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Deals aushandeln ist nicht gleich gute Wirtschaftspolitik

Summary:
Donald Trumps unternehmerische Stärke, das aktivistische Mikromanagement und Abschliessen von Deals taugt nicht als Rezept für eine erfolgversprechende Wirtschaftspolitik. Es ist wirklich nicht schwierig, die volkswirtschaftliche Kompetenz des neuen US-Präsidenten zu hinterfragen.[ 1 ] Er scheint überzeugt davon, dass internationaler Handel ein Nullsummenspiel ist. International tätige Unternehmen schaffen Arbeitsplätze im Ausland offenbar grundsätzlich auf Kosten von solchen im Inland. Und ein Handelsbilanzdefizit mit einem Land ist in seinem Weltbild ein Zeichen dafür, dass die USA im wirtschaftlichen Austausch mit diesem Land übervorteilt werden. Völlig unbestrittene, in volkswirtschaftlichen Grundlagenvorlesungen vermittelte Konzepte machen klar, dass das alles – höflich ausgedrückt – wenig Sinn macht. In diesem Beitrag soll es aber nicht um seine relativ offensichtlichen, schon oft thematisierten Fehlüberlegungen zur Globalisierung gehen, sondern um etwas Grundsätzlicheres. Gerade dort, wo Donald Trump scheinbar seine grösste Stärke ausspielen kann, droht er nämlich meines Erachtens der amerikanischen Volkswirtschaft mittelfristig am meisten zu schaden. Und zwar ist das bei seinen unternehmerischen Erfolgen.

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Donald Trumps unternehmerische Stärke, das aktivistische Mikromanagement und Abschliessen von Deals taugt nicht als Rezept für eine erfolgversprechende Wirtschaftspolitik.

Es ist wirklich nicht schwierig, die volkswirtschaftliche Kompetenz des neuen US-Präsidenten zu hinterfragen.[ 1 ] Er scheint überzeugt davon, dass internationaler Handel ein Nullsummenspiel ist. International tätige Unternehmen schaffen Arbeitsplätze im Ausland offenbar grundsätzlich auf Kosten von solchen im Inland. Und ein Handelsbilanzdefizit mit einem Land ist in seinem Weltbild ein Zeichen dafür, dass die USA im wirtschaftlichen Austausch mit diesem Land übervorteilt werden. Völlig unbestrittene, in volkswirtschaftlichen Grundlagenvorlesungen vermittelte Konzepte machen klar, dass das alles – höflich ausgedrückt – wenig Sinn macht. In diesem Beitrag soll es aber nicht um seine relativ offensichtlichen, schon oft thematisierten Fehlüberlegungen zur Globalisierung gehen, sondern um etwas Grundsätzlicheres. Gerade dort, wo Donald Trump scheinbar seine grösste Stärke ausspielen kann, droht er nämlich meines Erachtens der amerikanischen Volkswirtschaft mittelfristig am meisten zu schaden. Und zwar ist das bei seinen unternehmerischen Erfolgen. Zwar bestehen auch über deren Ausmass durchaus unterschiedliche Einschätzungen, aber wir wollen einmal zu seinen Gunsten annehmen, dass er mit seinen unternehmerischen Entscheiden Werte geschaffen hat; sein nicht unerhebliches Vermögen mag als Indiz dafür dienen. Da er in seinem ganzen bisherigen Berufsleben unternehmerisch tätig war, besteht die Gefahr, dass er in der Unternehmenswelt erfolgreiches Handeln unbesehen auf die Wirtschaftspolitik überträgt. Und das ist ein Rezept für den Abstieg einer Volkswirtschaft. Um das Hauptargument in einem Satz zusammenzufassen: Ein guter Unternehmer ist aktiv und interventionsfreudig, während ein guter Wirtschaftspolitiker einen sinnvollen Rahmen setzt und die wirtschaftliche Aktivität innerhalb dieses Rahmens nicht beeinflusst, sich also bewusst zurücknimmt. Sowohl seine Wahlkampfrhetorik als auch sein bisheriges Handeln machen klar, dass Donald Trump sich auch als US-Präsident als “spannenden, überraschenden” Unternehmer sieht und nicht als “langweiligen, vorhersehbaren” Wirtschaftspolitiker.

