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Corona und Europa: Aktuelle Maßnahmen und Bewertungen

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Die europäische Reaktion auf die Coronakrise war die Verabschiedung mehrerer koordinierter Maßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten und den europäischen Organen sowie weiteren Institutionen. Dieser Artikel bietet einen Überblick zu den aktuellen Maßnahmen und bewertet die getroffenen Maßnahmen im Rahmen des EU-Solidaritätspakets sowie von der EZB. Aktuelle Maßnahmen auf europäischer Ebene Im März verkündete die europäische Bankenaufsichtsbehörde, den Bankensektor durch die Nutzung der verankerten Flexibilität in den Vorschriften zu unterstützen (BMF 2020a). Am 18. März verkündete die EZB ein neues Anleihekaufprogramm: „Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP)“ (EZB 2020). Seit dem 19 März gilt ein befristeter Sonderrahmen der europäischen Kommission (KOM). Dieser Sonderrahmen

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Die europäische Reaktion auf die Coronakrise war die Verabschiedung mehrerer koordinierter Maßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten und den europäischen Organen sowie weiteren Institutionen. Dieser Artikel bietet einen Überblick zu den aktuellen Maßnahmen und bewertet die getroffenen Maßnahmen im Rahmen des EU-Solidaritätspakets sowie von der EZB.

Aktuelle Maßnahmen auf europäischer Ebene

Im März verkündete die europäische Bankenaufsichtsbehörde, den Bankensektor durch die Nutzung der verankerten Flexibilität in den Vorschriften zu unterstützen (BMF 2020a). Am 18. März verkündete die EZB ein neues Anleihekaufprogramm: „Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP)“ (EZB 2020). Seit dem 19 März gilt ein befristeter Sonderrahmen der europäischen Kommission (KOM). Dieser Sonderrahmen erlaubt es, nationale Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft durchzuführen. Der EU-Finanzministerrat einigte sich am 23. März, die haushaltspolitischen Maßnahmen, die im Kampf gegen die Auswirkungen der Coronakrise ergriffen wurden, bei der Bewertung der EU-Haushaltsregeln nicht zu berücksichtigen. Am 6 April hat die KOM eine 1 Mrd. Euro an Garantien für den Europäischen Investitionsfonds (EIF) freigegeben. Mit diesen Garantien und den Garantien aus dem Horizon 2020 ist der EIF in der Lage, Kreditgebern Garantien in Höhe von 2,2 Mrd. EUR zu gewährleisten. Dadurch lassen sich Finanzmittel in Höhe von 8 Mrd. Euro für mindestens 100.000 KMUs und kleine Midcap-Unternehmen in Form von Betriebsmittelkrediten mobilisieren. (Europäische Kommission 2020a). Am 9. April einigte sich die Eurogruppe auf ein EU-Solidaritätspaket. Dieses Programm umfasst drei Maßnahmen: das „Temporary Support to mitigate Unemployment Risk and Emergency (SURE)“, einen Garantiefonds der Europäischen Investitionsbank (EIB) für KMUs und die Staatshilfen im Rahmen des „Pandemic Crisis Support-Instrument (PCSI)“. Das Maßnahmenpaket verfügt über ein Volumen von 540 Mrd. Euro. Alle Maßnahmen im Programm sollen ab dem 1. Juni 2020 bereitstehen (BMF 2020b).

