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Künstliche Intelligenz für Unternehmen: Wo und wie kann maschinelles Lernen Prozesse und Entscheidungen in Firmen verbessern?

Summary:
Dieser Beitrag behandelt Funktionsweisen, Chancen und Grenzen von Machine Learning in Unternehmen. Der zunehmend besseren Datenverfügbarkeit kommt bei der Entscheidungs- und Prozessoptimierung mithilfe von künstlicher Intelligenz eine besondere Rolle zu. Schlagwörter wie Digitalisierung, Big Data und künstliche Intelligenz sind in aller Munde, aber wo kann eine zielgerichtete Datenanalyse in Unternehmen einen konkreten Mehrwert bringen? Wie lässt sich insbesondere das sogenannte maschinelle Lernen (basierend auf selbstlernenden Algorithmen) einsetzen, um Prozesse oder Entscheidungen zu verbessern und letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen? Wie die nachfolgenden Beispiele aus der Wirtschaft zeigen, kann maschinelles Lernen in vielen Unternehmensbereichen Nutzen stiften –

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Dieser Beitrag behandelt Funktionsweisen, Chancen und Grenzen von Machine Learning in Unternehmen. Der zunehmend besseren Datenverfügbarkeit kommt bei der Entscheidungs- und Prozessoptimierung mithilfe von künstlicher Intelligenz eine besondere Rolle zu.

Schlagwörter wie Digitalisierung, Big Data und künstliche Intelligenz sind in aller Munde, aber wo kann eine zielgerichtete Datenanalyse in Unternehmen einen konkreten Mehrwert bringen? Wie lässt sich insbesondere das sogenannte maschinelle Lernen (basierend auf selbstlernenden Algorithmen) einsetzen, um Prozesse oder Entscheidungen zu verbessern und letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen? Wie die nachfolgenden Beispiele aus der Wirtschaft zeigen, kann maschinelles Lernen in vielen Unternehmensbereichen Nutzen stiften – sofern die Datenlage und die gewählte Methode für die Fragestellung angemessen sind.

Wie funktioniert Machine Learning?

Vereinfacht gesagt basiert maschinelles Lernen auf dem systematischen Durchforsten von Daten um zu lernen, ob und wie diverse Charakteristiken, z.B. die Merkmale potenzieller Kund*innen, die allgemeine wirtschaftliche Situation oder der Wochentag, mit einem interessierenden Ergebnis, z.B. dem Umsatz zusammenhängen. Das Besondere dabei ist, dass solche Algorithmen (im Gegensatz zur klassischen Statistik) autonom lernen, welche Charakteristiken relevant sind und welche nicht, um letztendlich den Umsatz optimal, d.h. mit dem geringstmöglichen Fehler vorherzusagen.

Dabei werden mit einem Teil der Daten gleich mehrere, alternative Modelle zur Umsatzprognose entwickelt bzw. «trainiert». Mit dem anderen Teil der Daten werden diese Modelle «validiert», d.h. es wird überprüft, wie gut die mit den einen Daten entwickelten Modelle den Umsatz anhand der anderen Daten prognostizieren. Schliesslich wird das optimale Modell mit dem geringsten Prognosefehler ausgewählt und kann für zukünftige Umsatzprognosen verwendet werden. Diese sogenannte künstliche «Intelligenz» basiert also auf dem recht plump anmutenden Ausprobieren und Testen alternativer Methoden. Jedoch hat sich dieser Ansatz als sehr effektiv erwiesen und führt für viele Fragestellungen zu besseren Prognosen, als sie Menschen jemals erstellen könnten – vorausgesetzt, die Datengrundlage für den Lernprozess ist ausreichend informativ.

Einsatzbereiche von Machine Learning in Unternehmen

In Unternehmen findet sich in der Tat eine Vielzahl möglicher Einsatzbereiche für Prognosen basierend auf maschinellem Lernen (Nosratabadi et al. 2020). Sowohl für Online-Verkaufsportale als auch für den stationären Handel erlauben digitalisierte (Online- oder Scanner-)Daten  eine Prognose zum Kaufverhalten von Kund*innen in Abhängigkeit vom Preis eines Produktes und dessen Konkurrenzprodukten sowie von den Eigenschaften der Kund*innen, falls letztere (zum Beispiel durch Scannen einer Treuekarte) verfügbar sind. Auch für Dienstleistungsbetriebe wie Restaurants, Hotels, Freizeiteinrichtungen oder Transportunternehmen (wie Bus, Bahn oder Seilbahn) können Auslastungsprognosen z.B. basierend auf der Wettervorhersage, der Jahres- bzw. Ferienzeit und weiteren Faktoren erstellt werden.

