Die Förderung von Erneuerbaren Energien in Deutschland wird nicht zuletzt auch damit begründet, dass sie positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt habe. Dieser Beitrag äußert Zweifel am "grünen Beschäftigungswunder". Rund 25 Milliarden Euro im Jahr lässt Deutschland sich die Förderung alternativer Energietechnologien zur Erzeugung von Strom kosten.[ 1 ] Das ist mehr als drei Mal so viel, wie die Bundesrepublik jährlich für Entwicklungshilfe ausgibt. Der größte Batzen entfällt auf die Solarenergie: Die Photovoltaik als ehemals teuerste Technologie beansprucht etwa die Hälfte der jährlichen Subventionen; zur Erzeugung "grünen" Stroms trägt die Sonnenenergie aber nur etwa ein Viertel bei. Politisch gerechtfertigt wird die Förderung mit Klimaschutz, Technologieexport,
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Die Förderung von Erneuerbaren Energien in Deutschland wird nicht zuletzt auch damit begründet, dass sie positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt habe. Dieser Beitrag äußert Zweifel am “grünen Beschäftigungswunder”.
Rund 25 Milliarden Euro im Jahr lässt Deutschland sich die Förderung alternativer Energietechnologien zur Erzeugung von Strom kosten.[ 1 ] Das ist mehr als drei Mal so viel, wie die Bundesrepublik jährlich für Entwicklungshilfe ausgibt. Der größte Batzen entfällt auf die Solarenergie: Die Photovoltaik als ehemals teuerste Technologie beansprucht etwa die Hälfte der jährlichen Subventionen; zur Erzeugung “grünen” Stroms trägt die Sonnenenergie aber nur etwa ein Viertel bei.
Politisch gerechtfertigt wird die Förderung mit Klimaschutz, Technologieexport, Versorgungssicherheit und Beschäftigungszuwachs (“Wir schaffen neue Jobs!”). Vom Klimaschutz abgesehen, kommen einem diese Argumente verdächtig bekannt vor: Mit ihnen wurde jahrelang auch die Subventionierung der deutschen Steinkohleförderung in insgesamt dreistelliger Milliardenhöhe begründet, was seinerzeit nicht nur unter den Wissenschaftlern des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung auf scharfe Kritik stieß. Das Beschäftigungsargument ist im Falle der Erneuerbaren allerdings ebenso wenig stichhaltig wie es bei der Steinkohleförderung war. Das zeigt ein sorgfältiger Blick auf die Zahlen.
Beschäftigungsrückgang in der Solarindustrie
Trotz eines starken Rückgangs der Beschäftigung in der Solarindustrie und der zahlreichen Insolvenzen der vergangenen Jahre – zuletzt traf es im Mai mit Solarworld das größte deutsche Solarunternehmen – werden Politik und Lobbyisten nicht müde, ein grünes Beschäftigungswunder auszurufen. Noch in seinem Newsletter vom Juni 2016 hat das Bundeswirtschaftsministerium die Erneuerbaren als “globalen Jobmotor” bezeichnet. Auch eine Studie des Bundesumweltministeriums mit dem Titel “Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2008” nennt die Erneuerbaren einen “Jobmotor für Deutschland” und prognostiziert aufgrund des durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschaffenen “attraktiven Marktumfelds” einen Anstieg der Beschäftigung von rund 250 000 Arbeitsplätzen im Jahr 2007 auf mehr als 400 000 Stellen im Jahr 2020.
Um diese Zahlen einordnen zu können, muss man wissen: Aktuell gibt es 32 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Sollte die Prognose dieser Studie für 2020 eintreffen, entsprächen die 400 000 Stellen einem Anteil von lediglich 1,25 Prozent aller derzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – ein Jobwunder sieht anders aus. Darüber hinaus ist es sehr fraglich, wie verlässlich die Prognose von 2008 angesichts des anhaltenden Niedergangs der Solarbranche ist. Schon 2015 war die Beschäftigung im Erneuerbaren-Sektor nach Schätzungen für das Bundeswirtschaftsministerium auf 330 000 Personen zurückgegangen. Gegenüber dem bisherigen Hoch von rund 400 000 Beschäftigten aus dem Jahr 2012 bedeutete das eine Verringerung um nahezu ein Fünftel.
