Wohnungsnot ist eher Zeichen eines Staats- als eines Marktversagens. Enteignungen können keine Lösung dafür sein – sondern eher, rasch mehr Bauland verfügbar zu machen. In den letzten Wochen wurde deutschlandweit gegen den „Mietenwahnsinn“ demonstriert. Zudem startete in Berlin eine Unterschriftenaktion für ein Volksbegehren. Ziel der dortigen Initiative ist es, Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu «vergesellschaften» (https://www.welt.de/regionales/berlin/article191096257/SPD-legt-sich-bei-Enteignung-nicht-fest-Oppositionskritik.html?wtrid=onsite.onsitesearch). Als würde eine Enteignung von Wohnungseigentum zu günstigerem Wohnraum für Wohnungssuchende führen. Wird nicht so sein! Im Gegenteil: „Enteignungen schaffen neue Probleme“, so urteilt Berlins regierender
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Wohnungsnot ist eher Zeichen eines Staats- als eines Marktversagens. Enteignungen können keine Lösung dafür sein – sondern eher, rasch mehr Bauland verfügbar zu machen.
In den letzten Wochen wurde deutschlandweit gegen den „Mietenwahnsinn“ demonstriert. Zudem startete in Berlin eine Unterschriftenaktion für ein Volksbegehren. Ziel der dortigen Initiative ist es, Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu «vergesellschaften». Als würde eine Enteignung von Wohnungseigentum zu günstigerem Wohnraum für Wohnungssuchende führen. Wird nicht so sein! Im Gegenteil: „Enteignungen schaffen neue Probleme“, so urteilt Berlins regierender SPD-Bürgermeister Michael Müller. Und damit hat er rundum recht.
Wohnungsnot ist eher Folge eines Staatsversagens und weniger Zeichen eines Marktversagens. Sie hat ihre Ursachen darin, dass ganz offenbar in den letzten Jahren in den deutschen Großstädten die Nachfrage nach Wohnraum stärker gestiegen ist als das Angebot von Wohnraum. Wichtigste Treiber des zunehmenden Wohnbedarfs finden sich in veränderten gesellschaftlichen Verhaltensweisen. Es gibt heute deutlich mehr Haushalte mit spürbar weniger Personen als vor zwanzig Jahren. [ a ]
1991 gab es 35,3 Millionen private Haushalte in Deutschland, 2017 jedoch bereits 41,3 Millionen – ein sattes Plus von 17 Prozent. Dabei hat vor allem die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte enorm zugenommen, nämlich um 46 Prozent. Entsprechend ist die Anzahl Personen pro Haushalt (durchschnittliche Haushaltsgröße) von knapp drei in den 1950er Jahren auf 2,3 zu Zeiten der Wiedervereinigung und auf 2,0 heutzutage gesunken. Ein Trend, der nach Vorausberechnungen des statistischen Bundesamtes anhalten wird, bis in den 2030er Jahren durchschnittlich nur noch 1,9 Personen pro Haushalt leben werden.
Flucht vom Lande in die Grossstädte
Mit der Vermehrung und Verkleinerung der Haushalte ging eine Vergrößerung der Wohnfläche einher. Die heutigen Generationen leisten sich weit mehr Wohnraum als ihre Vorgänger. So stieg der durchschnittliche Wohnraum je Person von 35 Quadratmeter zu Beginn der 1990er Jahre auf 41 Quadratmeter Mitte der Nullerjahre und auf 46,5 Quadratmeter Ende 2017, was alleine in den letzten zehn Jahren einer Zunahme von mehr als zehn Prozent entspricht.
Schließlich trägt eine Flucht vom Lande in die Großstädte das ihre bei zu einer rapiden Zunahme der Wohnungsnachfrage in den Metropolregionen (und in gewissen Regionen einem Wohnungsleerstand in der Peripherie). München mit einer Zunahme zwischen 2005 und heute von 16 Prozent, gefolgt von Frankfurt (+15 Prozent) und Berlin (+11 Prozent) sind dabei ganz besondere Magnete. „Die in demselben Zeitraum zu beobachtende überdurchschnittliche Verteuerung von Wohnimmobilien und der starke Anstieg der Mieten in diesen Städten könnten demnach zu einem großen Teil auf eine demografisch bedingte Ausweitung der Nachfrage nach Wohnraum zurückgeführt werden“, fasst der Sachverständigenrat in seinem aktuellen Jahresgutachten[ b ] prägnant die Situation zusammen.
