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Vorsicht vor der Krypto-Währungen

Summary:
Krypto-Währungen sind in aller Munde. Dieser Beitrag warnt allerdings davor, dass die Krypto-Szene die rechtlichen Grundlagen des Wirtschaftssystems unterminiere. Unser Finanzsystem basiert auf Schulden. Geld ist ein sofort fälliges Guthaben gegenüber einem sehr guten Schuldner. Die Frage, ob es sich dabei um eine Zentral- oder eine Geschäftsbank handelt, kann in diesem Zusammenhang offengelassen werden. Auch ein Sichtguthaben gegenüber einer Bank ist die Schuld einer Bank, die wiederum durch ein meist pfandrechtlich abgesichertes Guthaben gegenüber einem Bankkunden abgesichert ist. Die Kryptoszene hat einen völlig anderen Geldbegriff. Auf den einschlägigen Foren findet man immer wieder Formulierungen wie diese[ a ]: "Zunächst einmal muss man verstehen, dass Geld primär eine

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Krypto-Währungen sind in aller Munde. Dieser Beitrag warnt allerdings davor, dass die Krypto-Szene die rechtlichen Grundlagen des Wirtschaftssystems unterminiere.

Unser Finanzsystem basiert auf Schulden. Geld ist ein sofort fälliges Guthaben gegenüber einem sehr guten Schuldner. Die Frage, ob es sich dabei um eine Zentral- oder eine Geschäftsbank handelt, kann in diesem Zusammenhang offengelassen werden. Auch ein Sichtguthaben gegenüber einer Bank ist die Schuld einer Bank, die wiederum durch ein meist pfandrechtlich abgesichertes Guthaben gegenüber einem Bankkunden abgesichert ist.

Die Kryptoszene hat einen völlig anderen Geldbegriff. Auf den einschlägigen Foren findet man immer wieder Formulierungen wie diese[ a ]: "Zunächst einmal muss man verstehen, dass Geld primär eine soziale Konvention ist. Sein Wert liegt im allgemein akzeptierten Wissen, dass es als Geld akzeptiert wird. Das mag wie ein Zirkelschluss klingen, aber aus einer spieltheoretischen Sicht ist die Wahrnehmung eines Tokens (Kryptowährung) als Wertaufbewahrung so lange stabil, als sie weit verbreitet ist."

Die Akzeptanz der Kryptowährungen wiederum wird dadurch befördert, dass man herkömmliches Geld als "aus dem Nichts geschöpfte" "Fiat-Geld" verunglimpft. Die Wahrnehmung von Dollar, Euro und Franken als "Fiat-Geld" hat vor allem durch die so genannte "Geldschwemme" eine breite Akzeptanz gefunden. Zwar trifft es zu, dass die Zentralbanken der EU und USA unter dem Begriff des Quantitative Eeasing und die Schweizerische Nationalbank zum Zweck der Schwächung des Frankens, die Geldmenge scheinbar beliebig ausgedehnt haben. Dabei handelt es sich aber keineswegs um Geld aus dem Nichts, sondern bloss um eine Umwandlung von bestehenden mittel- und langfristigen Schulden von (überwiegend) Staaten in kurzfristige Schulden von Zentralbanken. Letztlich sind bloss bestehende Schulden von guten Schuldnern durch einen sehr guten Schuldner (Zentralbank) verbürgt worden. Hinter jedem der aktuell rund 630 Milliarden umlaufenden Franken steckt zurzeit ein Guthaben im Wert von 1,1 Franken. Das "Nichts" sieht anders aus. Klammer: Dieser Zustand ist aus spieltheoretischer Sicht so lange stabil, als es die reiche Oberschicht nicht schafft, ihre hohen Einkommen zu verkonsumieren, bzw. die Guthaben gegen Konsumgüter zu tauschen.

Das bedeutet aber auch, dass das reichste Zehntel zunehmend damit beschäftigt ist, seine (volkswirtschaftlich gesehen fiktiven) Guthaben umzuschichten und vor allem drohenden Wertverlust zu schützen. Dabei geht es um sehr viel Geld. In der Schweiz etwa beträgt (laut CS) das Vermögen pro Erwachsenen zurzeit (2017) 540'000 Dollar. Für das reichste Zehntel dürfte der Schnitt bei etwa vier Millionen liegen.

Das ist genau das Klima, in dem die Krypto-Szene gedeiht und auch intelligente Menschen für abstruse Theorien empfänglich sind. Dazu gehört etwa der Glaube, dass Bitcoins allein deshalb mindestens genau so werthaltig seien wie Gold, weil es sich um eine (durch einen für Laien undurchschaubaren Algorithmus garantiert) limitierte Edition handelt, die zudem absolut fälschungssicher ist. Blockchain macht’s möglich. Was will man mehr?

Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass es niemandem schadet, wenn reiche Spekulanten selbst erfundenes Spielgeld untereinander austauschen. Das ist aber nicht so. Die spielerische Beliebigkeit mit dem Umgang mit Geld bleibt kein Elite-Phänomen. Vielmehr ist es so, dass das abgehobene Finanzgebahren der Superreichen und Spekulanten neues Recht schafft und altes zu mindestens stark relativiert.