Abbildung 1: Anzahl an Beschäftigten in der Solarbranche (Quelle: BSW)
Bedauerlicherweise ist die Datenlage für Analysen und Prognosen sehr dünn, denn der Erneuerbaren-Sektor ist keine traditionelle Branche, die vom Statistischen Bundesamt in Gänze erfasst wird. So bleibt nichts anderes übrig, als sich auf Selbstauskünfte der Unternehmen und Verbandsangaben für einzelne Branchen zu verlassen. Welche Diskrepanzen hier auftreten können, zeigt sich anhand der vom Solarverband BSW veröffentlichten Beschäftigtenzahlen (Abbildung 1) im Vergleich mit den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Teilsektor “Herstellung von Solarzellen und Solarmodulen” (Abbildung 2). Die Werte unterscheiden sich zum Teil um den Faktor 10 und begründen eine gewisse Skepsis, ob diese Differenz tatsächlich durch die weniger gut dokumentierte Zahl der Beschäftigen in den Vertriebs- und Installationsunternehmen der Solarbranche erklärt werden kann oder nicht auch durch eine großzügige Auslegung der Selbstauskünfte seitens des Solarverbands.
Abbildung 2: Anzahl an Beschäftigten in der Herstellung von Solarzellen und Solarmodulen (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Ohnehin zeichnen die obigen Zahlen und Vorhersagen zur Beschäftigungswirkung ein in vieler Hinsicht verzerrtes Bild (Frondel, Ritter, Schmidt 2008). Vor allem geben sie lediglich die Brutto- und nicht die Nettobeschäftigungseffekte wieder. Indem sie die nachteiligen Wirkungen dieser vermeintlichen Beschäftigungsförderung unberücksichtigt lassen, verschleiern sie die wahren Folgen für die ökonomische Wohlfahrt einer Gesellschaft. Am unmittelbarsten bekommt dies die vom “grünen” Strom verdrängte herkömmliche Stromerzeugung zu spüren. Infolge der Subventionierung erneuerbarer Energien kommt es zu negativen Beschäftigungseffekten in der konventionellen Stromerzeugung, wenn Kraftwerke unwirtschaftlich werden und abgeschaltet werden müssen. Daher ist seit Jahren bei den großen Stromversorgern ein deutlicher Rückgang der Beschäftigung um Tausende von Stellen zu verzeichnen. Negative Beschäftigungswirkungen sind darüber hinaus in den der konventionellen Stromerzeugung vorgelagerten Sektoren wie dem konventionellen Kraftwerksbau zu erwarten. Die so verlorenen Arbeitsplätze müssen den im Erneuerbaren-Sektor entstandenen Stellen gegenübergestellt werden, wenn eine ehrliche Bilanz gezogen werden soll.
Nicht zuletzt darf bei der Ermittlung der Nettobeschäftigungsbilanz nicht vergessen werden, dass es aufgrund der hohen Förderkosten auch außerhalb des Stromerzeugungssektors und den ihm vorgelagerten Sektoren zu Arbeitsplatzverlusten und zum Verzicht auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze kommt. So muss auch jene fiktive Zahl an Arbeitsplätzen berücksichtigt werden, die hypothetisch geschaffen worden wären, wenn es die Förderung der Erneuerbaren nicht gegeben hätte – und dieser fiktive Wert muss von der Zahl der tatsächlich entstandenen Stellen im Erneuerbaren-Sektor abgezogen werden.
Denn: Die über eine Erhöhung der Stromrechnung von den Verbrauchern zu zahlenden jährlichen Kosten von 25 Milliarden Euro verringern die ökonomische Aktivität und damit die Beschäftigung in anderen Sektoren. Zwei Aspekte sind besonders wichtig. Erstens: Mit Ausnahme der von der EEG-Umlage weitgehend verschonten rund 2 800 energieintensiven Betriebe fallen auch die Investitionen der industriellen Stromverbraucher infolge höherer Strompreise um Milliarden Euro geringer aus als ohne Subventionierung der alternativen Energietechnologien.