Während also die Nachfrage nach Wohnraum durch gesellschaftliche und demografische Kräfte getrieben deutlich zunahm, und es die ökonomische Prosperität der letzten zehn Jahre vielen ermöglichte, mehr Platz auch finanzieren zu können, ging es mit dem Angebot neuen Wohnraums nicht so dynamisch voran. Eine über den langfristigen Trend hinausgehende Angebotsausweitung ist nicht erkennbar, auch wenn vielerorts eine andere Wahrnehmung dominiert. „Die Bautätigkeit in den Großstädten legt eher das Gegenteil nahe“, stellt der Sachverständigenrat nüchtern fest: Trotz einer deutlichen Ausweitung liegen Baugenehmigungen, Baufertigstellungen und Auftragseingänge im Wohnungsbau noch immer merklich unter den Höchstwerten der ersten Hälfte der 1990er-Jahre. Die seit Anfang der 2000er Jahre in der Baubranche beobachtbare Kapazitätsauslastung und die Begrenztheit von Bauland hemmen unverändert eine stärkere Ausweitung der Bauaktivität.
Mit kürzeren Genehmigungsverfahren Bauland verfügbar machen
Wenn die Nachfrage rascher als das Angebot zunimmt, dann müssen die Mieten steigen, was verständlicherweise von vielen als Wohnungsnot bewertet wird. Höhere Mieten machen auf der einen Seite das Bauen für Investoren attraktiver. Und sie dämpfen auf der anderen Seite die Nachfrage in den Zentren. Natürlich verursachen höhere Kosten fürs Wohnen schwerwiegende sozialpolitische Konsequenzen, weil die Miete für die meisten Haushalte die größte Ausgabenkomponente darstellt. Steigende Mieten führen somit rasch zum gesellschaftlichen Notstand, wenn sich weniger wohlhabende Personen die teureren Wohnungen nicht (mehr) leisten können. Enteignungen helfen jedoch in keiner Weise weiter und sind genau deshalb der komplett falsche Ansatz, weil sie das Wohnungsangebot verringern statt ausweiten.
Klüger, als den Wohnungsmarkt noch einmal mit mehr staatlichen Eingriffen außer Kraft zu setzen, ist es, mit verkürzten Genehmigungsverfahren rasch mehr Bauland verfügbar zu machen. Zu prüfen ist, wann und wie gegebenenfalls mit einer Grundsteuer auf unbebautem Bauland ein Horten von Grundstücken ohne Bauabsicht und lediglich in Erwartung einer Wertsteigerung weniger attraktiv gemacht werden könnte. Eine Fülle baurechtlicher Vorschriften sowie behördlicher Verfahrens- und Planungsschritte müssten so angepasst werden, dass sich beschleunigt bauen ließe. Schließlich sollte mehr getan werden, damit mehr Haushalte als heute sich ein Eigenheim finanzieren könnten. Neben steuerlichen Anreizen gehört hierfür ein Abbau abschreckender Transaktionen – wie beispielsweise der Grunderwerbssteuer - ganz oben auf die wohnungspolitische Agenda.
Das Auseinanderlaufen von stark zunehmender Wohnungsnachfrage und nur schwach ausgeweitetem Angebot deutet auf ein Staatsversagen hin. Noch mehr Staat oder gar eine Vergesellschaftung von Wohneigentum verstärkt die Probleme. Das heißt nicht, dass es komplett ohne Staat geht. Der Staat hat bei der Wohnungspolitik wichtige Pflichten. Einerseits muss er für einen funktionierenden Wohnungsmarkt und damit mehr Dynamik beim Wohnungsbau sorgen. Andererseits hat er korrigierend einzugreifen, wenn Ärmere sich das Wohnen nicht mehr leisten können. Diese Aufgabe sollte der Staat jedoch nicht durch eine Außerkraftsetzung des Wohnungsmarkts wahrnehmen. Das schadet den Ärmeren mehr, als es ihnen nützt.
Zielführender ist es, Haushalte mit niedrigem Einkommen durch Wohngeld finanziell zu unterstützen. Mit direkter Hilfe löst man zwar nicht alle Probleme und werden eine Reihe neuer geschaffen. Aber Wohngeld ist und bleibt die beste aller Maßnahmen – um Dimensionen effektiver und effizienter als Eingriffe in den Preismechanismus oder Enteigungen von Wohneigentum.
Dieser Beitrag ist vor Kurzem in der „Welt“[ c ] erschienen.
©KOF ETH Zürich, 30. Apr. 2019