Vom Carrier-Deal zur CEO-Parade

Noch bevor er im Amt war, gab der neugewählte US-Präsident einen eindrücklichen Einblick in seine Vision von guter Wirtschaftspolitik. Carrier, ein Produzent von Klimaanlagen plante mehr als 1000 Arbeitsplätze in Indiana aufzugeben und die Produktion in Mexiko anzusiedeln. Ende November letzten Jahres verkündete Trump, dass er einen Deal ausgehandelt habe, mit dem ein Grossteil dieser Arbeitsplätze in den USA gerettet würden. Er persönlich habe sich darum gekümmert und er machte klar, dass dies ein Muster für seine zukünftige Arbeitsweise sei. Was genau in den Hinterzimmern gelaufen war, um dies auszuhandeln blieb unklar, aber es war wohl eine Kombination von Zuckerbrot und Peitsche. Ersteres bestand aus einer substantiellen Steuervergünstigung für das Unternehmen. Und die Peitsche war wohl, dass die Muttergesellschaft von Carrier fürchten musste, ihre substantiellen Aufträge vom Verteidigungsministerium könnten gefährdet sein, falls man das Spiel nicht mitmacht. Aus Sicht eines Unternehmers ist das ein erfolgreicher Deal, aus Sicht des Wirtschaftspolitikers ist es ein abschreckendes Beispiel von willkürlicher Anwendung staatlicher Macht, das äusserst problematische Signale aussendet. Und dass diese Signale verstanden wurden, dafür sorgten Trumps weitere Handlungen vor seiner Amtsübernahme und auch danach. Über Twitter liess er verschiedene Unternehmen praktisch im Tagesrhythmus wissen, womit er nicht zufrieden sei und was er von ihnen erwarte; meist mit entsprechenden Rückwirkungen auf deren Aktienkurse. Kein Unternehmen kann sich sicher sein, ob und ggf. wann es von einem solchen Bannstrahl getroffen wird. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass sich in jüngster Zeit die CEOs grosser Unternehmen im Weissen Haus die Klinke in die Hand geben. Allen ist klar, dass man sich mit diesem Präsidenten gut zu stellen hat, will man nicht riskieren, von einer völlig unvorhersehbaren Twitter-Attacke oder schlimmeren getroffen werden. Und diese leicht irritierende CEO-Parade im Weissen Haus hat sehr wenig mit hilfreicher Wirtschaftsnähe der Administration zu tun und sehr viel mit schädlicher Willkür; das uramerikanische Erfolgsrezept des “rule of law” droht durch ein “rule of man” ersetzt zu werden wie man es von autokratischen Regimen gewohnt ist.

