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Wie wirken sich Scheidungen langfristig auf Kinder aus?

Summary:
Scheidungen können sich negativ auf den späteren Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg von Kindern auswirken. Dieser Beitrag plädiert deshalb für einen kleinen Anstieg der Scheidungskosten. Immer häufiger wachsen Kinder in einem Haushalt mit nur einem Elternteil auf. Politische Entscheidungsträger sind verstärkt besorgt um das Wohlergehen dieser Kinder. Eine Vielzahl an Arbeiten beschäftigt sich mit der speziellen Gruppe der Scheidungswaisen. Diese Arbeiten aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen dokumentieren einen starken negativen Zusammenhang zwischen elterlicher Scheidung und der Entwicklung von betroffenen Kindern. Dieser Zusammenhang ist äußerst persistent und hat ökonomische sowie emotionale Folgen bis in das Erwachsenenalter. Inwieweit dieser Zusammenhang jedoch kausal interpretiert werden kann, darüber besteht noch große Unklarheit. Ein vermeidlicher Zusammenhang zwischen Scheidung und negative Folgen, könnte auch nur eine Scheinkorrelation widerspiegeln (vgl., u.a. Manski et al., 1992; Painter und Levine, 2000; Amato, 2010; Bhrolcháin, 2013; Gähler und Palmtag, 2015). Eine mögliche Erklärung dafür wäre etwa ein eigenständiger negativer Effekt auf die Entwicklung der Kinder durch Faktoren, die mit eine Scheidung korrelieren (wie zum Beispiel emotionaler Stress oder Streit), die der Forscher jedoch nicht beobachten und messen kann.

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Scheidungen können sich negativ auf den späteren Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg von Kindern auswirken. Dieser Beitrag plädiert deshalb für einen kleinen Anstieg der Scheidungskosten.

Immer häufiger wachsen Kinder in einem Haushalt mit nur einem Elternteil auf. Politische Entscheidungsträger sind verstärkt besorgt um das Wohlergehen dieser Kinder. Eine Vielzahl an Arbeiten beschäftigt sich mit der speziellen Gruppe der Scheidungswaisen. Diese Arbeiten aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen dokumentieren einen starken negativen Zusammenhang zwischen elterlicher Scheidung und der Entwicklung von betroffenen Kindern. Dieser Zusammenhang ist äußerst persistent und hat ökonomische sowie emotionale Folgen bis in das Erwachsenenalter. Inwieweit dieser Zusammenhang jedoch kausal interpretiert werden kann, darüber besteht noch große Unklarheit. Ein vermeidlicher Zusammenhang zwischen Scheidung und negative Folgen, könnte auch nur eine Scheinkorrelation widerspiegeln (vgl., u.a. Manski et al., 1992; Painter und Levine, 2000; Amato, 2010; Bhrolcháin, 2013; Gähler und Palmtag, 2015). Eine mögliche Erklärung dafür wäre etwa ein eigenständiger negativer Effekt auf die Entwicklung der Kinder durch Faktoren, die mit eine Scheidung korrelieren (wie zum Beispiel emotionaler Stress oder Streit), die der Forscher jedoch nicht beobachten und messen kann.

In einer neuen Arbeit (Frimmel et al. 2016) analysieren wir anhand von österreichischen Daten die Entwicklung von Kindern, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr eine Scheidung der Eltern erfahren haben. Um die Frage der Kausalität zu klären, benötigen wir hierzu eine sogenannte exogene Variation in der Scheidungswahrscheinlichkeit der Eltern. Diese exogene Variation ist einerseits notwendig, um eine valide kontrafaktischen Situation zu konstruieren (d.h. “was wäre gewesen ohne Scheidung”). Andererseits ist eine konkretere Vorstellung über die kontrafaktische Situation auch essentiell, um über die kausalen Kanälen, durch welche Kinder letztlich betroffen sind, nachzudenken. Angenommen, Kinder aus stabilen Familienverhältnissen bilden die kontrafaktischen Situation (die zum Vergleich herangezogen wird), so würde man klarerweise einen negativen Effekt von Scheidung auf die Entwicklung der Kinder vermuten. Eine wahrscheinlich relevantere kontrafaktische Situation sind Familienverhältnisse die auch von gewissen Konflikten geprägt sind. In diesem Fall könnten Kinder durch eine Scheidung möglicherweise auch profitieren, wenn die Zeit nach der Scheidung vergleichsweise vorteilhafter für Kinder die ist als weiterhin in einem konfliktreichen Haushalt mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Bestehende Evidenz ist schwierig zu interpretieren, da ein Großteil der Literatur diese kontrafaktische Situation nur ungenügend beschreibt und kein überzeugendes Studiendesign anbietet, dass eine empirische Identifikation von kausalen Effekten glaubwürdig herbeiführt. McLanahan et al. (2013) biete dazu einen umfassenden Überblick über die bestehende Literatur.

