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Accountants und Ökonomen: Einzel- oder Paartanz?

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Mit der Finanz- und Schuldenkrise wurde die oft sehr technisch verlaufende Debatte, wie staatliche Defizite, Schulden oder Vermögenswerte am besten gemessen werden (Stichwort: Kameralistik/Cash versus Doppik/Accrual), wieder in einen ökonomischen Blickwinkel gebracht. Der im Accounting vorherrschenden betriebswirtschaftlichen Perspektive wurde vermehrt eine volkswirtschaftliche Betrachtung gegenübergestellt. Dieser Beitrag geht der Frage nach, in welchem Verhältnis die beiden Disziplinen zueinanderstehen und wie sie zukünftig besser harmonisieren können. Ursprung einer Kontroverse Historisch lässt sich die gegenseitige Skepsis von Accountants und ÖkonmenInnen bereits bei Adam Smith festmachen. Für ihn ist ein Vermögenswert, was zukünftige Geldflüsse erwirtschaftet, also einem

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Mit der Finanz- und Schuldenkrise wurde die oft sehr technisch verlaufende Debatte, wie staatliche Defizite, Schulden oder Vermögenswerte am besten gemessen werden (Stichwort: Kameralistik/Cash versus Doppik/Accrual), wieder in einen ökonomischen Blickwinkel gebracht. Der im Accounting vorherrschenden betriebswirtschaftlichen Perspektive wurde vermehrt eine volkswirtschaftliche Betrachtung gegenübergestellt. Dieser Beitrag geht der Frage nach, in welchem Verhältnis die beiden Disziplinen zueinanderstehen und wie sie zukünftig besser harmonisieren können.

Ursprung einer Kontroverse

Historisch lässt sich die gegenseitige Skepsis von Accountants und ÖkonmenInnen bereits bei Adam Smith festmachen. Für ihn ist ein Vermögenswert, was zukünftige Geldflüsse erwirtschaftet, also einem “Return on Investment” entspricht. Solche Konzepte sind in der Privatwirtschaft durchaus tauglich, weil Vermögenswerte primär dazu dienen, finanzielle Mittel zu erzielen. Im öffentlichen Sektor dienen staatliche Vermögenswerte insbesondere der Erbringung staatlicher Leistungen. Das öffentliche Accounting erweitert daher das Konzept der Ertragsfähigkeit um das Dienstleistungs- oder Nutzungspotential von Vermögenswerten.

Es lässt sich feststellen, dass sich die dogmatische Perspektive auf Vermögenswerte im Laufe der Zeit auch unter Ökonomen gewandelt hat. Jüngstes Beispiel ist Thomas Piketty mit seinem Buch “Kapital im 21. Jahrhundert” und seine Überlegung, dass sich die exzessiven Staatsschulden ganz einfach durch den Verkauf bzw. durch die Privatisierung staatlicher Vermögensportfolios reduzieren liesse. Damit weicht Piketty natürlich ganz deutlich von Smith‘s Definition ab und steht sinnbildlich dafür, wie sich Erfassungs-, Bewertungs- und Nutzungskonzepte von Accounting-Informationen auch unter Ökonomen gewandelt hat. Dennoch: Dieses Beispiel soll nicht so verstanden werden, dass Accountants und ÖkonmenInnen sämtlichen konzeptionellen Differenzen ausgeräumt haben. Sie arbeiten mit unterschiedlichen Methoden und haben ein unterschiedliches Erkenntnisinteresse.

So steht für Accountants die Datenaufbereitung und -validierung (von Erfassungs- und Bewertungsgrundsätzen bis hin zur Rechnungsprüfung) im Mittelpunkt, während ÖkonmenInnen Rechnungsinformationen nutzen, um ökonomische Analysen zu erstellen. Wenngleich für ÖkonmenInnen die Qualität der “Inputdaten” relevant erscheint, ist das Qualitätsargument doch ein zweitrangiges.

Zwei eigenständige Disziplinen?

