Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 21. Mai 2017 über das revidierte Energiegesetz. Das Gesetz umfasst vier Bereiche: Senkung des Energieverbrauchs, Förderung der Energieeffizienz, Förderung erneuerbarer Energien und Ausstieg aus der Kernenergie. Dieser Beitrag diskutiert die entstehenden Kosten für die privaten Haushalte und zeigt, inwiefern diese durch Investitionen in Solaranlagen zum Ausbau der Solarenergie beitragen können. Die öffentliche Diskussion um die Implementierung der Energiestrategie führt verstärkt die Kostenbelastung der Haushalte ins Feld. Dabei liegen die prognostizierten Werte mit 40 CHF bis 3‘200 CHF pro Jahr und Haushalt weit auseinander. Während die untere Schätzung nur die Zusatzkosten der geplanten Erhöhung der Netzzuschläge im Zuge der Gesetzesrevision berücksichtigt (vgl. UVEK, 2017a), ergibt sich der obere Wert durch eine Aufteilung der geschätzten Gesamtkosten der Energiewende von 200 Mia. CHF auf die Haushalte.[ 1 ] Der vorliegende Beitrag besitzt keinen Anspruch, die Gesamtkosten zu beziffern, sondern diskutiert ausschliesslich die Implikationen der erhöhten Netzbeiträge. Die Vorlage des Bundesrates sieht konkret vor, dass für die Finanzierung der Energiestrategie 2050 der Netzzuschlag[ 2 ] von derzeitig 1,5 Rp./kWh auf 2,3 Rp./kWh erhöht wird, was zu einem Subventionsvolumen von insgesamt 480 Mio. CHF/Jahr führen soll (UVEK, 2017a).
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Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 21. Mai 2017 über das revidierte Energiegesetz. Das Gesetz umfasst vier Bereiche: Senkung des Energieverbrauchs, Förderung der Energieeffizienz, Förderung erneuerbarer Energien und Ausstieg aus der Kernenergie. Dieser Beitrag diskutiert die entstehenden Kosten für die privaten Haushalte und zeigt, inwiefern diese durch Investitionen in Solaranlagen zum Ausbau der Solarenergie beitragen können.
Die öffentliche Diskussion um die Implementierung der Energiestrategie führt verstärkt die Kostenbelastung der Haushalte ins Feld. Dabei liegen die prognostizierten Werte mit 40 CHF bis 3‘200 CHF pro Jahr und Haushalt weit auseinander. Während die untere Schätzung nur die Zusatzkosten der geplanten Erhöhung der Netzzuschläge im Zuge der Gesetzesrevision berücksichtigt (vgl. UVEK, 2017a), ergibt sich der obere Wert durch eine Aufteilung der geschätzten Gesamtkosten der Energiewende von 200 Mia. CHF auf die Haushalte.[ 1 ] Der vorliegende Beitrag besitzt keinen Anspruch, die Gesamtkosten zu beziffern, sondern diskutiert ausschliesslich die Implikationen der erhöhten Netzbeiträge. Die Vorlage des Bundesrates sieht konkret vor, dass für die Finanzierung der Energiestrategie 2050 der Netzzuschlag[ 2 ] von derzeitig 1,5 Rp./kWh auf 2,3 Rp./kWh erhöht wird, was zu einem Subventionsvolumen von insgesamt 480 Mio. CHF/Jahr führen soll (UVEK, 2017a).