Zweitens: Der Kaufkraftverlust der privaten Verbraucher infolge höherer Strompreise addiert sich über die jahrzehntelange Förderdauer hinweg auf dreistellige Milliardenbeträge – auch wenn sich die Belastung eines einzelnen Haushalts vergleichsweise gering ausnimmt. Nach langjährigen RWI-Erhebungen für das Bundeswirtschaftsministerium verbraucht ein 3-Personen-Haushalt im Durchschnitt jährlich rund 4000 Kilowattstunden. Das macht bei der derzeitigen EEG-Umlage von 6,88 Cent pro Kilowattstunde rund 330 Euro pro Jahr (inklusive Mehrwertsteuer).
Seit Einführung der Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 haben die Stromverbraucher mehr als 150 Milliarden Euro mit ihren Stromrechnungen bezahlt. Da die EEG-Vergütungen noch bis zu zwei Jahrzehnte lang gesetzlich gewährleistet sind, ergibt ein grober Überschlag weitere Förderkosten von 400 Milliarden Euro, wenn man von EEG-Subventionen von durchschnittlich 20 Milliarden Euro pro Jahr über die nächsten 20 Jahre hinweg ausgeht.
Die mit den höheren Strompreisen verbundenen Kaufkraftverluste der privaten Verbraucher und der Entzug von Kapital für andere Investitionen der Unternehmen haben negative Arbeitsplatzeffekte in anderen Sektoren. Dies lässt bezweifeln, ob die Arbeitsplatzbilanz der Förderung grüner Technologien im Saldo überhaupt positiv ausfallen kann. Es ist daher nicht überraschend, dass sich in der Vergangenheit mehrere Studien skeptisch in Bezug auf positive Nettobeschäftigungseffekte geäußert haben. Beispielsweise stellte das Institut für Wirtschaftsforschung aus Halle 2004 fest, dass bei Berücksichtigung der Investitionskosten und der Verdrängung der privaten Verwendung von Investitionsmitteln “praktisch keine Beschäftigungseffekte mehr festgestellt werden könnten”. Ähnlich äußerten sich viele andere Institute. So kam auch das Bremer Energie Institut in seiner Studie “Ermittlung der Arbeitsplätze und Beschäftigungswirkungen im Bereich der erneuerbaren Energien” aus dem Jahr 2003 für eine Reihe von alternativen Energietechnologien zu dem Schluss, dass nach anfänglich positiven Beschäftigungswirkungen der Gesamteffekt über einen Zeitraum von 20 Jahren negativ ausfällt.
Zweifel an längerfristig positiven Wirkungen für den Arbeitsmarkt
Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob die Förderung erneuerbarer Energien neben kurzfristig positiven Bruttobeschäftigungseffekten infolge der Installation von neuen Anlagen langfristig überhaupt positive Wirkungen für den Arbeitsmarkt hat. Obwohl empirische Studien dazu rar sind, gibt es aus verschiedenen Gründen Zweifel. So waren von den 142 900 im Jahr 2015 in der Windkraftbranche Beschäftigten vier Fünftel (115 300) in der Herstellung und Installation von Anlagen tätig. Lediglich ein Fünftel arbeitete im Bereich des Betriebs und der Wartung dieser Anlagen, also auf Arbeitsplätzen, die von dauerhafterer Natur sind als jene im Installationsbereich. Auch wenn die entsprechenden Anteile für die Photovoltaikbranche mit 66 Prozent und 33 Prozent etwas günstiger ausfallen, lässt das Beschäftigungs-Strohfeuer der Jahre 2007 bis 2014 vermuten, dass die Arbeitsplätze in diesem Sektor nur dann langfristiger Natur sind, wenn entweder permanent hohe Subventionen fließen oder aber der Export die Rolle der Subventionen übernehmen würde.
Mit letzterem ist nach dem Niedergang der deutschen Solarindustrie kaum zu rechnen. Im Gegenteil: Ebenso wie in der Vergangenheit, als in manchen Jahren mehr als zwei Drittel aller Module importiert werden mussten, um die durch die hohen Subventionen befeuerte exorbitante Nachfrage zu decken, wird wohl auch künftig ein guter Teil der Module importiert werden müssen. Weil die deutschen Verbraucher noch Jahrzehnte in Form der fest vereinbarten Einspeisevergütungen für Deutschlands “Solarboom” zu zahlen haben, die Arbeitsplätze aber größtenteils wieder verschwunden sind, dürfte auch ohne jegliche Saldenberechnung klar sein, dass dessen Netto-Beschäftigungseffekt deutlich negativ ausfällt.