Accounting tut sich schwer, als eigenständige wissenschaftliche Disziplin wahrgenommen zu werden, wobei nicht nur die kritische Einstellung von verschiedenen ÖkonomInnen (allen voran Nobelpreisträger Paul Samuelson, mit seinem 1947 erschienen Werk “The Foundations of Economic Analysis”) daran Anteil haben, sondern vielmehr, dass sich im Gegensatz zur Ökonomie niemals dominante –über das Accounting hinausstrahlende – Theorieansätze oder gesellschaftliche Paradigmen durchsetzen konnten.

Plakativ lässt sich die philosophische Rangordnung von Ökonomie und Accounting an den Organigrammen verschiedenster Universitäten ablesen, wo Lehrstühle zu Accounting und Finance traditionell in wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten integriert bzw. untergeordnet wurden. Die organisatorische Integration der beiden “Disziplinen” hat aber nicht dazu geführt, dass grössere Spillover-Effekte zwischen beiden Bereichen erfolgt sind, zumindest nicht im Hinblick auf Curricula von Accounting-Kursen oder volkswirtschaftlichen Studiengängen. Während eine Spezialisierung aus Unternehmenssicht und in Bezug auf spezifische Berufsprofile wie TreuhänderInnen oder WirtschaftsprüferInnen durchaus Sinn macht, verhindert sie einen gemeinsamen Diskurs über volkswirtschaftliche Herausforderungen wie exzessive Staatsschulden oder der Frage, wie nachhaltige Finanzpolitik betrieben werden soll.

Normenvielfalt als Spiegelbild zweier Logiken

Die Ausdifferenzierung der beiden Ansätze hat im Public Finance dazu geführt, dass Accountants und ÖkonomInnen jeweils eigene Standards und Bezugsrahmen geschaffen haben. Dies ist insofern bedenklich, da das öffentliche Finanzmanagement von der Verbindung des jeweiligen SpezialistInnenwissen profitieren würde, um fundierte Lösungsansätze zu finden. Sinnbildlich dafür ist, dass ÖkonomInnen mit den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (z.B. GFSM 2014 oder ESA 2010) eigene, für ihre Analysezwecke „optimierte“ Datensets zur Verfügung haben. Dabei wird oft missachtet, dass die Grunddaten aus den nationalen Accounting-Systemen und Standardslink1 gewonnen werden, um dann in weiteren Schritten adjustiert zu werden, damit sie “volkswirtschaftlichen” Gesichtspunkten entsprechen.

Mythos der Komplementarität

Solche Anpassungen ergeben sich aus unterschiedlichen Erfassungs- und Bewertungskriterien von Vermögenswerten und Schulden und nicht zuletzt, einem anderen Konsolidierungskreis:

  • Die Finanzstatistik folgt einer Marktperspektive und erfasst sämtliche Einheiten, die primär von Budgettransfers anhängig sind, insbesondere sämtliche Gebietskörperschaften (in der Schweiz Bund, Kantone und Gemeinden), die Sozialversicherungen sowie nicht marktfähige staatlich kontrollierte Organisationen, wie beispielsweise Schweiz Tourismus.
  • Eine moderne öffentliche Rechnungslegung folgt dem Prinzip der wirtschaftlichen (aber nicht der rechtlichen) Kontrolle, d.h. erfasst Einheiten, wenn sie von einer öffentlichen Gebietskörperschaft kontrolliert werden. Subnationale Einheiten hingegen werden nur dann vollkonsolidiert, wenn sie durch die übergeordnete Einheit kontrolliert werden (in der Schweiz wäre dies für den Bund bzw. die Kantone nicht der der Fall im Gegensatz zu UK oder Estland).

Als ökonomische Rechtfertigung für separate Datensets wird häufig eingebracht, dass traditionelle Accounting-Informationen für volkswirtschaftliche Analysen nicht angemessen sind. Euphemistisch wird erklärt, dass sich die beiden Perspektiven nicht konkurrenzieren, sondern komplementär wirken. Obiges Beispiel zeigt, dass sich die Rechnungssysteme durchaus ergänzen können. Damit sie jedoch komplementär wirken können, ist eine Integration erforderlich.

