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Ein neuer Vorschlag im Konflikt um Raubkunst

Summary:
Soll «Raubkunst» restituiert werden oder nicht? Zur Lösung des grundsätzlich unvereinbaren Konflikts um diese Frage schlagen wir ein Vorgehen vor, das sich die Fortschritte in der digitalen Erfassung und Reproduktion von Kunstwerken zunutze macht. In jüngster Zeit wird intensiv über den Umgang mit Kunstwerken gestritten, die aus ehemaligen Kolonialländern stammen und nun in westlichen Museen präsentiert werden. Ein eindrückliches Beispiel sind die Benin-Bronzen. Sie wurden 1879 von den Engländern, die eine (kolonialistische) «Befriedungsaktion» unternahmen, an sich genommen. Zum Teil waren sie in einem schlechten Zustand. Diese Bronzen wurden dann in London versteigert und befinden sich seither in verschiedenen Museen, besonders dem British Museum. Ein anderes gegenwärtig viel

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Andre Briviba, Bruno S. Frey considers the following as important:

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Soll «Raubkunst» restituiert werden oder nicht? Zur Lösung des grundsätzlich unvereinbaren Konflikts um diese Frage schlagen wir ein Vorgehen vor, das sich die Fortschritte in der digitalen Erfassung und Reproduktion von Kunstwerken zunutze macht.

In jüngster Zeit wird intensiv über den Umgang mit Kunstwerken gestritten, die aus ehemaligen Kolonialländern stammen und nun in westlichen Museen präsentiert werden. Ein eindrückliches Beispiel sind die Benin-Bronzen. Sie wurden 1879 von den Engländern, die eine (kolonialistische) «Befriedungsaktion» unternahmen, an sich genommen. Zum Teil waren sie in einem schlechten Zustand. Diese Bronzen wurden dann in London versteigert und befinden sich seither in verschiedenen Museen, besonders dem British Museum. Ein anderes gegenwärtig viel diskutiertes Beispiel ist die ethnologische Sammlung in Berlin-Dahlem, die manche Kunstwerke aus Afrika enthält. Sie werden im – teilweise kopierten – Hohenzollernschloss im Zentrum Berlins ausgestellt. Gleichzeitig wird die Sammlung aber von manchen Leuten als «Raubkunst» bezeichnet, die deshalb zurückgegeben werden müsse.

In dieser Auseinandersetzung gibt es zwei gegensätzliche Positionen. Die eine Seite argumentiert, diese Kunstwerke seien geplündert worden und gehörten rechtmässig den Ländern, aus denen sie stammen. Sie müssten daher als „Raubkunst“ restituiert werden. Die andere Seite argumentiert, manche dieser Kunstwerke seien auf dem Markt gekauft und daher nicht gestohlen worden. Diese Seite betont weiter, die Kunstwerke seien in den westlichen Museen gut konserviert worden und würden sonst gar nicht mehr existieren. Schliesslich wird argumentiert, dass manche der Staaten, welche die Kunstwerke zurückfordern, autoritär oder gar diktatorisch seien und deshalb nicht unterstützt werden sollten. Trotz vieler Diskussionen scheint es einen grundsätzlich unvereinbaren Konflikt zu geben, der auch die politische Sphäre erreicht hat.

Die ökonomische Wissenschaft, insbesondere die Ökonomik der Kunst und Kultur, beschäftigt sich intensiv mit derartigen Konflikten, die durch Knappheit hervorgerufen werden. Wertvolle Kunstobjekte stehen nur beschränkt zu Verfügung und werden von verschiedenen Akteuren für sich beansprucht. In der Standardökonomie werden Nutzen und Kosten unterschiedlicher Zuteilungen solcher knappen Güter miteinander verglichen. Bei diesem Vorgehen entstehen sowohl auf der Nutzen- wie auch auf der Kostenseite schwierig zu entscheidende Bewertungsprobleme. Ein Beitrag aus philosophischer und religionswissenschaftlicher Perspektive (Schröder 2021) rückt nicht quantitativ erfassbare Aspekte in den Mittelpunkt. 

Reproduktionen verringern die Knappheit und lösen Allokationskonflikte

Wir schlagen deshalb ein anderes Vorgehen vor. Infolge der bedeutenden Entwicklungen in der Fotogrammmetrie und der Erfassung von Gegenständen mittels Lasern kann das Angebot an Kunstgütern erweitert werden. Dieser digitale Prozess ermöglicht präzise Reproduktionen von kulturellen Gütern zu erstellen und damit ihre Knappheit zu lockern. Der hier gemachte Vorschlag kann dazu beitragen den Allokationskonflikt zu überwinden und beide Seiten im Konflikt zufrieden zu stellen.  