Der Arbeitsplatz als Scheidungsrisiko

Um diesen kausalen Link herzustellen, schlagen wir in unserer Arbeit einen Instrumentalvariablenansatz vor, der die idiosynkratische Variation im Ausmaß der Geschlechterzusammensetzung am Arbeitsplatz des Vaters ausnützt. McKinnish (2004, 2007) und Svarer (2007) zeigen, dass Individuen mit einem höheren Anteil an Kollegen des anderen Geschlechtes eine signifikant höhere Scheidungswahrscheinlichkeit haben. Dieses empirische Ergebnis kann auch im Rahmen des ökonomischen Modells von Heirat und Scheidung (Becker et al., 1977) erklärt werden, wo argumentiert wird, dass unvollständige Informationen zum Zeitpunkt der Eheschließung und der darauffolgende Erwerb neuer Informationen während der Ehe eine der Schlüsseldeterminanten von Scheidung sind. Das trifft insbesondere auf neue Informationen über potentielle alternative Optionen in Form von außerehelichen Beziehungen zu. Arbeitsplätze mit ausgeglichenerem Geschlechterverhältnis erleichtern demnach das Kennenlernen von anderen potentiellen Partnern, was in Folge die Scheidungswahrscheinlichkeiten erhöht. Wir identifizieren daher den kausalen Effekt von Scheidung auf jene Kinder, deren Väter die Familie verließen, weil sie eine neue Partnerin am Arbeitsplatz kennengelernt haben. Wir argumentieren, dass dieses Studiendesign ein realistisches Scheidungsszenario beschreibt und zugleich eine gute Balance zwischen interner und externer Validität schafft.

Um die langfristigen Effekte von Scheidungen festzustellen, analysieren wir Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg der Kinder sowie ein Reihe von deren demographischen Merkmalen, die familien-relevante Entscheidungen wiederspiegeln. Den Bildungserfolg evaluieren wir anhand des Besuches einer universitären Einrichtung. Aufgrund des in Österreich herrschenden Systems der frühen Schullaufbahnentscheidungen impliziert dies, selbst wenn kein Abschluss erfolgt, einen höheren Schulabschluss (wie Matura bzw. Abitur). Den Arbeitsmarkterfolg messen wir anhand des Arbeitsmarktstatus der Kinder (d.h., beschäftigt, arbeitslos oder keine Teilnahme am Arbeitsmarkt) bis zum Alter von 25 Jahren. Die demographischen Merkmale umfassen das Fertilitäts- und Heiratsverhalten der Kinder, sowie die Wahrscheinlichkeit eines frühen Todes (unter 25 Jahren). Unsere Resultate zeigen, dass Scheidungen – ausgelöst durch das Geschlechterverhältnis am Arbeitsplatz des Vaters – negative Effekte auf die langfristige Entwicklung der Kinder haben. Abbildung 1 fasst die Ergebnisse für Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg, Abbildung 2 für jene der demographischen Merkmale der Kinder zusammen.

Abbildung 1: Effekte von Scheidungen auf demographische Ergebnisse

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Abbildung 2: Effekte von Scheidungen auf das Humankapital

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Für Buben und Mädchen gilt, dass eine Scheidung der Eltern zu einem geringerem Ausbildungsniveau führt. Scheidungen reduzieren die Wahrscheinlichkeit eines Besuches einer Universität um 9 bis 10 Prozentpunkte. In Bezug auf alle anderen Ergebnisvariablen finden wir geschlechterspezifische Unterschiede. Für Buben finden wir kaum Effekte auf das Heirats- und Fertilitätsverhalten, beobachten jedoch eine höhere Sterbewahrscheinlichkeit und schlechtere Arbeitsmarktergebnisse im Alter von 25 Jahren. Abbildung 3 fasst die Arbeitsmarkteffekte zu verschiedenem Alter zusammen. Diese zeigt, dass der negative Arbeitsmarkteffekt ab dem Alter von 22 Jahren auftritt. Für Mädchen finden wir starke Effekte auf das Fertilitätsverhalten. Eine Scheidung der Eltern erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft speziell in jungen Jahren. Die meisten dieser Enkelkinder werden unehelich geboren. Dies ist im Einklang damit, dass wir nur sehr geringe Evidenz für eine erhöhte Heiratswahrscheinlichkeit finden. Hinsichtlich des Arbeitsmarktes finden wir für die Mädchen eine leicht erhöhte Beschäftigungswahrscheinlichkeit in den frühen Zwanzigern, die jedoch mit höherem Alter verschwindet (siehe Abbildung 3). Letzteres könnte eine direkte Konsequenz von sehr junger außerehelicher Mutterschaft sein, die möglicherweise einen früheren Eintritt in den Arbeitsmarkt erzwingt.

