). The global consumer incidence of carbon pricing: Evidence from trade. Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment Working Paper No. 352. London: London School of Economics and Political Science.
Sager, L. (2019b). Income inequality and carbon consumption: Evidence from environmental Engel curves. Energy Economics, 84, 104507.
Stern, N. (2007). The Economics of Climate Change: The Stern Review. Cambridge, UK: Cambridge University Press.
Stiglitz, J. E. (2012). The price of inequality: How today's divided society endangers our future. New York, NY: WW Norton & Company.
West, S. E., & Williams III, R. C. (2004). Estimates from a consumer demand system: Implications for the incidence of environmental taxes. Journal of Environmental Economics and management, 47(3), 535-558.
©KOF ETH Zürich, 26. Apr. 2022