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Kulturgutschutzgesetz: Wie der Staat den größten Verlust deutscher Kunstwerke seit dem Zweiten Weltkrieg organisiert

Summary:
Das anstehende Kulturgutschutzgesetz schützt die deutsche Kunst nicht, sondern es organisiert den größten Kunstverlust Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg, da Sammler ihre Werke ins Ausland schaffen, wie dieser Beitrag zeigt. Der Staat erfüllt seine Aufgabe als Kulturschützer am besten, wenn er den Eigentümern von Kunst das freie Verfügungsrecht über ihre Sammelstücke garantiert. Ein staatliches Vorkaufsrecht wie im Vereinigten Königreich reicht aus, um nationale Kulturgüter, die von der Abwanderung bedroht sind, im Inland zu halten. Nur wenn der Staat mitbietet, kann er national bedeutsame Kunstgüter für das Inland wirksam schützen. Bietet er nicht, so signalisiert er, dass ihm die besagten Kunstwerke den Preis nicht wert sind, und daher auch exportiert werden können. Die Bundesregierung lehnt ein solches Vorkaufsrecht ab. Das sei "Kulturpolitik nach Kassenlage". Sie will ihre Hand auf private Kunstgüter insbesondere dann legen, wenn ihr das Geld zum Kauf fehlt. Dadurch zeigt sie, dass ihr die Kultur nicht das wert ist, was sie kostet. Sie will den vollen Preis nicht bezahlen und zieht es vor, die Eigentümer zu enteignen. Genau dadurch betreibt sie die von ihr selbst kritisierte "Kulturpolitik nach Kassenlage". Sie vertreibt deutsches Kulturgut ins Ausland. Doch Enteignung ist keineswegs zwingend. Der Staat kann auch kann auch ehrlich spielen.

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Das anstehende Kulturgutschutzgesetz schützt die deutsche Kunst nicht, sondern es organisiert den größten Kunstverlust Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg, da Sammler ihre Werke ins Ausland schaffen, wie dieser Beitrag zeigt.

Der Staat erfüllt seine Aufgabe als Kulturschützer am besten, wenn er den Eigentümern von Kunst das freie Verfügungsrecht über ihre Sammelstücke garantiert. Ein staatliches Vorkaufsrecht wie im Vereinigten Königreich reicht aus, um nationale Kulturgüter, die von der Abwanderung bedroht sind, im Inland zu halten. Nur wenn der Staat mitbietet, kann er national bedeutsame Kunstgüter für das Inland wirksam schützen. Bietet er nicht, so signalisiert er, dass ihm die besagten Kunstwerke den Preis nicht wert sind, und daher auch exportiert werden können. Die Bundesregierung lehnt ein solches Vorkaufsrecht ab. Das sei "Kulturpolitik nach Kassenlage". Sie will ihre Hand auf private Kunstgüter insbesondere dann legen, wenn ihr das Geld zum Kauf fehlt. Dadurch zeigt sie, dass ihr die Kultur nicht das wert ist, was sie kostet. Sie will den vollen Preis nicht bezahlen und zieht es vor, die Eigentümer zu enteignen. Genau dadurch betreibt sie die von ihr selbst kritisierte "Kulturpolitik nach Kassenlage". Sie vertreibt deutsches Kulturgut ins Ausland.

Doch Enteignung ist keineswegs zwingend. Der Staat kann auch kann auch ehrlich spielen. Als dem Kanton Basel-Stadt im Jahr 1967 das Geld fehlte, um zwei Picasso-Bilder («Sitzender Harlekin » und «Les deux Frères») eines in Not geratenen Leihgebers zu kaufen, da sprangen die Basler Stimmbürger und Steuerzahler in die Bresche: In einer Volksabstimmung genehmigten sie die Mittel und retteten so die zwei Bilder für das Kunstmuseum. Regierung und Bürger anerkannten den vollen Marktwert ohne Wenn und Aber. Fragwürdige deutsche Argumentationen wie die von der "identitätsstiftenden Kunst" wurden gar nicht vorgebracht.

