Es bestehen kaum Zweifel, dass in der Schweiz Inländer den Fachkräftebedarf der Unternehmen nicht decken können. Ein Grund dafür ist u.a. die geringe Motivation von Mädchen für die MINT-Fächer. Bis sich solche strukturellen Ursachen ändern, dauert es. Entsprechend wichtig bleibt eine liberale Zuwanderungspolitik, um den Bedarf zu decken, wie dieser Beitrag zeigt. Die Diskussion über Fachkräftemangel ist ein Dauerbrenner. Besonders im Visier sind die zur Sicherung einer starken industriellen Basis zentralen Berufe Ingenieur, Informatiker und Techniker. Doch ist der Ruf nach Förderung mathematisch-technischer Ausbildung wirklich gerechtfertigt oder einfach Alarmismus der Unternehmen, um Kosten zu sparen und Unternehmensprofite zu steigern? Warum sollten die Marktanreize zur Aufnahme wirtschaftlich besonders wertvoller Ausbildungsfächer nicht ausreichen? Laut einer Studie des SECO (2014) vom letzten Jahr gibt es in der Schweiz bei den Ingenieuren, Informatikern und Technikern eine weit überdurchschnittlich hohe Zuwanderung, eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote und eine überdurchschnittliche Quote der offenen Stellen. Diese Indikatoren lassen kaum Zweifel zu, dass Inländer den Fachkräftebedarf der Unternehmen nicht decken. Natürlich ist dieser Bedarf geringer, wenn die Löhne höher sind.
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Volker Grossmann, Aderonke Osikominu considers the following as important:
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Es bestehen kaum Zweifel, dass in der Schweiz Inländer den Fachkräftebedarf der Unternehmen nicht decken können. Ein Grund dafür ist u.a. die geringe Motivation von Mädchen für die MINT-Fächer. Bis sich solche strukturellen Ursachen ändern, dauert es. Entsprechend wichtig bleibt eine liberale Zuwanderungspolitik, um den Bedarf zu decken, wie dieser Beitrag zeigt.
Die Diskussion über Fachkräftemangel ist ein Dauerbrenner. Besonders im Visier sind die zur Sicherung einer starken industriellen Basis zentralen Berufe Ingenieur, Informatiker und Techniker. Doch ist der Ruf nach Förderung mathematisch-technischer Ausbildung wirklich gerechtfertigt oder einfach Alarmismus der Unternehmen, um Kosten zu sparen und Unternehmensprofite zu steigern? Warum sollten die Marktanreize zur Aufnahme wirtschaftlich besonders wertvoller Ausbildungsfächer nicht ausreichen?
Laut einer Studie des SECO (2014) vom letzten Jahr gibt es in der Schweiz bei den Ingenieuren, Informatikern und Technikern eine weit überdurchschnittlich hohe Zuwanderung, eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote und eine überdurchschnittliche Quote der offenen Stellen. Diese Indikatoren lassen kaum Zweifel zu, dass Inländer den Fachkräftebedarf der Unternehmen nicht decken. Natürlich ist dieser Bedarf geringer, wenn die Löhne höher sind. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Unternehmen bereits der Knappheit der Fachkräfte angemessene hohe Löhne zahlen. Nur ziehen diese Löhne offensichtlich aufgrund Erschöpfung des inländischen Potenzials vor allem Zuwanderer an. Etwa 16 % der in der Schweiz tätigen Informatiker sind in den letzten zehn Jahren neu zugewandert, bei den Programmierern sind es sogar fast 21%. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Fachkräften geht zudem weit über den angemeldeten Bedarf der Unternehmen hinaus. Wenn ein grosses Angebot von Fachkräften in einem Land oder in einer Region vorhanden ist, dann siedeln sich auch Firmen an, die diese Fachkräfte einsetzen möchten.