Die Gefahr wenig integrierter Systeme ist, dass sich abweichende Defizit- oder Schuldenwerte ergeben. Dies trägt sowohl zur Verwirrung bei, als auch zu falschen Entscheidungsprämissen. Zudem ist die Aufbereitung und Aufrechterhaltung von zwei verschiedenen Berichtssystemen kostenintensiver, fehleranfälliger und teilweise verwirrender, als wenn man sich auf ein einheitliches System einigen würde.

Lehren aus der Finanzkrise

Auch die Finanzkrise hat uns vor Augen geführt, dass die Finanzstatistik für zahlreiche Fiskalrisiken blind war, wie etwa Schulden von Public Private Partnerships und Staatsunternehmen. Aufgrund ihrer Marktoperationen wird ein Grossteil nicht dem Sektor Staat zugerechnet und somit in finanzstatischen Defizit- und Schuldengrössen ausgeklammert, obwohl der Staat die rechtliche oder faktische Haftung für deren Schulden übernimmt. Im Gegensatz dazu sind sie integraler Bestandteil von konsolidierten Bilanzen nach IPSAS.link2

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist eine risikoorientierte Sichtweise – ausgedehnt auf Risiken von Staatsunternehmen – unabdingbar, weshalb die kritisierten Bilanzinformationen als Grundlage für ökonomische Analysen herangezogen werden. Ein Parallellaufen beider Systeme muss sowohl ökonomisch als auch praktisch hinterfragt werden. Als politische Hemmschwelle für eine Harmonisierung erweisen sich derzeitige Fiskalregeln, insbesondere auch im Euroraum. Beispielweise basieren die Berechnungen der Maastricht-Kriterien und des Excessive Deficit Procedure (EDP) auf der Finanzstatistik (ESA 2010), welche finanzielle Risiken von Staatsunternehmen faktisch ausklammert. Eine Harmonisierung der aktuellen Berichtssysteme hätte deshalb konkrete, wirtschaftliche Implikationen für die betroffenen Länder jenseits rein rechnerischer Korrekturen.

Fazit

Aufgrund politischer Hemmschwellen wird sich kurzfristig nichts an der Situation ändern, dass Accountants und ÖkonomInnen zwei Berichtssysteme aufrechterhalten (müssen), durchaus im Bewusstsein einer gewissen Ineffizienz, Fehleranfälligkeit und Lückenhaftigkeit mit Blick auf ganzheitliche ökonomische Beurteilungen. Allerdings ist es im Interesse der ÖkonomInnen sich stärker mit der konkreten Aussage von Accounting-Informationen auseinanderzusetzen.

Dies ist auch eine Chance für Accountants, dass deren Informationen vermehrt für ökonomische Beurteilungen genutzt werden. Gelingen kann dies, indem die Informationen besser aufbereitet, erklärt und zugänglich gemacht werden. Spätestens wenn ÖkonomInnen durch besseres Verständnis Accounting-Informationen nutzen, und die Accountants ein besseres Verständnis für die ökonomischen Analysebedürfnisse entwickelt haben, wird es gelingen diese duale “Realitäten” zu reduzieren und ein integriertes System einzuführen. Wenngleich bis dahin der Gleichschritt noch geübt werden muss, wird die Zeit kommen, gemeinsam zu tanzen.


[1] Vermehrt orientieren sich nationale Accounting-Standards an den International Public Sector Accounting Standards (IPSAS), die sich wiederum an IFRS anlehnen.

[2] In Einklang mit IPSAS wird der Bund in der Schweiz für das Jahr 2017 das erste Mal eine konsolidierte Bilanz ausweisen, und somit sämtliche Staatsunternehmen wie Swisscom, Post, SBB etc. mit sämtlichen Schulden und Vermögenswerten erfassen.

©KOF ETH Zürich, 22. Feb. 2018

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