Der helvetische Föderalismus galt lange als eine tragende Säule und ein wichtiges Erfolgsmerkmal der Schweiz. Angesichts der globalen Herausforderungen kommt er allerdings immer stärker unter Druck. Dieser Beitrag spricht sich für eine Beibehaltung aus, da der Föderalismus dafür sorgt, dass Verantwortung, Risiko und Entscheidung auf derselben Ebene verankert sind. "Die Schweiz wird föderalistisch sein oder nicht sein".[ 1 ] So drückte es der Staatswissenschaftler Werner Kägi 1944 prägnant aus. Tatsächlich bildet das bundesstaatliche Prinzip in der öffentlichen Debatte eine identitätsstiftende Klammer. Der fein austarierte institutionelle Aufbau verteilt die politische Macht in der Schweiz breit und setzt stark auf Machtkontrolle. Zusammen mit der direkten Demokratie verleiht dies
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Lars P. Feld, Christoph Schaltegger considers the following as important:
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Der helvetische Föderalismus galt lange als eine tragende Säule und ein wichtiges Erfolgsmerkmal der Schweiz. Angesichts der globalen Herausforderungen kommt er allerdings immer stärker unter Druck. Dieser Beitrag spricht sich für eine Beibehaltung aus, da der Föderalismus dafür sorgt, dass Verantwortung, Risiko und Entscheidung auf derselben Ebene verankert sind.
"Die Schweiz wird föderalistisch sein oder nicht sein".[ 1 ] So drückte es der Staatswissenschaftler Werner Kägi 1944 prägnant aus. Tatsächlich bildet das bundesstaatliche Prinzip in der öffentlichen Debatte eine identitätsstiftende Klammer. Der fein austarierte institutionelle Aufbau verteilt die politische Macht in der Schweiz breit und setzt stark auf Machtkontrolle. Zusammen mit der direkten Demokratie verleiht dies der Politik ein hohes Mass an Stabilität und Legitimation; andererseits wirken die langwierigen Aushandlungsprozesse gelegentlich träge und ermüdend. Wie in anderen Staaten unterliegt die föderale Struktur daher in der Schweiz einem Wandel der Zeit. Die relativen Gewichte der Staatsebenen wie die territoriale Fragmentierung sind stetiger Diskussionsanlass und der Veränderung unterworfen.
Besonders heftig waren die Diskussionen über die richtige Struktur und die adäquate Kompetenzverteilung zwischen den Staatsebenen im Rahmen der Verfassungsdiskussionen zur Gründung des modernen Bundesstaats von 1848. Der Thurgauer Johann Konrad Kern und der Waadtländer Henri Druey, späterer Bundesrat, sahen in ihrem Bericht zum Entwurf für die neue Bundesverfassung die Essenz im Föderalismus: "Ein Föderativsystem, welches beide Elemente, welche nun einmal in der Schweiz vorhanden sind, nämlich das nationale oder gemeinsame und das kantonale oder besondere, achtet, welches jedem dieser Elemente gibt, was ihm im Interesse des Ganzen und seiner Teile gehört, welches sie verschmelzt, vereinigt, welches die Glieder dem Ganzen, das Kantonale dem Nationalen unterordnet, indem sonst keine Eidgenossenschaft möglich wäre und die Kantone in ihrer Vereinzelung zugrunde gehen müssten -; das ist’s was die jetzige Schweiz bedarf, das ist’s, was die Kommission anstrebte in dem Entwurf einer Bundesverfassung, den sie der Tagsatzung vorzulegen die Ehre hat; das ist der Grundgedanke der ganzen Arbeit, der Schlüssel zu allen Artikeln." Ganz anderer Meinung war Alfred Escher: "Glauben Sie wirklich dass soviele Schweizer sich beeilen werden, in gewissen Kantonen, an die man hier zunächst denkt, sich niederzulassen, wenn sie vorsehen müssen, ohne Schutz von Seite des Bundes der Willkür der Kantonalbehörden […] blossgestellt zu werden, […] wenn sie sich also mit Leib und Vermögen auf Gnade und Ungnade dem alleinigen Gutfinden von Kantonalbehörden unbedingt überantworten müssen?"
Heute ist die Ausgestaltung des Föderalismus in der Schweiz immer noch umstritten. Sollen Kantone und Gemeinden fusionieren? Ist die institutionell starke Stellung der Kantone gegenüber dem Bund noch zeitgemäss zur Bewältigung der aktuellen politischen Herausforderungen? Kann der Schweizer Föderalismus mit seinen kleinräumigen Strukturen den Anforderungen einer zunehmend international ausgerichteten und mobilen Wirtschaft noch gerecht werden?