Geringe Motivation von Mädchen für mathematisch-technische Fächer
Bei Ingenieuren und Informatikern werden von Unternehmen mehrheitlich Hochschulabsolventen nachgefragt. Was also determiniert die Studienfachwahl und wie kann man angesichts des Fachkräftemangels Abhilfe schaffen? Viele Studien finden, dass Männer sehr viel stärker durch die nach Studienabschluss erzielbaren Löhne motiviert sind als Frauen. Frauen hingegen wählen ihr Studienfach vor allem nach inhaltlichem Interesse (Grossmann, Osikominu und Osterfeld, 2015). Daher kommt den Schulen die Verantwortung zu, Kinder und vor allem Mädchen für mathematisch und technisch orientierte Fächer zu motivieren. Einer Studie der OECD (2007) zufolge war der Unterschied in der (mangelnden) Motivation von 15-jährigen Mädchen für Mathematik im Vergleich zur Motivation von Jungen unter den Industrieländern nirgendwo so gross wie in der Schweiz. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass an Schweizer Universitäten dreimal mehr Männer als Frauen Mathematik studieren (Bundesamt für Statistik, 2015; eigene Berechnungen). Unter den Studierenden der exakten Wissenschaften (Mathematik, Informatik und Physik) zusammengenommen befinden sich nicht mal ein Fünftel Frauen. An den Fachhochschulen ist die Situation zum Teil noch dramatischer. Die Studierendenquote in Technik- und IT-Fächern an den Studierenden insgesamt betrug 14%, davon waren über 90% Männer.
Neben mathematisch-technischen Fächern spielen in der Schweiz aufgrund des sehr bedeutenden Pharmasektors auch Biotechnologie und Pharmazie eine grosse Rolle. Bei den sog. MINT-Fächern, also exakte Wissenschaften, Naturwissenschaften und technische Wissenschaften sieht man insgesamt in den letzten 25 Jahren einen leichten Anstieg in der Studierendenquote an Schweizer Universitäten von circa 26 % auf gut 30 %. Die weibliche Studierendenquote in diesen Fächern hat sich in den letzten 10 Jahren von 16% auf 20% erhöht. Aber noch immer ist die männliche Studierendenquote in MINT-Fächern mit 41% etwa doppelt so hoch.
Konservative Umgebung als Erklärung?
Die Basis des Schweizer Fachkräftemangels ist also vor allem die im internationalen Vergleich aussergewöhnlich geringe Motivation von Mädchen für mathematisch-technische Fächer schon in jungen Jahren. Ist dies auf eine konservative Umgebung der insgesamt noch wenig urbanisierten Schweiz zurückzuführen? Um dieser Frage nachzugehen, haben wir die Heimatgemeinde von Universitätsabsolventen charakterisiert durch das Abstimmungsverhalten bei Nationalratswahlen und Volksabstimmungen, etwa über die Gleichstellung von Männern und Frauen, die rechtlich anerkannte Zivilgemeinschaft homosexueller Paare, die Heroinabgabe für Süchtige und einen liberalen Umgang mit der Stammzellenforschung (Grossmann et al., 2015). Die Wahlergebnisse auf Gemeindeebene sind frei von Verzerrungen, die bei einer direkten Befragung entstehen können, wenn die Befragten eher die sozial erwünschte als die eigene Meinung angeben. In konservativer Umgebung aufgewachsene Männer wählen demnach eher MINT-Fächer an der Universität. Dies mag damit zusammenhängen, dass Gesellschaftswissenschaften und philosophische Fächer als linksliberal gelten und dass in konservativen Gemeinden zumeist in der Deutschschweiz der Studierendenanteil ohnehin gering ist. Bei Frauen hingegen spielen die politischen Einstellungen in der Heimatgemeinde keine Rolle für die Studienfachwahl. Einerseits gilt hier dieselbe Argumentation wie für Männer, andererseits führen konservative Rollenbilder möglicherweise dazu, dass Frauen sich weniger für mathematische und technische Fächer interessieren. Dieser Befund wird durch Studien für die USA gestützt (z.B. Carrell, Page und West, 2010), die zeigen, dass Rollenvorbilder einen Einfluss auf die Studienfachwahl haben. Daraus lässt sich eine besondere Verantwortung der Schulen ableiten, konservativen Rollenbildern entgegenzuwirken.
