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Regulierung der Telekommunikation – Die Schweiz macht es besser

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Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Breitbandnetzes hat die Schweiz aus den Erfahrungen der EU gelernt und auf unnötige neue Regulierungen verzichtet. Die laufende Leistungssteigerung drahtgebundener Breitbandnetze durch immer näher an die Kunden geführte Glasfaserleitungen geht mit massiven Investitionskosten und kommerziellen Risiken einher. Von zentraler Bedeutung sind deshalb ordnungspolitische Rahmenbedingungen ohne regulatorische Zusatzrisiken, damit die Investitionsanreize etablierter und neuer Netzbetreiber nicht unterminiert werden. Angesichts des politisch gewünschten flächendeckenden Ausbaus mit modernsten Hochbreitbandnetzen fragt sich insbesondere, ob regulierter Zugang zu diesen Netzen Investitionen in dieselben beeinträchtigt oder begünstigt. Diese Frage war

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Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Breitbandnetzes hat die Schweiz aus den Erfahrungen der EU gelernt und auf unnötige neue Regulierungen verzichtet.

Die laufende Leistungssteigerung drahtgebundener Breitbandnetze durch immer näher an die Kunden geführte Glasfaserleitungen geht mit massiven Investitionskosten und kommerziellen Risiken einher. Von zentraler Bedeutung sind deshalb ordnungspolitische Rahmenbedingungen ohne regulatorische Zusatzrisiken, damit die Investitionsanreize etablierter und neuer Netzbetreiber nicht unterminiert werden. Angesichts des politisch gewünschten flächendeckenden Ausbaus mit modernsten Hochbreitbandnetzen fragt sich insbesondere, ob regulierter Zugang zu diesen Netzen Investitionen in dieselben beeinträchtigt oder begünstigt. Diese Frage war in der EU seit der Liberalisierung 1998 bis zur jüngsten Revision des Europäischen Rechtsrahmens immer wieder Gegenstand kontroverser Debatten. Als Ausfluss davon wurde vor kurzem ein umfangreiches Richtlinienpaket festgelegt („Kodex“; Europäische Kommission, 2018). Auch in der Schweiz kam es in den letzten Jahren bei Revisionen des Fernmeldegesetzes (FMG) wiederholt zu Debatten um die Notwendigkeit einer Zugangsregulierung bei den Breitbandnetzen neuester Generation. Im Gegensatz zum EU-Kodex, der nur zaghafte Deregulierungsschritte aufweist und insbesondere an umfangreichen Regulierungen von neu gebauten, glasfaserbasierten Netzen festhält (Briglauer et al., 2017), hat sich das Schweizer Parlament anlässlich der in der vergangenen Frühjahrssession verabschiedeten Revision des Fernmeldegesetzes gegen eine solche Zugangsregulierung auf neue, glasfaserbasierte Anschlüsse ausgesprochen.

Zugangsregulierungen beeinflussen Investitionen negativ

Die schweizerische Lösung dürfte klar besser sein. Denn ein Blick auf die einschlägige empirische Literatur (vgl. die aktuellen Übersichten in Briglauer et al., 2017; 2018a) zeigt eindeutig, dass eine höhere Regulierungsintensität mit niedrigeren Anreizen für Investitionen in glasfaserbasierte Infrastrukturen einhergeht. Dieser Befund bezieht sich besonders auf Zugangsverpflichtungen, die auf den jeweils neuesten wie auch auf älteren Breitbandnetzen asymmetrisch, d.h. nur den im betreffenden Markt als marktmächtig erachteten Unternehmen auferlegt wurden. Letztere müssen Konkurrenten auf Vorleistungsebene zu regulierten Preisen und Konditionen Zugang zu ihren Netzen gewähren, auch zur jeweils neuesten Netzgeneration. In der Schweiz gilt hingegen eine solche Zugangsregulierung erst seit 2007 und ist und bleibt auf die älteren, kupferbasierten Netze von Swisscom beschränkt. Tatsächlich sind die Pro-Kopf-Investitionen der schweizerischen Telekommunikation seit Jahren deutlich höher als diejenigen ihrer europäischen Nachbarn.

Investitionshemmende Effekte sind grundsätzlich auch von symmetrischen Regulierungen - etwa von Mitverlegungsverpflichtungen oder Mitbenutzungsrechten - zu erwarten. Diese werden im Unterschied zu asymmetrischen Verpflichtungen allen Infrastrukturbetreibern unabhängig von ihrer Marktstellung mit dem Ziel auferlegt, die Gesamtkosten des Netzausbaus zu senken. Den mit potenziell niedrigeren Ausbaukosten einhergehenden positiven Investitionsanreizen stehen aber negative Investitionsanreize aufgrund der höheren Regulierungsintensität gegenüber. Symmetrische Regulierungen tendieren offensichtlich zu hoher Intensität, da sie praktisch alle essenziellen Infrastrukturelemente aller Infrastrukturanbieter zum Gegenstand haben können. Daraus ergeben sich hohe Regulierungs- und Transaktionskosten für die vielen betroffenen Marktteilnehmer, die niedrigen Ausbaukosten zuwiderlaufen.