Für das Kundenbindungs-Management interessant sind Vorhersagen darüber, welche Kund*innen in Abhängigkeit ihrer Charakteristiken (wie früheres Kaufverhalten, Einkommen, Alter…) einem Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Treue halten oder zu einem anderen Anbieter (z.B. im Mobilfunkbereich) wechseln (Risselada et al. 2010). In der Produktion können technische Indikatoren, zum Beispiel bezüglich der Auslastung von Maschinen, dazu verwendet werden, Produktionsausfälle aufgrund technischer Probleme vorherzusagen. Im Rechnungswesen erlauben es Algorithmen, Falschbuchungen aufzuspüren, basierend auf Anomalien in Kontobewegungen. Im Finanzbereich kommen maschinelles Lernen und das sogenannte «Deep Learning» (basierend auf komplexen Netzwerkmodellen, den sogenannten neuronalen Netzwerken) zur Portfoliooptimierung und Prognose von Aktienpreisen immer häufiger zum Einsatz (Moon und Kim 2019).

Auch im Bereich der Betrugsbekämpfung und -vermeidung ergeben sich neue Möglichkeiten.  So verwendet die Versicherungswirtschaft bereits seit längerem maschinelles Lernen, um anhand bestimmter Konstellationen in einem geschilderten Schadensereignis auf einen möglichen Versicherungsbetrug zu schliessen. Ähnliche Ideen kommen bei der Aufdeckung von Kreditkartenbetrug zur Anwendung. Aber auch im Beschaffungswesen lassen sich derartige Methoden einsetzen, um illegale Preisabsprachen zwischen Anbietern einer (Vor-)Leistung aufzudecken, wie dies in der Schweiz bereits für öffentliche Infrastrukturprojekte gezeigt werden konnte (Huber und Imhof 2019).

Differenzierung zwischen Prognose und Kausalität

Allerdings lassen sich bei weitem nicht alle Fragestellungen in Unternehmen anhand von Prognosen lösen. In vielen Fällen ist die Wirkung konkreter unternehmerischer Handlungen von Interesse, zum Beispiel der kausale Effekt einer Werbeschaltung, eines Rabatts oder einer Kundenkarte auf den Umsatz. Konventionelles (sogenanntes prädiktives) maschinelles Lernen für Prognosen ist allerdings nicht im Stande, auf derartige kausale Ursache-Wirkung-Fragen eine Antwort zu geben, wie sie typischerweise als Entscheidungshilfe für das Durchführen oder Unterlassen einer Handlung benötigt wird (Ascarza 2018).

Um den Unterschied zwischen Prognose und Kausalität zu veranschaulichen, sei angenommen, dass ein Händler anhand von Datenanalyse herausfindet, dass Besitzer*innen einer Treuekarte mehr Umsatz generieren als jene ohne Treuekarte. Somit kann der Besitz einer Treuekarte verwendet werden, um kundenspezifische Umsatzprognosen zu erstellen. Dies bedeutet hingegen nicht automatisch das Vorhandensein eines kausalen Effekts, der nur gegeben wäre, wenn die Kund*innen genau deshalb mehr einkaufen würden, weil sie eine Treuekarte erhalten haben. Es könnte theoretisch aber genau umgekehrt sein: Alle Kund*innen, die bereits in früheren Perioden viel einkauften, halten eine Treuekarte, die per se überhaupt keine Wirkung auf den Umsatz hat.

Kausales maschinelles Lernen

Um die kausale Wirkung einer bestimmten Handlung wie einer Treuekarte messen zu können, müssen deshalb «Äpfel mit Äpfeln» verglichen werden: Man sollte nur den Umsatz von Kund*innen mit und ohne Treukarte vergleichen, die sich im früheren Kaufverhalten und anderen Charakteristiken, die den Umsatz beeinflussen könnten (wie z.B. Alter oder Einkommen), ähnlich sind. Denn nur so lässt sich die kausale Wirkung der Treuekarte auf den Umsatz vom Einfluss anderer Charakteristiken (früheres Kaufverhalten, Alter, Einkommen…) isolieren.