Bewertung der europäischen Maßnahmen

PEPP-Programm

Das PEPP-Programm verfügt über ein Volumen von 750 Mrd. Euro und läuft bis Ende 2020. Das primäre Ziel von PEPP ist es den Risiken für die geldpolitische Transmission sowie die Preisstabilität zu begegnen. Das PEPP-Programm ist ein Beispiel für eine current-looking policy. Diese current-looking policy reduziert die Votalität der Inflation und der Output gap (Produktionslücke) im Gegensatz zum forward-looking policy in Krisenzeiten (Belke und Klose 2011; De Grauwe und Ji 2020). Das Programm sieht Ankäufe von privaten sowie öffentlichen Schulden vor. Grundsätzlich erfolgen die Ankäufe von Anleihen nach den Kapitalschlüsseln der nationalen Zentralbanken. Dennoch sollen die Ankäufe im PEPP auf eine flexible Art und Weise erfolgen, um den unterschiedlichen Auswirkungen gerecht zu werden (EZB 2020). Dadurch kann das PEPP-Programm als ein zweites „Whatever it takes“ interpretiert werden. Welche Auswirkungen hat das PEPP-Programm auf die zukünfitge Preisniveaustabilität sowie die Unabhängigkeit der EZB? Im Falle des Preisniveau besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer hohen Inflation. Zum Beispiel müsste der Verschuldungsgrad mehrerer Länder, um mehr als 30% zum BIP ansteigen oder die neutrale Zinsrate einen starken Anstieg verzeichnen. Ein weiteres Szenario für das Eintreten einer hohen Inflation, wäre die Dominanz der Fiskalpolitik über die Geldpolitik z.B. in Form von hohen Haushaltsdefiziten. Dieses Szenario ist aufgrund des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unwahrscheinlich. Stattdessen sollte sich Europa mit dem Szenario einer möglichen Deflation (Blanchard 2020) sowie negativen nominalen Zinssätzen beschäftigen (Lilley und Rogoff 2020). Im Zuge des PEPP-Programms kann es zu einer Vermischung zwischen der Bereitstellung an Liquidität und der Garantie der staatlichen Solvenz (Vihriälä[ a ] 2020) kommen.

Pandemic Crisis Support-Instrument (PCSI)

Am 14 Mai billigte der Deutsche Bundestag die Zustimmung zum PCSI im Gouverneursrat des ESM. Dieser einigte sich am 15. Mai auf Kreditlinien aus dem „Europäischen Stabilitätmechanismus (ESM)“. Diese Kreditlinien im Rahmen des PCSI sollen bis zum Ende der Coronakrise zur Verfügung stehen. Jedes EU-Mitgliedsland kann bis zu 2 Prozent seines BIPs oder maximal bis zu 240 Mrd. Euro beantragen. Die Zulassungskriterien für die Kredite erfolgen bei solider finanzieller Situation gemäß den ESM-Richtlinien über die „Precautionary Conditioned Credit Line“ oder über die neue „Enhanced Conditions Credit Line (ECCL)“ für EU-Länder, die nicht alle ESM-Richtlinien erfüllen. Die Bewertung erfolgt durch die KOM, EZB und den ESM. Die vorgesehene Laufzeit der Finanzhilfe beträgt 10 Jahre. Die einzige Bedingung: Die Kredite müssen zur Finanzierung von gesundheitspolitischen Maßnahmen, direkten oder indirekten Kosten der Folgen der Coronakrise verwendet werden. Diese Kosten müssen bei der Beantragung im „Template for the Response Plan“ für 2020 sowie 2021 geschätzt werden (Zoppe und Dias 2020). Eventuelle Kreditausfälle müssten über das eingezahlte Kapital, Reservefonds, des EMS finanziert werden. Darüber hinaus erhöhen die beantragten PCSI-Kredite die finanzielle Last der Haushalte und könnten die wirtschaftliche Lage des betroffenen Landes verschlimmern statt zu stabilisieren (Ceccetti und Schoenholtz 2020). Hier wird das Fehlen einer Fiskalunion offensichtlich. 

SURE-Programm

Das SURE-Programm verfügt über ein Volumen von 100 Milliarden Euro und dient zur Finanzierung von Kurzarbeit oder ähnlichen Maßnahmen, um Arbeitsplätze oder die Selbstständigkeit durch die Coronakrise zu sichern. Die Finanzierung erfolgt durch die Bereitstellung von Krediten seitens der Mitgliedsstaaten (Europäische Kommission 2020b). Das SURE-Programm ist wichtig, denn die in in der Finanzkrise von 2008 angemessenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen haben zu einer hohen Unternehmensverschuldung geführt (Danielsson et al. 2020). Dennoch müssen sich die Beiträge der Mitglieder erhöhen sonst könnte das SURE-Programm aufgrund fehlender finanzieller Mittel austrocknen (Bénassy-Quéré et al. 2020). Einerseits bedarf es einer Budgeterhöhung, anderseits einer längerfristigen Fokussierung auf die kontaktintensiven Branchen anstelle der Weiterverfolgung des aktuellen Gießkannenprinzipes. Branchen wie z.B. die Gastronomie können nur unter Auflagen können, was sich längerfristig negative auf die Einnahmen sowie die Löhne der ArbeitnehmerInnen auswirkt (Koren und Peto 2020; Carvalho et al. 2020).

Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB)

Der Eingerichte Garantiefonds der EIB für KMUs wird mit einem Gesamtvolumen von 25 Mrd. Euro an Haushaltsgarantien versehen, um damit rund 200 Mrd. Euro an Liquidität zu mobilisieren (EIB 2020). Bis jetzt ist über die Länge der Haushaltsgarantien nichts bekannt. Langfristige Haushaltsgarantien z.B. von 10 Jahren wären aber ein wichtiges Signal an die Marktakteure, um das Vertrauen in den wirtschaftlichen Erholungsprozess zu stärken (Baldwin 2020). Der zu frühe Wegfall der Garantien, auch auf nationaler Ebene, könnte zu einer zögerlichen Kreditvergabe seitens der Banken an angeschlagene Unternehmen führen (Gobbi et al. 2020) und dadurch den Erholungsprozess gefährden (Hysteresisgefahr). Darüber hinaus würden sich längere Rückzahlungskonditionen stabilisierend auf die Unternehmensbilanzen auswirken. Damit die Unternehmen wieder auf ein finanzielles Niveau wie vor Corona gelangen und die Kredite nicht zu einer großen Last mit Blick auf das Kerngeschäft sowie die Investitionsvorhaben werden. Auch hier stellt sich die Frage, nach der Eignung des Programmes für kontaktintensive Branchen wie z.B. die Tourismusbranche. Zum Beispiel könnte eine europäische Treuhandanstalt diese Unternehmen finanziell stützen, um Insolvenzwellen sowie staatliche finanzielle Überlastungen von Sozialsystemen zu verhindern.

Eine europäische Coronateststrategie

Am 15. April präsentierte die KOM Leitlinien für Coronatests in Europa. Diese Leitlinien sollen die Mitgliedsstaaten bei Ihren Öffnungsstrategien unterstützen, damit sich die wirtschaftliche Erholung nicht zum Trade-off zwischen einer zu schnellen Öffnung im Sinne der Wirtschaft und dem Schutz der Menschen entwickelt oder in einen erneuten Shutdown endet. Diese Leitlinien beinhalten den Aufbau von Coronavirus-Referenzlaboratorien, Koordinierung von Angebot und Nachfrage sowie die gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstung (Europäische Kommission 2020c). In den vorgeschlagenen Leitlinien fehlt es bislang an einer gemeinsamen Teststratgie oder einer „Anleitung“ ab wann getestet wird oder nicht. Das ist überraschend, wo doch die Fragilität des Erholungsprozesses bekannt sein dürfte. Weiterhin sprechen sich die Leitlinien für die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten aus, dennoch ist die Finanzierung von Coronatests eine nationale Angelegenheit. Obwohl wirtschaftlich starke Mitgliedsstaaten am meisten von einem flächendeckenden Testverfahren in Europa profitieren würden.

Ausblick

Die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus setzten die nationalen Wirtschaften unter Druck und entwickeln sich zu einer Herausforderung für die Demokratie und die europäische Solidarität. Die europäische Antwort lässt keinen Zweifel daran, dass viel unternommen wird, damit es weder zu einer tief greifenden Rezession, noch zu einer Abschaffung der Gemeinschaftswährung kommt. Dennoch sollte ein Trade-off zwischen zu schneller Öffnung im Sinne der Wirtschaft und dem Schutz der Menschen vermieden werden. Dies gelingt am besten durch eine europaweit koordinierte Corona-Teststrategie. Die Coronakrise bietet auch Chancen oder wie es der ehemalige Kommissionspräsident Walter Hallstein formulierte: Integration durch Krise – je schlimmer, desto besser. Maßnahmen wie das PCSI bieten eine Grundlage für die Weiterentwicklung zu einer Fiskalunion, um regionale Schocks besser abzufedern (Ceccetti und Schoenholtz 2020), aus dem SURE-Programm könnte langfristig eine europäische Arbeitslosenversicherung (Vandenbroucke et al. 2020) entspringen. Die aktuelle Coronakrise könnte sich zum besagten „Hallsteinischen Integrationstreiber“ entwickeln.

