Viele Menschen tun wenig für den Klimaschutz, weil sie die Bereitschaft anderer unterschätzen, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten. Das ist das zentrale Ergebnis eines umfangreichen Befragungsexperiments in den USA. Der Klimawandel ist die vielleicht größte Herausforderung unserer Zeit. Erst vor wenigen Tagen fasste ein Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change den aktuellen Forschungsstand zusammen (IPCC 2021): Die Erde hat sich nach bester Schätzung bereits um mehr als 1 Grad erwärmt hat. Viel Luft zum in Paris erklärten 1,5 Grad Ziel bleibt also nicht mehr. Ein Gegensteuern ist somit dringend erforderlich. SozialwissenschaftlerInnen versuchen deshalb, besser zu verstehen, unter welchen Umständen Menschen bereit sind, sich gegen den Klimawandel einzusetzen (z.B.
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Peter Andre, Teodora Boneva, Felix Chopra, Armin Falk considers the following as important:
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Viele Menschen tun wenig für den Klimaschutz, weil sie die Bereitschaft anderer unterschätzen, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten. Das ist das zentrale Ergebnis eines umfangreichen Befragungsexperiments in den USA.
Der Klimawandel ist die vielleicht größte Herausforderung unserer Zeit. Erst vor wenigen Tagen fasste ein Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change den aktuellen Forschungsstand zusammen (IPCC 2021): Die Erde hat sich nach bester Schätzung bereits um mehr als 1 Grad erwärmt hat. Viel Luft zum in Paris erklärten 1,5 Grad Ziel bleibt also nicht mehr.
Ein Gegensteuern ist somit dringend erforderlich. SozialwissenschaftlerInnen versuchen deshalb, besser zu verstehen, unter welchen Umständen Menschen bereit sind, sich gegen den Klimawandel einzusetzen (z.B. Allcott und ?Mullainathan 2010, Swim et al. 2009, Gifford 2011). Dies ist gleich zweifach relevant. Wer den Klimawandel aufhalten will, muss dort ansetzen, wo er entsteht: beim menschlichen Verhalten. Außerdem müssen politische Maßnahmen gegen den Klimawandel auf demokratische Unterstützung und Zustimmung in der Bevölkerung bauen. Auch diese hängen von unserer individuellen Bereitschaft ab, den Klimawandel anzugehen.
Eine aktuelle Studie untersucht deshalb, welche Rolle soziale Normen für unseren Einsatz gegen den Klimawandel spielen (Andre et al. 2021). Normen sind gesellschaftliche Regeln, die beschreiben, was als typisches und moralisch angesehenes Verhalten gilt (Bicchieri 2006). Sie geben vor, was „salonfähig“ ist und beeinflussen damit in vielen Bereichen des Lebens, wie wir uns verhalten und entscheiden. Soziale Normen können zum starken Unterstützer im Kampf gegen den Klimawandel werden, wenn sich etabliert, dass die klimafreundliche Wahl die richtige ist (Nyborg et al. 2016). Umgekehrt können sie aber auch zum kritischen Hindernis werden, wenn Klimabewusstsein als exotisch oder schlicht „merkwürdig“ gilt. Grund genug für die AutorInnen, einen Blick darauf zu werfen, wie wir soziale Normen im Klimaschutz wahrnehmen und welchen Einfluss dies auf unser Klimaverhalten hat. Die Studie basiert auf einem Verhaltensexperiment, an dem rund 8.000 repräsentativ ausgewählte Erwachsene aus den USA teilnahmen.
Die Bereitschaft anderer wird unterschätzt
Die Teilnehmenden wurden gefragt, wie hoch sie den Anteil ihrer Landsleute einschätzen, die selbst angeben, sich für das Klima einzusetzen. Ebenso schätzten die Befragten, wie viele ihrer MitbürgerInnen finden, dass andere sich für das Klima einsetzen sollten. Dabei zeigte sich, dass der tatsächliche Anteil der Klimaschutz-Aktiven (62 Prozent) und der Klimaschutz-BefürworterInnen (79 Prozent) deutlich unterschätzt wird. Die AmerikanerInnen unterschätzen also, wie viele ihrer MitbürgerInnen klimafreundliches Verhalten gutheißen.
Wenn die Bereitschaft anderer unterschätzt wird, kann dies eine lähmende Wirkung für den Klimaschutz haben. Das Phänomen ist auch als pluralistische Ignoranz bekannt (Allport 1924, Miller und McFarland 1987): Viele Menschen finden, man sollte sich gegen den Klimawandel einsetzen, nehmen aber fälschlicherweise an, dass sie mit dieser Einstellung allein sind. Entmutigt verleihen sie ihrer Überzeugung zu selten Gehör und setzen sie selten öffentlich in die Tat um. Andere sehen sich dadurch bestätigt, mit ihrem Wunsch, etwas gegen den Klimawandel zu tun, allein zu sein. So bleibt es dabei, dass viele etwas gegen den Klimawandel tun wollen und dennoch vermuten, damit in der Minderheit zu sein.