Kausales maschinelles Lernen, eine Weiterentwicklung des «konventionellen» maschinellen Lernens zur Durchführung von Wirkungsanalysen, setzt genau an dieser Idee an (Chernozhukov et al. 2018). Vereinfacht gesagt findet der Algorithmus datenbasiert jene Charakteristiken, die sowohl für den Erhalt der Treuekarte als auch für den Umsatz relevant sind, um Treukartenbesitzer*innen und Nicht-Besitzer*innen hinsichtlich dieser Charakteristiken vergleichbar zu machen und letztendlich die Wirkung der Treuekarte auf den Umsatz zu bestimmen. Damit aber nicht genug: Kausales maschinelles Lernen kann auch dazu eingesetzt werden, in Abhängigkeit von den erhobenen Charakteristiken Gruppen von Kund*innen zu finden, für welche die Umsatzeffekte der Treuekarte besonders gross oder klein sind (Athey et al. 2019). So könnte sich z.B. zeigen, dass die Treuekarte insbesondere unter jenen Kund*innen zu Umsatzsteigerungen führt, die zuvor bereits relativ viel oder aber relativ wenig gekauft hatten. Dies erlaubt letztendlich auch eine optimale, rein datenbasierte Kundensegmentierung in Gruppen, denen die Treuekarte angeboten bzw. nicht angeboten werden soll, um die Effektivität auch unter Einbeziehung von Kosten-Nutzen-Überlegungen zu maximieren (Athey und Wager 2019).

Die erwähnten Methoden lassen sich prinzipiell auf die Evaluation anderer Handlungen wie Preispolitik, Marketingkampagnen, Kundenbindungsprogramme, Weiterbildungen, Qualitätssicherungsmassnahmen etc. übertragen, sofern die für eine plausible Wirkungsanalyse notwendige Datengrundlage gegeben ist. Denn ohne ausreichend informative Daten kann auch die beste Methode keine adäquate Entscheidungshilfe bieten.

Prozess- und Entscheidungsoptimierung dank verbesserter Datenverfügbarkeit

Jedoch erhöhen sich Datenqualität und -umfang im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung in vielen Wirtschaftsbereichen stetig. Somit bieten das prädiktive und kausale maschinelle Lernen jenen Unternehmen, die von der Analyse ihrer Daten profitieren wollen, verbesserte Werkzeuge für Prognosen und Wirkungsanalysen. Grosse Technologie-Unternehmen wie Amazon, Google oder Microsoft und viele Online-Portale setzen deshalb bereits seit Jahren auf die Macht der Algorithmen. Aber auch in klein- und mittelständischen Unternehmen schlummert noch viel Potenzial zur Prozess- und Entscheidungsoptimierung basierend auf einer verbesserten Datenanalyse. Durch die Verfügbarkeit technisch ausgereifter Open-Source Software wie «Python» und «R», die zum Nulltarif heruntergeladen und installiert werden kann, stehen diese Methoden prinzipiell allen zur Verfügung.

Wer aber klassisches Programmieren scheut, kann alternativ sogar auf grafische Benutzeroberflächen wie das Schweizer Open-Source Produkt «Knime» zurückgreifen, in dem die einzelnen Schritte des maschinellen Lernens anhand eines intuitiv leicht nachvollziehbaren Flussdiagramms dargestellt werden. Einer weiteren Demokratisierung der künstlichen Intelligenz in der Unternehmenswelt (und der Gesellschaft im Allgemeinen) sollte somit nichts im Wege stehen.

Ascarza E (2018): “Retention futility: Targeting high-risk customers might be ineffective”, Journal of Marketing Research 55, 80–98

Athey S., Tibshirani J., Wager S. (2019):  “Generalized Random Forests”, The Annals of Statistics, vol. 47, pp. 1148-1178.

Athey S., Wager S. (2019): “Efficient policy learning”, arXiv:1702.02896.

Chernozhukov V., Chetverikov D., Demirer M., Duflo E., Hansen C., Newey W., Robins J. (2018): “Double/debiased machine learning for treatment and structural parameters”, The Econometrics Journal, vol. 21, pp. C1–C68.

Huber M., Imhof D. (2019): “Machine learning with screens for detecting bid-rigging cartels”,cInternational Journal of Industrial Organization,c65, 277–301.

Moon K.S., Kim H. (2019): “Performance of deep learning in prediction of stock market volatility.” Economic Computation and Economic Cybernetics Studies and Research,53, 77–92.

Nosratabadi S., Mosavi A., Duan P, Ghamisi P, Filip F, Band S. S., Reuter U, Gama J, Gandomi A.H. (2020): “Data Science in Economics: Comprehensive Review of Advanced Machine Learning and Deep Learning Methods”, Mathematics, 8, 1799.

Risselada H., Verhoef P. C., Bijmolt T. H. (2010):“Staying Power of Churn Prediction Models,” Journal of Interactive Marketing, 24, 198–208.

©KOF ETH Zürich, 23. Apr. 2021

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