Statische Kostenrechnung
In diesem Abschnitt nehmen wir vereinfachend an, dass der Energiekonsum der Haushalte nicht auf Preisänderungen reagiert. Basierend auf detaillierte Daten zu Elektrizitätskonsum und -ausgaben für Haushalte im Kanton Bern im Zeitraum 2008-2013 führen wir einige Berechnungen zur Verteilung der Zusatzkosten durch.[ 3 ] Der durchschnittliche Energiekonsum lag im Zeitraum unserer Daten bei 3’342 kWh für Haushalte im untersten Einkommensdezil (Reineinkommen < 27,000 CHF) und bei etwa 7’511 kWh für Haushalte im höchsten Einkommensdezil (Reineinkommen > 130,000 CHF). Die Werte für das 2. bis 5. Dezil betrugen zwischen 3’530 kWh-4’283 kWh /Jahr und für die Dezile 6. bis 9. zwischen 4‘769 kWh-6’138 kWh /Jahr. Dadurch beliefen sich die gesamten Energieausgaben (Elektrizität und Netz) auf durchschnittlich 739 CHF für die Haushalte des ersten Dezils und auf 1’505 CHF für die Haushalte des letzten Einkommensdezils.
Bereits seit 2008 erfolgt die Finanzierung der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) durch einen Netzzuschlag der 2013 nur 0.45 Rp/kWh betrug. Seither wurde er aber auf 1.5 Rp/kWh (Stand 2017) erhöht. Das Gesetz zur Energiestrategie 2050 sieht vor, diesen Zuschlag auf 2.3 Rp/kWh festzusetzen. Die untere Grafik verdeutlicht die durchschnittliche Belastung pro Einkommensdezil mit den verschieden Netzzuschlägen.
Abbildung 1
Die durch den Netzzuschlag entstandenen Kosten betrugen für Haushalte im Kanton Bern 2013 etwa 15 CHF (1. Dezil) bis 34 CHF (10. Dezil) pro Jahr. Im Zuge der Energiestrategie würde die Kostenbelastung auf jährlich 77-173 CHF ansteigen, was verglichen mit dem Stand von 2017 eine zusätzliche Erhöhung um 27-60 CHF ausmacht. Die Kostenbelastung nach Einkommensklassen durch die Netzzuschläge zeigt aus Verteilungssicht ein durchaus wünschenswertes Bild. So werden die Zusatzkosten tendenziell stärker auf höhere Einkommensdezile abgewälzt. Allerdings ist anzumerken, dass hier bloss Mittelwerte betrachtet werden und eine starke Variation des Energiekonsums innerhalb der Dezile feststellbar ist.
Die geplante Erhöhung der Netzzuschläge finanziert Subventionen zum Ausbau der erneuerbaren Energien, nicht aber die geplanten jährlichen Subventionen für Gebäudesanierungen von rund 450 Mio. CHF (UVEK 2017b). Dieser Betrag entspräche einer weiteren Erhöhung des Netzzuschlags um etwa 0,8 Rp./kWh auf rund 3,1 Rp./kWh (statt 2,3 Rp./kWh). In diesem Szenario würde die Kostenbelastung für einen Haushalt im Kanton Bern um weitere 27 CHF bis 60 CHF pro Jahr ansteigen.
Die erwarteten Gesamtkosten pro Haushalt hängen schlussendlich von den Gesamtkosten der Energiestrategie 2050 ab. Sollte sogar ein höherer Milliardenbetrag zur Finanzierung der Energiestrategie notwendig werden (vgl. Bundesrat, 2013), so müsste die Kostenschätzung deutlich nach oben angepasst werden. Gleichzeitig hängt die Belastung der Haushalte aber auch wesentlich davon ab, durch welche Art Finanzierung diese Kosten gedeckt werden.
Sinkende Energienachfrage der Haushalte
Die angeführten Überlegungen vernachlässigen einen entscheidenden Wirkungszusammenhang. Netzzuschläge stellen eine konsumbasierte Finanzierung der Energiestrategie dar. Sinkt die zukünftige Energienachfrage führt dies zu einem Rückgang der Einnahmen resp. der Finanzierungsquelle. Dies ist im Zusammenhang mit der Energiestrategie 2050 umso mehr relevant, als dass die Energiekonsumsenkung ein erklärtes Ziel der Vorlage darstellt. Erstens beinhaltet die Energiestrategie verschiedene Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Zweitens ist die Preiselastizität der Haushalte nicht Null, wodurch die Erhöhung des Netzzuschlages die Energienachfrage reduziert. Drittens führt die zunehmende Ausbreitung der Photovoltaikanlagen bei Haushalten dazu, dass diese Haushalte weniger Strom vom Netz beziehen und damit weniger Zuschläge bezahlen.