Eine Chance für die Klimapolitik
Aus dieser Situation könnte sich aber auch eine Chance für den Klimaschutz ergeben. Steigert sich die Bereitschaft, sich für das Klima einzusetzen, wenn man über die eigene Fehleinschätzung aufgeklärt wird?
Um dies zu untersuchen, misst die Studie auch, ob Menschen bereit sind, auf eigene Kosten den Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, 450 Dollar zu gewinnen. Vorab mussten sie aber angeben, wie viel sie davon an eine Klimaschutz-Organisation spenden würden. Mit dem Gesamtbetrag ließe sich der jährliche CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen US-Amerikaners oder einer durchschnittlichen US-Amerikanerin kompensieren. Die Entscheidung modelliert damit das zentrale Für und Wider, wenn Einzelne sich entscheiden, ob sie sich für das Klima einsetzen: Wollen wir etwas für das Klima tun (hier: CO2 kompensieren), stehen dem häufig Kosten gegenüber (hier: Geld). Im Schnitt gaben die Befragten an, die Hälfte des Geldgewinns für den Klimaschutz zu spenden.
Werden die Teilnehmenden vor ihrer Entscheidung über die hohe Bereitschaft anderer, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, informiert, fällt die Spendenbereitschaft um fünf bis sechs Prozent höher aus. Noch größer ist der Effekt bei Menschen, die den Klimawandel leugnen oder ihm zumindest skeptisch gegenüberstehen. Das zeigt, dass gerade für jene, die sonst am schwersten zu erreichen und überzeugen sind, die Einstellungen anderer entscheidend sein können.
Um Verhaltensänderungen und Akzeptanz für klimapolitische Maßnahmen zu erreichen, ist es also entscheidend, dass Klimaschutz als gesellschaftliche Norm wahrgenommen wird. Breit angelegte Informationskampagnen könnten hier eine selbstverstärkende Wirkung entfalten. Auch wenn die Ergebnisse der Studie zunächst für die USA gelten, dürften soziale Normen im deutschsprachigen Raum eine ähnlich gewichtige Rolle spielen. Die Studie zeigt auch, dass die Bereitschaft steigt, klimapolitische Maßnahmen zu unterstützen, sobald die Teilnehmenden über das volle Ausmaß der Bereitschaft anderer informiert werden.
Auch Präferenzen, Geschlecht und Einkommen sind wichtig
Die Studie wirft außerdem einen Blick darauf, welche anderen Charakteristiken empirisch mit einer erhöhten Spendenbereitschaft korrelieren. Im Durchschnitt spenden Frauen mehr für den Klimaschutz als Männer. Mit höherem Haushaltseinkommen steigt die Spendenbereitschaft, mit höherem Bildungsabschluss geht sie allerdings bei RepublikanerInnen sogar zurück. Eine Analyse ökonomischer Präferenzen zeigt, dass sich vor allem Geduld und Prosozialität positiv auf die Bereitschaft zum Klimaschutz auswirken. Auch sind Teilnehmende, deren moralische Werte universell für alle Menschen gelten, zu größeren Spenden bereit als solche, die sich eher ihrer eigenen Gruppe verpflichtet fühlen. DemokratInnen geben 74 Dollar mehr als RepublikanerInnen. Fast 40% dieses Unterschieds zwischen den beiden politischen Lagern kann statistisch durch Unterschiede der Präferenzen und moralischen Werte erklärt werden, was verdeutlicht, wie tief verwurzelt die Meinungsverschiedenheiten in den Vereinigten Staaten sein können.
Allcott, H., & Mullainathan, S. (2010). Behavior and Energy Policy. Science, 327(5970), 1204–1205.
Allport, F. H. (1924). Social Psychology. Boston: Houghton Mifflin.
Andre, P., Boneva, T., Chopra, F., & Falk, A. (2021). Fighting Climate Change: The Role of Norms, Preferences, and Moral Values. Working Paper.
Bicchieri, C. (2006). The Grammar of Society: The Nature and Dynamics of Social Norms. New York: Cambridge University Press.
Gifford, R. (2011). The dragons of inaction: Psychological barriers that limit climate change mitigation and adaptation. American Psychologist, 66(4), 290–302.
IPCC. (2021). Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. (V. Masson-Delmotte, P. Zhai, A. Pirani, S. L. Connors, C. Péan, S. Berger, et al., Eds.). Cambridge University Press.
Miller, D. T., & McFarland, C. (1987). Pluralistic Ignorance: When Similarity is Interpreted as Dissimilarity. Journal of Personality and Social Psychology, 53(2), 298–305.
Nyborg, K., Anderies, J. M., Dannenberg, A., Lindahl, T., Schill, C., Schlüter, M., et al., A. (2016). Social norms as solutions. Science, 354(6308), 42–43.
Swim, J., Clayton, S., Doherty, T., Gifford, R., Howard, G., Reser, J., Stern, P., Weber, E. (2009). Psychology & global climate change: Addressing a multifaceted phenomenon and set of challenges. Report of the American Psychological Association Task Force on the Interface Between Psychology and Global Climate Change.
©KOF ETH Zürich, 26. Aug. 2021