Im Gegensatz zu den oben genannten Studien kommt dennoch eine Reihe der vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen Gutachten zu der Schlussfolgerung, dass die EEG-Förderung positive Nettobeschäftigungseffekte habe. So prognostiziert eine Studie mit dem Titel “Erneuerbare Energien: Arbeitsplatzeffekte, Wirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf den deutschen Arbeitsmarkt” aus dem Jahr 2006, dass durch die Erneuerbaren-Förderung vom Jahr 2020 an netto mehr als 56 000 Arbeitsplätze geschaffen würden. Diese Schätzung des Nettobeschäftigungseffekts relativiert die obige Prognose zur Bruttobeschäftigung im Jahr 2020 beträchtlich. Es ist zudem bemerkenswert, dass die Autoren auch negative Nettobeschäftigungseffekte nicht ausschließen, falls sich die Exporte erneuerbarer Technologien nicht so positiv entwickeln wie angenommen.
Hoch subventionierte Arbeitsplätze
In jedem Fall aber waren die durch die Förderung erneuerbarer Energien geschaffenen Bruttoarbeitsplätze teuer erkauft, besonders in der Solarbranche. Auf Basis der vom RWI für alle im Jahr 2009 installierten Photovoltaik-Anlagen bezifferten Nettokosten von rund 17,4 Milliarden Euro (Frondel, Ritter, Schmidt, Vance 2010) summierten sich die Subventionen für jeden Arbeitsplatz in der Photovoltaikbranche auf 270 000 Euro, wenn man wie der Solarverband BSW von damals 65 000 Beschäftigten im deutschen Photovoltaiksektor ausgeht.
Tatsächlich dürften die Kosten je Arbeitsplatz noch höher ausfallen, da, wie gesagt, die Zahl der Arbeitsplätze vom Solarverband aus Eigeninteresse überschätzt werden könnte. So ist anzunehmen, dass die Handwerker, welche die Anlagen installieren, auch andere Tätigkeiten ausüben, zum Beispiel Heizungsanlagen einbauen. Diese Handwerker dürfen nicht allein dem Photovoltaiksektor zugerechnet werden. Ob dies bei den Beschäftigtenangaben des BSW ausreichend berücksichtigt wird, ist fraglich, auch wegen der Schwierigkeit der korrekten sektoralen Zuordnung.
Die Zahl der Bruttoarbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien dürfte noch aus einem weiteren Grund deutlich überschätzt sein. So kann man voraussetzen, dass die hier Beschäftigten zuvor nicht alle arbeitslos waren und ausschließlich durch die Förderung der Erneuerbaren zu einem Arbeitsplatz gekommen sind. Abgesehen davon, dass Arbeitslosigkeit mit anderen, speziell dafür geschaffenen Instrumenten bekämpft werden sollte, sind es nicht die typischen Arbeitslosen, die im Erneuerbaren-Sektor eingesetzt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass diese Branche bei der Suche nach qualifiziertem Personal in Konkurrenz zu anderen wettbewerbsfähigen Sektoren tritt.
Daher dürfte es durch die geförderte Beschäftigung im Bereich der Erneuerbaren zu einer starken Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte kommen. So dürfte der vermeintliche Solarboom den notorischen Facharbeiter- und Handwerkermangel in Deutschland verschärft haben, da Installationsbetriebe wegen der damals geradezu explodierenden Nachfrage zunehmend mit der Installation von Solarmodulen ausgelastet wurden. Dadurch konnte die Nachfrage nach anderen Installationsarbeiten, die diese Betriebe ebenfalls ausführen, nur in geringerem Maße befriedigt werden.