Das Beispiel Tezos

Das zeigt etwa folgendes reales Beispiel: Anlässlich eines ITOs in Zug haben Anleger Bitcoins und Ethereums im Wert von (damals) 232 Millionen Dollar gegen Tezos getauscht – eine neu zu schaffende Kryptowährung, die auf einer angeblich viel ausgereifteren Blockchain beruht. Als im Oktober 2017 (wegen technischer Probleme) noch immer keine Tezos gehandelt werden konnten, sah die Rechnung der Investoren wie folgt aus: Wert der einbezahlten Bitcoins und Ether ca. 700 Millionen Dollar, Wert der (nicht) erhaltenen Tezos Null Dollars. Klar, dass die frustrierten Anleger ihr Geld zurück wollen. Zu diesem Zweck sind in den USA (bisher) zwei Sammelklagen eingereicht worden.

Inzwischen sind die Kläger von der Bitcoin Suisse, die das ITO von Tezos mitorgansiert hat, darüber aufgeklärt worden, dass sie das Geld nicht investiert, sondern gespendet haben, schliesslich handle es sich bei der Tezos um eine Stiftung. Eine Rückzahlung sei zudem auch aus "praktischen und regulatorischen Gründen nicht möglich".[ 1 ] Es gebe zudem keinerlei Hinweis darauf, dass die Gelder nicht dem Stiftungszweck entsprechend eingesetzt worden seien. "Nach unserem besten Wissen, bleibt die Tezos-Stiftung eines der am besten finanzierten Blockchain-Projekte in der Geschichte der dezentralisierten Dienste."

Für die zu Spendern degradierten Anleger dürfte diese Mitteilung überraschend kommen. Sie werden sich auch darüber wundern, dass es auf dem Finanzplatz Schweiz offenbar möglich ist, dass Stiftungen mit unklaren Angaben öffentlich zur Entgegennahme von Geld aufrufen können, und dass dieser Vorgang nicht von einer Finanzaufsichtsbehörde kontrolliert wird, sondern dass bloss die Stiftungsaufsicht darüber wacht, dass der Stiftungsrat die Gelder dem Stiftungszweck entsprechend verwendet. In den USA hat die SEC schon im Juli festgestellt, dass Tokens und Coins zumindest dann in aller Regel als Securities (Wertschriften) zu betrachten sind, wenn sie an nicht-professionelle Investoren verkauft werden. Damit ist auch klar, dass deren Emission detaillierten Vorschriften unterliegt, und von der SEC überwacht wird.

In der Schweiz hingegen ist noch alles möglich. So wird etwa gerade das Obligationenrecht neu geschrieben oder zumindest sehr eigenwillig interpretiert. Nehmen wir das Beispiel die Modum. Sie hat sich im September dieses Jahres mit einem Token Offering rund 15 Millionen Dollar kassiert und sich zu diesem Zweck mit einen White Paper an die Anleger gewandt. Darin erfährt dieser, dass Modum einen Sensor entwickelt hat, der in der Logistik von Pharmaprodukten eingesetzt wird. "Wir fokussieren uns darauf unseren Kunden in der Pharma-Logistik signifikante Kostenreduktionen zu ermöglichen."

Dass klingt so, als suche Modum Geldgeber für ein lukratives Geschäft. Zudem wird den Interessierten mit verschiedenen Formulierungen eine Dividende in Aussicht gestellt: "The board of Modum decides and declares the amount of dividends when there is a profit"." Oder: "The Modum Token is a profit share token with voting and profit participation rights."

Zumindest die Anleger aus der Schweiz sind deshalb wohl davon ausgegangen, dass sie sich mit den Modum-Tokens an einer Aktiengesellschaft beteiligen. Was sonst. Gemäss OR kann ein gemeinsames Geschäft nur in einer von acht Gesellschaftsformen organisiert werden und das Wort Dividende passt am ehesten zu einer Aktiengesellschaft. Im White Paper wird die Frage nach der Gesellschaftsform jedoch noch nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet. Das ist kein Zufall. Für die Crypto-Fans öffnet sich durch die Blockchain-Technologie eine neue Welt. In der Szene gibt es dafür den Begriff der dezentralisierten autonomen Organisation. Die Möglichkeiten dieser DAOs, so die Philosophie, müssten erst einmal ausgelotet werden, bevor man allenfalls regulieren könne. Die Crypto-Anarchisten stellen sich deshalb auf den Standpunkt, dass die alten Regulierungen in der neuen Welt der DAO nicht gelten.

Weil dies offenbar nicht allen Beteiligten klar ist, wird in den "Terms of Token Sales" der Modum minutiös aufgelistet, welche Regulierungen für diese Transaktion nicht gelten. Insbesondere wird der Schweizer Kundschaft zur Kenntnis gebracht, dass man sich nicht der Aufsicht der FINMA unterstellt, und dass die Artikel 652a und 1156 des Obligationenrechts betreffend Prospektpflicht nicht anwendbar sein. Bewohnern der USA wird der Erwerb von Modum-Tokens vorsichtshalber gleich verboten. Man hat aus den Erfahrungen von Tezos gelernt.