Regulierung führt zu noch mehr Regulierung

Zusätzliche Regulierungen und Regulierungskosten ergeben sich aufgrund von Pfadabhängigkeiten. In der aktuellen Literatur (Briglauer et al., 2018b) finden sich signifikante statistische Hinweise dafür, dass die Wahrscheinlichkeit der Auferlegung von Zugangsverpflichtungen zu neuen Netzen mit der Intensität der bestehenden Regulierung des Zugangs zu älteren Netzen zunimmt. Dieser Zusammenhang, der sich politisch-ökonomisch erklären lässt, ist im Allgemeinen mit Ineffizienzen verbunden, da gegenwärtige und künftige Regulierungsnotwendigkeiten sicher nicht aus der Regulierung der Vergangenheit abgeleitet werden können. Vielmehr müssen sie zukunftsgerichtet im Hinblick auf effektives Marktversagen und die Effizienzziele der Regulierung nachgewiesen werden. Die Erweiterung der Zugangsregulierung auf Netze neuester Generationen wäre in der Folge nur dann zu rechtfertigen, wenn es ansonsten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Marktversagen käme und in absehbarer Zukunft dauerhafte strukturelle Wettbewerbsprobleme zu erwarten wären.

Auch in anderen Bereichen der Telekommunikation gab es offenbar starke institutionelle (politisch-ökonomische) Anreize zur Ausweitung der Regulierung, trotz hinreichend wirksamen Wettbewerbs und statt der effektiv angebrachten Deregulierung. Festnetz- und Mobilfunktelekommunikation haben sich seit der Marktliberalisierung von ehemals monopolistisch geprägten Kommunikationsmärkten zu kompetitiven, dynamischen und innovativen Sektoren der Wirtschaft entwickelt. Trotzdem hat deren Regulierungsumfang in der EU nicht abgenommen. Zwar kam es zu einer gewissen Reduktion bei den Zugangsverpflichtungen durch Reduzierung der Anzahl regulierungsrelevanter Kommunikationsmärkte, doch stand dieser Deregulierung einerseits eine gegenläufige Entwicklung bei symmetrischen Verpflichtungen entgegen; und andererseits ergab sich bei den verbleibenden asymmetrischen Verpflichtungen zwischenzeitlich ein hoher Komplexitätsgrad, dem mit immer stärker ausdifferenzierten technischen Annexregulierungen begegnet worden ist (Bertschek et al. 2016).

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der Vorstoß der Europäischen Kommission zur Erzwingung genereller Netzneutralität und zur Regulierung des Roamings im Mobilfunk (Europäische Kommission, 2015). Die Eingriffskomplexität und -intensität ist in diesen beiden Anwendungsbereichen sehr hoch. Besonders bedenklich ist aber, dass diesen Regulierungen keine zwingende Evidenz und offenkundige regulierungsökonomische Rationalität zugrunde liegt (kein Marktversagen).

Kluger Entscheid der Schweizer

Schon vor den Beratungen des Schweizer Parlaments zur aktuellen FMG-Revision mit der vom Bundesrat beantragten Kompetenz zur Erweiterung der Zugangsregulierung auf Netze der neuesten Generation hat sich der Verfasser damit in einem öffentlichen Beitrag befasst, „Was die Schweiz vermeiden sollte“ (Basler Zeitung, 4. April 2018). Tatsächlich - und eher überraschend - wurde nun diese Erweiterung im Nationalrat deutlich, im Ständerat knapp abgelehnt. Durchaus weitsichtig haben die beiden Räte stattdessen eine Bestimmung ins Gesetz aufgenommen, wonach der Bundesrat dem Parlament fortan im Dreijahresrhythmus über den Stand des Wettbewerbs und den allfälligen zusätzlichen Regulierungsbedarf Bericht erstatten muss. Die Mehrheit der Parlamentarier scheint aus den (negativen) Erfahrungen der EU mit ihrer zu umfangreichen und zu intensiven Zugangsregulierung gelernt zu haben, dass die beste „Förderung“ von Hochbreitbandinvestitionen in der Schweiz zur Zeit nach wie vor darin besteht, auf die Einführung einer weiteren Regulierung schlicht zu verzichten. Damit wurde der Investitionsschutz für Swisscom und andere Netzinvestoren erhöht und regulatorische Risiken minimal gehalten. Angesichts der bereits in den Vorjahren im internationalen Vergleich erreichten Spitzenposition der Schweiz bei den Netzinvestitionen mit dem Ergebnis einer nahezu flächendeckend lückenlosen und qualitativ hervorragenden Breitbandversorgung, kann für die kommenden Jahre eine Fortschreibung dieser positiven Entwicklung erwartet werden.

Bertschek, Irene, Wolfgang Briglauer, Kai Hüschelrath, Jan Krämer, Stefan Frübing, Reinhold Kesler und Marianne Saam (2016), Metastudie zum Fachdialog Ordnungsrahmen für die Digitale Wirtschaft, BMWi, Berlin.

Briglauer, Wolfgang, Carlo Cambini und Grajek, Michal. (2018a). Speeding Up the Internet: regulation and Investment in the European Fiber Optic Infrastructure. International Journal of Industrial Organization 61, 613-652.

Briglauer, Wolfgang, Enrico Maria Camarda und Ingo Vogelsang (2018b). Path Dependencies versus Efficiencies in Regulation: Evidence from "Old" and "New" Broadband Markets in the EU. ZEW Discussion Paper No. 18-051.

Briglauer, Wolfgang, Carlo Cambini, Thomas Fetzer und Kai Hüschelrath (2017). The European Electronic Communications Code: A Critical Appraisal with a Focus on Incentivizing Investment in Next Generation Broadband Networks. Telecommunications Policy 41 (10), 948-961.

Europäische Kommission (2015). Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union, Brüssel.

©KOF ETH Zürich, 4. Apr. 2019

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