Der Vorschlag besteht aus drei Schritten:

  1. Zuerst werden die in Frage kommenden Kunstwerke reproduziert. Auf der Basis moderner Digitaltechnik können heute identische Kopien erstellt werden.
  2. Anschliessend werden das Original und die Replik nebeneinandergestellt, ohne dass angegeben wird, welches das Original ist.
  3. Schliesslich wird mittels eines Zufallsmechanismus (Buchstein 2009, Frey et al. 2020) entschieden, welche der beiden Parteien (die Vertreter des ursprünglichen Standorts des Kunstwerks einerseits und der westlichen Museen, in denen es ausgestellt ist andererseits) frei wählen dürfen, welches der beiden Exponate sie haben wollen.

Zufallswahl als salomonisches Urteil

Da der Gewinner oder die Gewinnerin der Zufallsauswahl ohne jede Einschränkung zwischen den beiden Kunstwerken wählen kann, sollte diese Partei zufrieden sein. Die nicht gewinnende Partei, die das andere Kunstwerk bekommt, kann ebenfalls zufrieden sein, da die Replik vom Original nicht zu unterscheiden ist. Wird diese Prozedur für alle in Frage kommenden Kunstwerke durchgeführt, garantiert das Zufallsverfahren, dass jede Partei in der Lage sein wird, zu wählen. Wird dieses hier vorgeschlagene Verfahren befolgt, dann verschwindet ein scheinbar unüberbrückbarer Konflikt durch ein salomonisches Urteil.

Manche werden anzweifeln, ob dieser Vorschlag in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann. Man kann erstens fragen, ob identische Kopien von Statuen und Bildern, zumindest aus Sicht von Betrachtenden, möglich sind. Es gibt viele empirische Belege dafür, dass dies der Fall ist (vgl. Hughes et al. 2021, Grüner et al. 2019). Die prähistorischen Gemälde in den Höhlen von Lascaux, Altamira und Chauvet mussten kopiert und in neuen Höhlen gezeigt werden, um die originalen Zeichnungen zu erhalten. Untersuchungen zufolge (z.B. Hughes et al. 2021) empfinden 90 Prozent der Besucher und Besucherinnen die Kopien als authentische Replikation unseres kulturellen Erbes.

Zweitens kann der Zufallsmechanismus abgelehnt werden, weil er den Beteiligten nicht vertraut und in diesem Zusammenhang neu ist. Es gibt aber in der Geschichte viele Beispiele dafür, dass Zufallsverfahren eine befriedende Wirkung haben. Schließlich werden diejenigen Akteure unseren Vorschlag ablehnen, die ein Interesse daran haben, den Konflikt als solchen aufrecht zu erhalten. Dies aus politischen Gründen, oder weil sie vom Konflikt profitieren, z.B. weil sie als wissenschaftliche Experten und Expertinnen ihren Marktwert hochhalten wollen.

Vorschläge zur Überwindung eines tiefsitzenden Konflikts sind immer problematisch. Neue Verfahren können hilfreich sein und sollten zumindest in Betracht gezogen werden. Und was ist so schlimm daran, wenn man in einem kopierten Hohenzollern-Schloss Kopien ausstellt?

Buchstein, H. (2009). Demokratie und Lotterie: Das Los als politisches Entscheidungsinstrument von der Antike bis zur EU. Frankfurt: Campus Verlag.

Frey, B.S., Osterloh, M. & Rost, K. (2020). Zufallsentscheidungen in Managment, Forschung und Politik. Oekonomentstimme 27. Oktober.

Grüner, S., Specker, E. & Leder, H. (2019). Effects of Context and Genuineness in the Experience of Art. Empirical Studies of the Arts 37, 138-152.

Hughes, K., Mkono, M., Myers, D. & Echentille, S. (2021) Are you for real?! Tourists' reactions to four replica cave sites in Europe. Tourism Management Perspectives 37, 100780.

Schröder, R. (2021). Was der Begriff der Raubkunst verschleiert: Viele Objekte gelangten ohne Gewaltandrohung in westliche Museen und Sammlungen. Neue Zürcher Zeitung, verfügbar unter: https://www.nzz.ch/meinung/benin-bronzen-was-der-begriff-der-raubkunst-verschleiert-ld.1657081

©KOF ETH Zürich, 11. Jan. 2022

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