Die Frage, ob Zentralbanken Kryptowährungen einführen sollen oder nicht, gewinnt an Bedeutung. Dieser Beitrag zeigt, dass die flächendeckende Einführung mit einem hohen Risiko verbunden wäre, allerdings könnte es durchaus sinnvoll sein, eine Kryptowährung im Rahmen kleinerer Experimente zu testen. Die grosse Aufmerksamkeit, die verschiedene, privat ausgegebene Kryptowährungen – allen voran Bitcoin – erfahren haben, hat längst auch die Zentralbanken erreicht.[ 1 ] Es stellt sich nämlich die Frage, ob eine Zentralbank wie die Schweizerische Nationalbank selbst eine Kryptowährung ausgeben sollte? Verschiedene Zentralbanken haben angekündigt, diese Frage ernsthaft zu prüfen, und erwägen, selbst eine solche Kryptowährung auszugeben. Bevor diese Frage jedoch überhaupt geklärt werden
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Die Frage, ob Zentralbanken Kryptowährungen einführen sollen oder nicht, gewinnt an Bedeutung. Dieser Beitrag zeigt, dass die flächendeckende Einführung mit einem hohen Risiko verbunden wäre, allerdings könnte es durchaus sinnvoll sein, eine Kryptowährung im Rahmen kleinerer Experimente zu testen.
Die grosse Aufmerksamkeit, die verschiedene, privat ausgegebene Kryptowährungen – allen voran Bitcoin – erfahren haben, hat längst auch die Zentralbanken erreicht.[ 1 ] Es stellt sich nämlich die Frage, ob eine Zentralbank wie die Schweizerische Nationalbank selbst eine Kryptowährung ausgeben sollte? Verschiedene Zentralbanken haben angekündigt, diese Frage ernsthaft zu prüfen, und erwägen, selbst eine solche Kryptowährung auszugeben.
Bevor diese Frage jedoch überhaupt geklärt werden kann, muss man definieren, was eine solche Währung, zum Beispiel in der Schweiz, überhaupt sein könnte. Zuerst kann sie natürlich nur eine weitere Form des Schweizer Frankens als gesetzliches Zahlungsmittel sein, und deshalb nennen wir sie "Kryptofranken". Sie würde aber im Unterschied zu Banknoten nur digital existieren, und Transaktionen würden in neuesten Formen von dezentralen Kontenbüchern (Blockchains), die Teilnehmern des Netzwerks Schreib- und Leseberechtigungen erlauben, geführt und verifiziert werden.
Inzwischen gibt es nach der Blockchain für Bitcoin neue Protokolle und Algorithmen für dezentrale Transaktionsregister, mit denen in kurzer Zeit eine Vielzahl von Transaktionen manipulationsfrei abgewickelt und verifiziert werden kann. Daher ist technisch eine von der Zentralbank ausgegebene Kryptowährung grundsätzlich möglich. Viele Designfragen wie zum Beispiel die Bestimmung des Kreises der Marktteilnehmer, welcher Transaktionen verifizieren kann, Transparenzanforderungen und ob Zinszahlungen auf der Geldhaltung und Schuldverschreibungen basierend auf der Kryptowährung ermöglicht werden sollen, müssen natürlich genau geklärt werden.
Soll es nun eine Zentralbank wagen, Kryptowährungen einzuführen, und was könnte man sich davon versprechen? Für die Überlegung rufen wir in Erinnerung, dass das heutige Geld – in seiner engsten Definition – aus Banknoten und Bankeinlagen besteht. Die jederzeit fälligen Bankeinlagen sind dabei der weitaus wichtigere Teil und sie haben in der Schweiz einen Umfang von über 500 Milliarden. Bankeinlagen sind bereits eine Form von Geld in digitaler Form. Allerdings sind sie einfach Forderungen der Marktteilnehmer auf Banknoten und werden durch die Geschäftsbanken im Rahmen der Kreditvergabe erzeugt.
Banknotenersatz
Der nächstliegende Ansatz wäre, den Kryptofranken als Ersatz für Banknoten anzubieten. Wie die Erörterungen der letzten Jahre ergeben haben, kann es keineswegs darum gehen, die Banknoten zu verbieten und durch Kryptowährungen zu ersetzen. Banknoten haben Vorteile, die ein Kryptofranken nicht hätte – auch wenn er unverzinslich wie eine Banknote angeboten würde: Zahlungen mit Bargeld sind einfach und endgültig, Leistung und Gegenleistung geschehen simultan, Bargeld ist robust gegenüber technischen Fehlern und es erlaubt eine bessere Selbstkontrolle. Nur Bargeld gewährleistet absolut anonyme Zahlung und schützt somit die Persönlichkeitsrechte: unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern steht das Recht zu, eine anonyme Zahlung zu tätigen oder von einer bestimmten Zahlung abzusehen, ohne dass ihnen daraus Schaden entsteht.