Dabei ist es wichtig, die verschiedenen Instrumente des Föderalismus zu unterscheiden und deren Einfluss auf die staatliche Leistungsfähigkeit einzeln sowie im Zusammenspiel zu betrachten. Der Föderalismus erlaubt erstens die dezentrale Erfüllung von Staatsaufgaben, sodass öffentliche Leistungen an regional unterschiedliche Bedürfnisse angepasst werden können. Die daraus resultierenden Unterschiede im Leistungsangebot stärken zweitens die Innovationsfreude und den interkantonalen Wettbewerb, der wiederum die wirtschaftliche Entwicklung begünstigt. Drittens bedeutet Dezentralisierung und Fragmentierung Machtteilung und stärkt damit die Checks and Balances im Bundesstaat. Durch direkte Betroffenheit und Bürgernähe stärkt der Föderalismus viertens die effiziente Staatsführung und erhöht fünftens dank Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten das Sozialkapital und die Lebensqualität. Nicht zuletzt reduziert die föderale Staatsstruktur sechstens die Ungleichverteilung der Einkommen in der Gesellschaft und hält damit den Umverteilungsbedarf in Grenzen. Siebtens erfüllt der Föderalismus eine Art Versicherungsfunktion gegen asymmetrisch auftretende Schocks und kann so eine gewisse konjunkturelle Stabilisierungsfunktion wahrnehmen.
Föderalistisch organisierte Länder im Vorteil
Diese Ergebnisse zeigen: Es ist kein Zufall, dass in den wichtigsten Länderrankings zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit (z.B. Global Competitiveness Ranking des WEF oder World Competitiveness Scoreboard des IMD) föderalistisch organisierte Länder wie die Schweiz, die USA, Kanada oder Deutschland regelmässig Spitzenplätze belegen. Der Föderalismus war und ist eine wesentliche Triebfeder für den Erfolg dieser Volkswirtschaften und bietet heute noch günstige Voraussetzungen, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern. Dies gilt insbesondere für den Schweizer Wettbewerbsföderalismus. Es bedarf daher keiner grundlegenden Anpassung der föderalen Strukturen in der Schweiz. Vielmehr kann der Schweizer Wettbewerbsföderalismus zur Bewältigung grosser wirtschaftspolitischer Herausforderungen beitragen, indem er sich positiv auf die Staatsfinanzen, das Wirtschaftswachstum oder die Einkommensverteilung auswirkt.
Die Vorteile des Schweizer Föderalismus sind jedoch an Bedingungen geknüpft: Die Kantonen sollten eine hinreichende Autonomie besitzen, damit der Wettbewerbs- und "Laborföderalismus" spielen kann. Weiter ist das Verhältnis zwischen Solidarität und Wettbewerb im Rahmen des Finanzausgleichs so auszutarieren, dass es sich auch für wirtschaftlich schwächere Kantone wieder lohnt, ihre Situation eigenständig, z.B. über die Ansiedlung von Unternehmen, zu verbessern.
Das erfolgreiche Modell des Schweizer Wettbewerbsföderalismus läuft indessen Gefahr, durch die Tendenz zu komplexen Aufgabenverflechtungen zwischen den staatlichen Ebenen mit entsprechenden Verbundfinanzierungen ausgehöhlt zu werden. Die kantonale Autonomie steht ständig unter dem Druck der Vereinheitlichung und Zentralisierung. Dazu gehören nicht zuletzt die wiederkehrenden Diskussionen um die territoriale Struktur mit dem Ziel, Kantone zu funktionalen Räumen zu fusionieren. Auf die Grösse einer Gebietskörperschaft kommt es aber nicht an. Skaleneffekte lassen sich im Verhandlungsprozess mit anderen Gliedstaaten erreichen. Entscheidend sind vielmehr die Kompetenzen der Gliedstaaten, um eine eigenständige Politik zu machen und diese gegenüber den Bürgern zu verantworten. Entscheidend ist also die fiskalische Äquivalenz – die Einheit von Entscheidung, Finanzierung und Nutzung – beim institutionellen Design und somit die Symmetrie von Ausgaben- und Einnahmekompetenzen bei den Gliedstaaten. Es gilt das Haftungsprinzip zu stärken: Verantwortung, Risiko und Entscheidung gehören zusammen. Damit bleibt der Föderalismus auch im 21. Jahrhundert ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Schweiz.
Lars P. Feld und Christoph A. Schaltegger (Hrsg.) (2017): "Föderalismus und Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz[ a ]", NZZ-Verlag
©KOF ETH Zürich, 5. Sep. 2017