Was macht die Aufsichtsbehörde?

Was sagt die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA zu dieser – wie sie es nennt "digitalen Form der öffentlichen Kapitalbeschaffung"? Sie "anerkennt das innovative Potential" und begleitet die Implementierung von "Blockchain-Lösungen auf den Schweizer Finanzmarkt". Weiter heisst es. "Das Aufnehmen von Geld für eigene Zwecke ohne die Zwischenschaltung einer Plattform oder eines Emissionshauses ist grundsätzlich aufsichtsrechtlich unreguliert, wenn keine Rückzahlungspflicht besteht, kein Zahlungsmittel ausgegeben wird und kein Sekundärhandel stattfindet." Daraus kann sich jeder selbst einen Reim machen. Zur Erinnerung. Die SEC hat klar gesagt, dass Tokens und Coins ihrer Aufsicht unterstehen.[ 2 ]

Bisher hat die FINMA in Sachen Token und Coins erst einmal interveniert. Am 19. September hat sie die "selbst kreierte Scheinkryptowährung E-Coins zum Schutze der Gläubiger liquidiert". Dieser Schutz sei nötig geworden, weil "die E-Coins nicht wie suggeriert zu 80% mit Sachwerten hinterlegt" worden waren und weil "E-Coins in beträchtlichem Umfang ohne genügenden Gegenwert ausgegeben wurden, was zu einer kontinuierlichen Verwässerung des "E-Coin"-Systems zu Lasten der Anleger führte".

Das ist in der Tat schlecht für die Anleger und gut für die Emittenten. Doch gilt dies nicht erst recht, für "echte" Kryptowährungen? Diese sind von Anfang an mit gar keinem Gegenwert unterlegt. Sie leben ausschliesslich von der Hoffnung der Anleger, dass noch hoffnungsvollere Anleger demnächst noch mehr für die E-Coins zahlen, oder für die Bitcoins, Ripples, Zcash etc. Warum muss die FINMA die Anleger nur vor den E-Coins schützen und nicht vor allen anderen mittlerweile 1329 privaten Scheinwährungen?

Nun, die FINMA unterscheidet offenbar zwischen "Kryptowährungstrittbrettfahrern" und den echten, "dezentral gespeicherten und auf Blockchain-Technologie beruhenden Kryptowährungen" (die mit keinem Gegenwert hinterlegt sind). Das ist in den Augen der FINMA offenbar ein "innovatives Geschäftsmodell". Werden solche "Innovationen" jedoch "durch unerlaubte Tätigkeiten nachgeahmt, interveniert die FINMA konsequent."[ 3 ] Leider geht aus der Pressemitteilung nicht hervor, inwiefern diese "echte" Kryptowährungen für den Anleger bekömmlicher sein sollten.

Dumb Money vs. Extremely Dumb Money

Tokens unterscheiden sich von Coins dadurch, dass hier ein gemeinsames Geschäft aufgebaut wird, an dessen Erfolg der anonyme Anleger/Spender zwar mit Tokens entschädigt wird, aber (wegen den Anonymität) nur sehr begrenzt aktiv mitwirken kann. Diese Art von Gesellschaft passt (noch) in keinen rechtlichen Rahmen. Darüber müsste man nachdenken. Hat man eine vernünftige Rechtsform gefunden, stellt sich als nächstes die Frage, wie man Token Offerings sinnvoll durchführt. Nämlich möglichst so, dass die Anleger gezwungen sind, sich Gedanken über den langfristigen Erfolg des Unternehmens zu machen. In der Blockchain-Szene spricht man gerne von Smart und von Dumb Money. "Smart Money", so der Schweizer Bitcoin-Pionier Luzius Meisser[ b ], kommt von Anlegern, die ein Netzwerk von Erfahrungen mitbringen. Dumb Money kommt von Leuten, die Geld haben, aber wenig Ahnung vom Geschäft – etwa Pensionskassen." An diesen Masstäben gemessen, sind die Gelder die etwa Modum und Tezos eingesammelt haben EDM – Extremly Dumb Money. Der ganze Bieterprozess für IPOs ist darauf ausgerichtet, die Geldgier und den Herdentrieb anzusprechen. Das ist nicht nur rechtlich höchst bedenklich, sondern auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv.

Zur Erinnerung: Nach der Finanzkrise von 2006 hat sich der Schweizer Gesetzgeber aufgerafft, endlich Ordnung in den Wildwuchs der Finanzangebote zu bringen und sich den inzwischen verschärften Regeln der EU anzupassen. Doch dieses Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG ist noch immer nicht in Kraft getreten, und der Wildwuchs ist inzwischen noch wilder geworden.


©KOF ETH Zürich, 7. Dez. 2017

Werner Vontobel
Ökonom und Wirtschaftsjournalist

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