Der Effekt einer rückgängigen Stromnachfrage auf die Finanzierung lässt sich an kurzen Rechenbeispielen verdeutlichen.
Schweizer Haushalte haben im Jahr 2015 insgesamt 18’762 GWh Elektrizität konsumiert (BFE, 2016). Die dadurch statisch prognostizierten Zusatzmittel einer Erhöhung der Netzzuschläge belaufen sich auf jährlich 150 Mio. CHF[ 4 ] . Die Energiestrategie sieht aber langfristig vor, den jährlichen Gesamtverbrauch der Schweizer Haushalte verglichen mit dem Jahr 2000 um 13% zu senken[ 5 ] , d.h. basierend auf 15’727 GWh in 2000 (BFE, 2016) auf jährlich 13’682 GWh. Wird die Reduktion erreicht, generiert die Anpassung des Netzzuschlags jährlich bloss noch 109 Mio. CHF an Zusatzeinnahmen. Eine solche Konsumreduktion erodiert ebenfalls die Beiträge der bestehenden Netzzuschläge, so dass weitere 86 Mio. CHF[ 6 ] jährlich wegfallen.
Eine ähnliche Berechnung lässt sich für die Nachfragereaktion als Antwort auf die Strompreiserhöhung durch den Netzzuschlag aufstellen. Unter der Annahme einer Preiselastizität der Elektrizitätsnachfrage von 0,8 (vgl. Feger, Pavanini und Radulescu, 2017) belaufen sich die Ausfälle über alle Schweizer Haushalte gesehen auf etwa 14 Mio. CHF pro Jahr[ 7 ] . Die eher schwache Nachfragereaktion lässt sich darauf zurückführen, dass die Erhöhung des Netzzuschlages um 0.8 Rp./kWh im Vergleich zum Gesamtstrompreises (rund 20 Rp./kWh) relativ klein ausfällt.
Zuletzt stellt auch die zunehmende Verbreitung von Solaranlagen eine Gefahr für die Finanzierung der Energiestrategie dar, was sich am Beispiel der Haushalte in Bern verdeutlichen lässt. Zunächst sei angenommen, dass von den 144’000 Haushalten in unseren Daten alle Hauseigentümer (also 38’709) eine Solaranlage errichten und im Durchschnitt 30%[ 8 ] des produzierten Stroms selber konsumieren. Demzufolge sinkt die durch das Netz bezogene Elektrizität dieser Haushalte von 690 GWh auf 568 GWh. Bezogen auf die Netzzuschläge bedeutet dies, dass von den prognostizierten Mehreinnahmen von 5,5 Mio. CHF jährlich nur noch 4,5 Mio. CHF (-18%) eingenommen werden. Wiederum fallen auch rund 2 Mio. CHF des bestehenden Netzzuschlages (Stand 2017) durch die Nachfragereaktion weg. Die Problematik wird mit dem Aufkommen neuer Speichermöglichkeiten, die mehr Eigenkonsum ermöglichen, weiter verschärft.
Ausbau der Photovoltaik – was können die Haushalte beitragen?
Die Gesetzesvorlage zur Energiestrategie 2050 sieht vor, die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) schrittweise auf jährlich mindestens 4’400 GWh in 2020 und 11’400 GWh in 2030 zu erhöhen (UVEK, 2017c). Ein wichtiger Beitrag für dieses Ziel liefert der Solarstrom. Derzeit existieren in der Schweiz etwa 70’000 PV Anlagen mit einer installierten Leistung von 1’640 MW und einer jährlichen Produktion von 1’560 GWh (Swissolar, 2016). Betrachtet man die Entwicklung der letzten 10 Jahre so zeigt sich ein exponentielles Wachstum der installierten Leistung. Neben sinkenden Anlagekosten ist vor allem die Anreizwirkung der KEV ein entscheidender Treiber dieser Entwicklung.