Die Studienfachwahl wird ebenso beeinflusst durch das lokale Studienangebot (Grossmann et al., 2015; Osterfeld, 2015). Das gilt für Männer wie für Frauen. Somit sollte man angesichts des Fachkräftemangels in der Schweiz zweimal überlegen, ob man vom Prinzip des bisher flächendeckenden Angebot an Studienfächern wirklich aus Kostengründen abweichen und beispielsweise die exakten Wissenschaften trotz geringer Studierendenzahlen auf wenige Orte konzentrieren will. An Bildung zu sparen ist selten eine gute Idee, zumal die öffentlichen Bildungsausgaben als Anteil des Bruttoinlandsproduktes in der Schweiz allenfalls im OECD-Durchschnitt liegen. Er betrug im letzten verfügbaren Jahr 2011 gerade mal 1,3% für Hochschulen und 5,2% insgesamt (OECD, 2014).
Liberale Zuwanderungspolitik wichtig
Da sich die Ausbildungsstruktur in der Schweiz nicht so schnell ändern wird, ist eine liberale Zuwanderungspolitik somit weiterhin unerlässlich. Aus Studien für die USA wissen wir, dass Immigranten mit Studienabschluss in MINT-Fächern zu deutlich mehr Patentanmeldungen und höherem Produktivitätswachstum beitragen (z.B. Hunt und Gauthier-Loiselle, 2010). Es ist somit nicht richtig, wie oft behauptet wird, dass Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte das Pro-Kopf-Einkommen und die Lebensqualität nicht erhöhen. Ein Blick nach Deutschland zeigt ebenfalls, dass die durch einen hohen Industrieanteil geprägten Regionen wie die Grossräume Stuttgart, München und Hannover durch geringe Arbeitslosigkeit und sozialen Frieden gekennzeichnet sind bei einem gleichzeitig hohen Migrantenanteil. Insgesamt ist klar: gerade in der Schweiz kann man und sollte man das Thema Fachkräftemangel nicht vom Thema Migration trennen. Die Einschränkung der Migration Hochqualifizierter würde zur Folge haben, dass die mangelnde Zahl der Fachkräfte unter den Schweizern den Fachkräftemangel in der Schweiz noch verstärkt und sich somit die seit längerem andauernde Wachstumsschwäche der Schweiz verschärft.
Bundesamt für Statistik (2015). Studierende an den universitären Hochschulen/Fachhochschulen: Basistabellen[ a ], 8. November 2015.
Carrell, Scott E., Marianne Page und James E. West (2010). Sex and Science: How Professor Gender Perpetuates the Gender Gap, Quarterly Journal of Economics 125, 1101-1144.
Grossmann, Volker, Aderonke Osikominu und Marius Osterfeld (2015). Are Sociocultural Factors Important for Studying a Science University Major[ b ], IZA Discussion Paper No. 9415.[ b ]
Hunt, Jennifer und Marjolaine Gauthier-Loiselle (2010). How Much Does Immigration Boost Innovation?, American Economic Journal: Macroeconomics 2, 31-56.
OECD (2007). Education at a Glance, Paris.
OECD (2014). Education at a Glance, Paris.
Osterfeld, Marius (2015). Determinanten der Studienfachwahl, unveröffentlichte Dissertation, Universität Freiburg/Schweiz.
SECO (2014). Fachkräftemangel in der Schweiz – Ein Indikatorensystem zur Beurteilung der Fachkräftenachfrage in verschiedenen Berufsfeldern[ c ], Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), 23.04.2014.
©KOF ETH Zürich, 11. Jan. 2016