Baldwin, R. (2020),“The supply side matters: Guns versus butter, COVID-style”, VoxEU.org 22. March. https://voxeu.org/article/supply-side-matters-guns-versus-butter-covid-style[ b ]

Belke, A and J Klose (2011), “Does the ECB rely on a Taylor rule during the financial crisis? Comparing ex-post and real time data with real time forecasts”, Economic analysis and policy, 41(2):147-171.

Bénassy-Quéré, A. et al. (2020), “COVID-19 economic crisis: Europe needs more than one instrument”, VoxEU.org, 21 March. https://voxeu.org/article/covid-19-economic-crisis-europe-needs-more-one-instrumen[ c ]

Blanchard, O. (2020), “Is there deflation or inflation in our future?”, VoxEU.org 24. April. https://voxeu.org/article/there-deflation-or-inflation-our-future[ d ]

Bundesfinanzministerium (BMF) 2020a.“Videokonferenz der Eurogruppe vom 16. März 2020“, 16. April.https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-03-16-erklaerung-eurogruppe.html?nn=ca3b3623-602e-4621-9045-c57d8d3bec51

Bundesfinanzministerium (BMF) 2020b. “ Europäische Antwort auf Corona“ April. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-03-27-eurogruppe-rat.html[ e ]

Carvalho, V. et al. (2020), „Tracking the COVID-19 crisis through the lens of 1.4 billion transactions. VoxEU.org 27. April. https://voxeu.org/article/tracking-covid-19-crisis-through-transactions[ f ]

Ceccetti, S., und Schoenholtz, K. 2020.“ The euro area in the age of COVID-19”, VoxEU.org 22. Mai. https://voxeu.org/article/euro-area-age-covid-19[ g ]

Danielsson, J. et al (2020), „Die Corona-Krise wird keine zweite Grosse Rezession“, Ökonomenstimme, 2 April. https://www.oekonomenstimme.org/artikel/2020/04/die-corona-krise-wird-keine-zweite-grosse-rezession

De Grauwe, P and Y Ji (2020), “Should Central Banks Be Forward-Looking”, CEPR Discussion Paper 14540.

Europäische Investitionsbank (EIB) 2020. “ Coronavirus-Ausbruch: Antwort der EIB-Gruppe“, 16. April. https://www.eib.org/de/about/initiatives/covid-19-response/index.htm[ h ]

Europäische Kommission 2020a. “Zeitleiste der EU-Maßnahmen“, 26. März. https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/timeline-eu-action_de[ i ]

Europäische Kommission 2020b. A European instrument for temporary Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency (SURE), 2. April. https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/economic-and-fiscal-policy-coordination/eu-financial-assistance/loan-programmes/sure_en[ j ]

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Gobbi, G. et al. (2020), “Unintended effects of loan guarantees during the Covid-19 crisis”, VoxEU.org, 15 April. https://voxeu.org/article/unintended-effects-loan-guarantees[ m ]

Koren, M., und Peto, R., 2020.“ It’s retail stores and restaurants, not farms and fisheries, that suffer most from social distancing”, VoxEU.org 29. April. https://voxeu.org/article/it-s-retail-stores-and-restaurants-not-farms-and-fisheries-suffer-most-social-distancing?fbclid=IwAR1vDj2qMkp9b0xxUoFZArJ2yTcmcb4FkFCYSrLXcUZY0Sn_0VY6z5dkXWs[ n ]

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Zoppe, A., und Dias, C. 2020. “The ESM Pandemic Crisis Support”, 19. Mai. https://www.europarl.europa.eu/thinktank/de/document.html?reference=IPOL_BRI(2020)651350[ r ]

©KOF ETH Zürich, 2. Jun. 2020

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