Auch bei den Haushalten besteht weiterhin viel zusätzliches Potential für die Produktion von Solarstrom, was sich anhand unserer Daten am Beispiel von Haushalten im Kanton Bern veranschaulichen lässt. Geht man vom (extremen) Szenario aus, dass sämtliche Hauseigentümer in eine Solaranlage investieren, errichten etwa 38’709 Haushalte in unserem Datensatz Solaranlagen mit einer simulierten jährlichen Gesamtproduktion von 368 GWh, also rund 8% des Zieles für 2020. Über die ganze Schweiz mit insgesamt 3,6 Mio. Haushalten, und davon etwa 26,5% Hauseigentümer (BFS, 2017), wäre dieser Wert natürlich entsprechend höher. Eine flächendeckende Ausbreitung von Solaranlagen bei Haushalten ist aber unter anderem mit hohen Subventionskosten verbunden. Geht man davon aus, dass jeder dieser in Solaranlagen investierenden Haushalte eine Einmalvergütung in Höhe von 30% der Investitionskosten erhält (UVEK, 2017c), fallen für die 368 GWh basierend auf den Anlagepreisen für 2013 rund 289 Mio. CHF an Subventionen an. Der Staat zahlt also umgerechnet etwa 785‘000 CHF, um jährlich 1 GWh an Strom zu produzieren[ 9 ] .
Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass Haushalte Solaranlagen mit kleiner Fläche und Leistung errichten und somit kaum Skaleneffekte der Installation und Produktion ausnutzen. Diese Kosten werden aber wiederum dadurch relativiert, dass im Zuge des technologischen Fortschritts die Anlagepreise weiter sinken werden. In dieser Betrachtung sind weitere Herausforderungen der dezentralen, unregelmässigen Stromproduktion durch Solaranlagen ausgeklammert. Beispielsweise zusätzliche Investitionen in die Netzinfrastruktur oder der temporäre, durch Überproduktion entstehende Preiszerfall auf Energiemärkten (vgl. The Economist, 2017). Die Bewältigung dieser Probleme kann weitere volkswirtschaftliche Folgekosten auslösen. Im Zusammenhang mit der Verbreitung von Solaranlagen sei auch erwähnt, dass der Eigenkonsum von Solaranlagebesitzer zu einem Wegfall von variablen Netzbeiträgen führt und damit die zukünftige Netzfinanzierung gefährdet. Die Studie von Feger, Pavanini und Radulescu (2017) präsentiert Ansätze, um dieser Problematik durch eine optimale Ausgestaltung der Netztarife entgegenzutreten.
Fazit
Der vorliegende Artikel hat einzelne Aspekte der Energiestrategie 2050 genauer beleuchtet. Die Finanzierung der Energiestrategie über den Netzzuschlag ist aus Verteilungssicht durchaus positiv einzustufen, da reichere Haushalte stärker belastet werden. Es besteht allerdings die Gefahr, dass Massnahmen zur Energieeffizienz und die Verbreitung von Solaranlagen eine Reduktion der Energienachfrage auslösen und damit die Beiträge der Haushalte zur Finanzierung der Energiestrategie erodieren. Zuletzt hat der Artikel gezeigt, dass durchaus Potential für die Produktion von Solarstrom bei den Haushalten besteht. Im Moment stellen aber die hohen volkswirtschaftlichen Kosten eine entscheidende Hürde dar.
Im Zuge der Energiewende existieren aber noch viele weitere Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit Solarstrom. Die zunehmende Belastung der Stromnetze, die zeitlichen Schwankungen in der Energieproduktion und der sog. “Kannibalisierungseffekt der Strompreise”[ 10 ] sind nur einige davon.