Ganz grundsätzlich sollte das oberste Ziel guter Politik nicht in der Schaffung von Arbeitsplätzen bestehen, sondern in der Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Wäre Beschäftigung das oberste Ziel der Förderung grüner Technologien, gäbe es einen besseren Weg: Dann sollten hoch bezahlte Rad- und Ruderprofis via vieler kleiner Generatoren den CO2-armen Strom erzeugen. Dieses Beispiel ist natürlich nicht ernst gemeint. Es macht aber deutlich, dass es ein fundamentaler Irrtum wäre, den Umfang des Produktionsfaktors Arbeit steigern zu wollen, anstatt den Faktor Arbeit als Produktionsmittel zu betrachten, welcher nicht nur Wohltaten erzeugt, sondern auch Kosten verursacht.
Im Radler-Ruderer-Beispiel wären die Kosten je produzierter Kilowattstunde Strom so frappierend hoch, dass dies unmittelbar einleuchtend ist. Tatsächlich aber sehen viele Befürworter der Erneuerbaren die Notwendigkeit, eine bestimmte Menge Strom mit einer großen Zahl an Beschäftigten zu gewinnen, positiv. Bei dieser Sichtweise wird jedoch ausgeblendet, dass eine solche Art der Beschäftigungssteuerung das Wachstumspotential der gesamten Volkswirtschaft verringert. Dies ist für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Summe kontraproduktiv. Im Übrigen ist es fraglich, ob die Politik durch die gezielte Förderung eines Sektors für insgesamt mehr Beschäftigung sorgen kann als der Markt es bei politisch günstigen Rahmenbedingungen vermag – der komparative Vorteil von Politik ist schließlich nicht unbedingt in der Schaffung von Arbeitsplätzen zu vermuten.
In Vergessenheit geratene Opportunitätskosten
Was darüber hinaus bei der Förderung alternativer Technologien meist vergessen wird, sind deren “Opportunitätskosten”, sprich: der entgangene Nutzen aus anderen, wegen der Erneuerbaren-Förderung nicht getätigten, aber eventuell profitableren Investitionen. Bei realen Nettokosten von mehr als 110 Milliarden Euro für alle seit 2000 in Deutschland installierten Solaranlagen (Frondel, Schmidt, Vance 2014) muss die Frage gestellt werden, ob diese gewaltige Summe nicht besser hätte investiert werden können. Dazu zählen beispielsweise Ausgaben für Bildung oder für Forschung und Entwicklung von Energiespeichertechnologien, für welche wesentlich mehr Geld zur Verfügung gestanden hätte, wenn auf die starke Förderung der Photovoltaik verzichtet worden wäre.
Die Frage, was eine Nation dafür aufgeben muss, also die Frage nach der Verwendung substantieller Mittel für alternative Zwecke, wird von der Politik selten gestellt. Dies ist umso bedauerlicher, als zu erwarten ist, dass Investitionen in Bildung und Forschung die Wohlfahrt und Beschäftigung eines Landes langfristig wesentlich stärker steigern als die flächendeckende Verbreitung noch längst nicht ausgereifter alternativer Technologien, die aufgrund von Effizienz- und Kostennachteilen auch zum jetzigen Zeitpunkt noch immer nicht wettbewerbsfähig sind. Bei allen ökologischen Vorteilen, die die Förderung der erneuerbaren Energien durch die Verdrängung fossiler Stromerzeugung und die damit einhergehende Verringerung negativer externer Umwelteffekte bringt, müssen sich Politik, Befürworter und Verbraucher die Frage stellen, welchen Preis sie dafür bezahlen – und welchen sie zu zahlen bereit sind.
Literatur
Frondel, M., Ritter, N., Schmidt, C. M. (2008) Germany’s Solar Cell Promotion: Dark Clouds on the Horizon. Energy Policy 36 (4), 4198-4204.
Frondel, M., Ritter, N., Schmidt, C. M., Vance, C. (2010) Economic Impacts from the Promotion of Renewable Energy Technologies: The German Experience. Energy Policy 38, 4048-4056.
Frondel, M., Schmidt, C. M., Vance, C. (2014) Revisiting Germany’s Solar Cell Promotion: An Unfolding Disaster. Economic Analysis and Policy 44 (1), 3-13.
- 1 Dieser Beitrag erschien am 14. Juli 2017 in leicht modifizierter Fassung unter dem Titel “Arbeitsplatzillusion Energiewende” in der Rubrik Ordnung der Wirtschaft in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Danksagung: Ich danke Katja Fels für das Redigieren des Textes.
©KOF ETH Zürich, 19. Jul. 2017