Grundsätzlich könnte eine Kryptowährung helfen, auch in geeignetem Umfang Anonymität zu gewährleisten und Zahlungsvorgänge schneller abzuwickeln und die Kosten von Geldüberweisungen zu senken. Allerdings handelt es sich bei der möglichen Kosteneinsparung um Grössenordnungen, die makroökonomisch höchstens marginal ins Gewicht fallen würden, und diese könnten auch nur realisiert werden, wenn ein Kryptofranken das Reifestadium erreicht hat, was heute noch nicht absehbar ist.
Viel grundlegender wäre jedoch der Einfluss eines Kryptofrankens auf die gesamte Währungsarchitektur und insbesondere auf die Geldschöpfung der Geschäftsbanken, die Geldaggregate, die Finanzstabilität und die Geldpolitik.
Ein Kryptofranken und das verbundene Zahlungssystem würden bei entsprechendem Reifegrad zu einem engen Substitut für Einlagen bei Geschäftsbanken und die damit verbundenen Zahlungen. Damit würde auf der einen Seite das Vertrauen in das Finanzsystem gestärkt, da die Marktteilnehmer bei einem Vertrauensverlust in das Bankensystem zur Kryptowährung wechseln könnten. Auf der anderen Seite würden sich grosse strukturelle Veränderungen und neue Stabilitätsrisiken für das Bankensystem ergeben. Das Geldaggregat M1, zum Beispiel – heute zu einem kleinen Teil aus Banknoten und zu einem grossen Teil aus jederzeit fälligen Bankeinlagen bestehend – als engste Definition von Geld würde sich deutlich in der Zusammensetzung ändern, da der Kryptofranken die Banknoten, und noch mehr die Bankeinlagen, verdrängen würde. Damit würde die Rolle von Bankeinlagen, welche als Beiprodukt bei der Vergabe von Bankkrediten und damit im Geldschöpfungsprozess entstehen, womöglich deutlich verkleinert. Im Übergang zu einer neuen Währungsarchitektur mit Bargeld, Kryptofranken und Bankeinlagen würden damit disruptive Änderungen in den Finanzsystemen und in der Geldschöpfung ausgelöst, mit entsprechender Gefahr für die Stabilität des Bankensystems, da sich die Geschäftsbanken durch ihre zeitlich gebundene Kreditvergabe nicht schnell an einen raschen Rückgang der Bankeinlagen anpassen könnten. Das Bankensystem müsste sich deshalb genügend auf eine solche weitergehende Änderung der Währungsarchitektur einstellen können. Zudem müssten sich neue Formen der Kreditvergabe entwickeln, weil die traditionelle Finanzierung durch Bankkredite zurückgehen würde.
Selbstverständlich würden sich auch die Anforderungen und Wirkungen der Geldpolitik ändern. Einerseits käme neben den bisherigen geldpolitischen Instrumenten auch der Ausgabe und der Steuerung der Menge an Kryptofranken eine grössere Bedeutung zu und die Verantwortung für das Kreditangebot in der Volkswirtschaft würde stärker auf die Zentralbank verlagert. Andererseits würde die Einschätzung der Wirkung von geldpolitischen Instrumenten noch komplexer, da sich das Verhalten zwischen Kryptofranken und Bankeinlagen je nach Situation deutlich ändern kann. Ob in einer Währungsarchitektur mit Bargeld, Kryptofranken und Bankeinlagen die Geldpolitik effektiv gestaltet werden kann, ob die Informationserfordernisse dafür nicht zu gross sind und wie das Mandat und die geldpolitischen Instrumente in einem solchen Umfeld ausgestaltet werden können und sollten, ist Gegenstand aktueller Forschung – ohne dass bis jetzt daraus zu schliessen wäre, dass die neue Währungsarchitektur ein prioritäres Anliegen wäre. Im Gegenteil, es liegt weit hinter dringenden Anliegen wie der Normalisierung der Geldpolitik zurück.
Keine übereilte Einführung
Die aufgezeigten Probleme bei einer Einführung eines Kryptofrankens und vor allem die noch nicht ausreichend geklärten Fragen um die Ausgestaltung, Stabilität und Steuerung der neuen Währungsarchitektur machen es erforderlich, auf die Einführung des Kryptofrankens als gross angelegtes disruptives Experiment zu verzichten. Ein viel kleineres Experiment, in dem zum Beispiel ein Teil der Banknoten eins zu eins durch Kryptofranken ersetzt würde, ist grundsätzlich denkbar. Doch wenn das Experiment erfolgreich wäre und der Kryptofranken für das Publikum attraktiv würde, würde sich bald eine Entwicklung in Richtung des grossen Experiments einstellen, für das es heute (noch) keine ausreichende Begründung gibt. Deshalb sollte jeder Schritt in Richtung Kryptofranken wohlüberlegt sein – und sehr vorsichtig.
©KOF ETH Zürich, 4. Apr. 2018