Abbildung 3: Effekte von Scheidungen auf die Beschäftigungswahrscheinlichkeit

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Obwohl die externe Validität einer Analyse stets schwierig zu beurteilen ist, liefert unser empirischer Zugang Resultate, die von breiterem Interesse sein könnten. Unsere Schätzungen geben Aufschluss über die Konsequenzen von Scheidungen in Situationen, wo die Trennung dadurch ausgelöst wird, weil der Vater am Arbeitsplatz eine neu potentielle Partnerin kennenlernt. Diese Art von Scheidung ist ein durchaus realistisches Szenario, aber im Grunde ein Vermeidbares. Ein kleiner Anstieg in den Kosten einer Scheidung oder im Nutzen der bestehenden Ehe – wie zum Beispiel durch eine Änderung in der Scheidungsgesetzgebung oder in der gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber Scheidungen – könnte einen Teil dieser Scheidungen verhindern. Scheidungen als Konsequenz von ernsthaften Schocks, wie beispielsweise häuslicher Gewalt, können und sollen hingegen nicht abgewendet werden.

Unsere Resultate sind konsistent mit den Erwartungen über potentielle Mechanismen von Scheidung. Nach einer Scheidung wachsen Kinder üblicherweise in einem Alleinerzieherhaushalt mit ihrer Mutter auf, da Müttern häufig das alleinige oder hauptsächliche Sorgerecht zugesprochen wird. Solche Haushalte haben oftmals geringere finanzielle Ressourcen, leben in ärmeren Wohngegenden, haben weniger und schwächere männliche Rollenbilder sowie kleinere soziale Netzwerke. Zudem könnten betroffene Kinder direkt unter der räumlichen Trennung zu ihrem Vater, anhaltenden Feindseligkeiten zwischen den Eltern oder möglichen Wohnort- oder Schulwechsel leiden (Painter und Levine, 2000).

Unsere Ergebnisse implizieren auch, dass die negativen Konsequenzen von Scheidungen nicht nur ausschließlich von Eltern berücksichtigt werden sollten, sondern auch von politischen Entscheidungsträgern. Dies bezieht sich auf die Ausgestaltung von Politikmaßnahmen, die Scheidungsanreize beeinflussen, aber auch auf Programmen, die speziell auf die Entwicklung Kinder aus zerrütteten Familien abzielen.

Literatur

Amato, P R (2010) “Research on divorce: Continuing trends and new developments”, Journal of Marriage and Family, 72(3): 650-666.

Becker, G S, E M Landes and R T Michael (1977) “An economic analysis of marital instability”, Journal of Political Economy, 85(6): 1141-1187.

Bhrolcháin, M N (2013) “Divorce effects’ and causality in the social sciences”, European Sociological Review, 17(1): 33-57.

Frimmel, W, M Halla and R Winter-Ebmer (2016) “How does parental divorce affect children’s long-term outcomes?”, CEPR, Discussion Paper No11339.

Gähler, M and E Palmtag (2015) “Parental divorce, psychological well-being and educational attainment: Changed experience, unchanged effect among Swedes born 1892-1991”, Social Indicators Research, 123(2): 601-623.

Manski, C F, G D Sandefur, S McLanahan and D Powers (1992) “Alternative estimates of the effect of family structure during adolescence on high school graduation”, Journal of the American Statistical Association, 87(417): 25-37.

McKinnish, T G (2004) “Occupation, sex-integration, and divorce”, American Economic Review, Papers and Proceedings, 94(2): 322-325.

McKinnish, T G (2007) “Sexually integrated workplaces and divorce: Another form of on-the-job search”, Journal of Human Resources, 42(2): 331-352.

McLanahan, S, L Tach and D Schneider (2013) “The causal effects of father absence”, Annual Review of Sociology, 39: 399-427.

Painter, G and D I Levine (2000) “Family structure and youths’ outcomes: Which correlations are causal?”, Journal of Human Resources, 35(3): 524-549.

Svarer, M (2007) “Working late: Do workplace sex ratios affect partnership formation and dissolution?”, Journal of Human Resources, 42(3): 582-595.

 

©KOF ETH Zürich, 15. Sep. 2016

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