Unsicherheit als Hauptproblem

Nun wird man sich vielleicht fragen, ob da nicht gerade etwas übertrieben wurde. Der Carrier-Deal hat ja immerhin zum Erhalt von gewissen Arbeitsplätzen geführt und hat es nicht auch gute Seiten, wenn sich ein Politiker einmal mit etwas hemdsärmeligen Methoden der Macht der Unternehmen entgegenstellt? Das Problem sind aber eben nicht die einzelnen Handlungen, die für sich genommen eher marginale Effekt haben als vielmehr die Tatsache, dass hier ein subtiles Gleichgewicht gefährdet wird, das die Essenz einer funktionierenden Marktwirtschaft ausmacht. Dieses besteht darin, dass die Rollen von Staat und Wirtschaft klar definiert und so weit wie möglich getrennt sind: Der Staat setzt einen stabilen, für alle geltenden Rahmen, der klar definierte gesetzliche Vorgaben durchsetzt und die Märkte für den Wettbewerb offenhält. Innerhalb dieser Spielregeln sollen die Unternehmen gewinnorientiert agieren, ohne dass der Staat ihnen dabei laufend und willkürlich weitere Vorgaben machen kann. Der grosse Vorteil ist, dass sich die Unternehmen auf diesen Rahmen weitgehend verlassen können und sich deshalb auf ihre Kerntätigkeit konzentrieren können. Sobald die Politik beginnt, direkt in die Geschäftstätigkeit einzelner Unternehmen hineinzuwirken, verschlechtert sich die Effizienz des Systems in verschiedener Hinsicht. Erstens entsteht institutionelle Unsicherheit, die für die Unternehmenstätigkeit und insbesondere für Investitionen kostensteigernd wirkt. Zweitens führen direkte Eingriffe zu einem ineffizienteren Einsatz der Ressourcen, weil sie nicht mehr durch marktbasierte Knappheitssignale, sondern durch politische Überlegungen getrieben wird. Und drittens lohnt es sich für die Unternehmen substantielle Ressourcen einzusetzen, um die Politik bei ihren willkürlichen Entscheiden gnädig zu stimmen; da ist dann die Korruption mit all ihren kostentreibenden Effekten meist nicht mehr weit entfernt.

Die substantiellen Kosten solch institutioneller Unsicherheit lassen sich in den demokratisch nicht gefestigten oder gar autokratischen Regimen zahlreicher Entwicklungsländer beobachten. Wo der direkte Einfluss der Exekutive auf Unternehmen gross ist und Willkür herrscht, ist die Unsicherheit oft so gross, dass sich substantielle Investitionen kaum lohnen. Kann man sich nicht darauf verlassen, dass die Spielregeln eine gewisse Stabilität haben und muss man jederzeit mit unvorhersehbaren staatlichen Eingriffen in die Geschäftstätigkeit rechnen, so ist es eine schlechte Strategie, Ressourcen zu binden. Es ist kein Zufall, dass institutionelle Reformen in Richtung verlässlicher rechtsstaatlicher Verhältnisse bei Strategien zur Stimulierung der wirtschaftlichen Entwicklung oft zuoberst auf der Liste stehen.

Populistische Gefahren

Trotz den problematischen Handlungen des neugewählten Präsidenten, ist doch zu hoffen, dass die US-Institutionen stabil genug sind, um eine zu grosse Destabilisierung zu verhindern. Besorgniserregend ist allerdings, dass die substantiellen Kosten dieser Wirtschaftspolitik womöglich erst mit Verzögerung erkannt werden. Die wirtschaftsfreundliche Rhetorik (Stichwort Deregulierung) und vor allem die geplante keynesianische Stimulierung (Stichworte Infrastrukturausgaben und Steuersenkungen) könnten kurzfristig stimulierend wirken, so dass der Eindruck entstehen könnte, der neue wirtschaftspolitische Stil sei wachstumsfördernd; wie bei populistischer Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war, kommen die Kosten oft mit einer gewissen Verzögerung, dann aber heftig. Angesichts der Morgenluft, die Populisten momentan überall wittern, könnte eine solche Fehldiagnose über die Effekte des Trump’schen Aktivismus weltweit schädliche Rückwirkungen auf die Qualität der Wirtschaftspolitik haben. Es ist deshalb umso wichtiger, dass wir Ökonomen mit Nachdruck darauf hinweisen, dass das langweilige Arbeiten an und Durchsetzen von stabilen Rahmenbedingungen die wirtschaftspolitische Voraussetzung für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg darstellt. Die Schweiz bietet dafür im Übrigen eindrücklichen Anschauungsunterricht. Je weniger man von hochfliegenden Ideen und laufenden Aktivitäten in der Finanz- und Wirtschaftspolitik hört, desto besser ist das in der Regel für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung. Nach diesem Massstab waren die ersten Trump-Wochen wirklich besorgniserregend.


  • 1  Eine etwas kürzere Version dieses Artikels ist am 11. Februar 2017 in der “Finanz und Wirtschaft” erschienen.

©KOF ETH Zürich, 15. Feb. 2017