Eigentumsschutz ist nicht nur für den Erhalt privater Kultur wichtig, sondern auch zur Verhinderung von Kunstraub und Schwarzmarkt. Weltweit besteht hier ein großes Staatsversagen. Wenn die Staaten Eigentumsrechte nicht durchsetzen und Kunstraub und Schwarzmarkt zulassen, so dürfen die Folgen nicht dem Markt zugeschoben werden. Denn in solchen Fällen versagt der Staat.

In besonderem Maße versagte der Staat in den dunklen Zeiten des Nationalsozialismus. Erst erklärte das Reich eine bestimmte Kunst für entartet, dann enteignete es ihre Besitzer, schließlich verkaufte es die Kunstwerke zu Schleuderpreisen. Ein trauriges Kapitel staatlicher Kunstpolitik. Letztlich ist es der Markt, der damals Schlimmeres verhinderte. Hierzu schreibt Frank Vischer, der frühere Direktor des Basler Kunstmuseums:

"Mit der 1934 erfolgten Eingliederung der Landesmuseen in die Reichsverwaltung gingen die Bestände dieser Museen in das Eigentum des deutschen Staates über. Das Ziel der barbarischen Aktion war es, wie Hitler am Reichsparteitag 1935 ausführte, «dem Kulturzerfall ein Ende zu setzen» und alles für die «kulturelle Wiedergeburt» Deutschlands zu unternehmen…. Die Werke, die nicht verkauft werden konnten, wurden im «Grossen Depot» an der Köpenickerstrasse in Berlin aufbewahrt und später verbrannt. Dabei sollen 1004 Ölgemälde und Plastiken sowie 3925 Aquarelle, Zeichnungen und grafische Blätter zugrunde gegangen sein." Das zeigt: Nur der Markt hat verhindert, dass nicht noch mehr Kunstgüter durch den Staat zerstört worden sind.

Es besteht somit kein Grund, dass sich der Staat aufs hohe Ross setzt und behauptet, er sei der wahre Kunstschützer. Die Erfahrung spricht eher für das Gegenteil. "Ja, das war damals", werden die Anhänger des Kulturgutschutzgesetzes einwenden: Aber "this time is different". Wir haben ja heute eine Demokratie in Deutschland. Da gilt das Gesetz der Mehrheit. Doch auf Minderheiten nimmt die Mehrheitsdemokratie (wie das Kulturschutzgesetz zeigt) keine Rücksicht. Der Primat der Mehrheit wird zum Feind des Rechtsstaates. Den Minderheiten bleibt noch die Möglichkeit, ihre Kunst rechtzeitig dem Zugriff der Mehrheit zu entziehen. Minderheiten sehen sich gezwungen ihr Eigentum in Staaten verschieben, die auch ihnen Rechtssicherheit gewährleisten. Diese Zielstaaten werden letztlich zu Gewinnern der deutschen Kunstpolitik. Ihnen fließt zu, was die deutschen Mehrheitspolitiker in ihrer Kurzsichtigkeit verspielen.

Kluge Regierungen wissen: Wir können mehr gewinnen, wenn wir Privateigentum von Kunstwerken garantieren und dadurch Kunst anziehen, als wenn wir Kunst durch Enteignung dem Zugriff des Staates unterstellen und sie so verjagen. Schuld am Fiasko des Kulturschutzgesetzes sind nicht die privaten Sammler. Die meisten Kunstliebhaber hätten ihre Objekte gar nicht verkaufen, sondern sie nur genießen und allenfalls an Ausstellungen oder als Dauerleihgaben an Museen geben wollen. Viele Museen sind auf diese Art der Sozialbindung des Eigentums angewiesen. Doch jetzt kommt der Staat und sagt, freier Verkauf ist nur noch in Deutschland möglich, und Verkauf aus Deutschland erfordert eine Bewilligung. Damit verliert der Kunstsammler sein Verfügungsrecht. Dieses wird entwertet, weil nunmehr eine Kommission statt seiner entscheidet. Das Kulturgutschutzgesetz erzeugt bei ihm schon vor seiner Inkraftsetzung Handlungsbedarf. Der Eigentümer sagt sich: "Wenn das Kulturgutschutzgesetz im Jahr 2016 in Kraft tritt, dann muss ich meine Kunstwerke noch in 2015 an einen sicheren Ort im Ausland bringen. Denn wenn ich einmal verkaufen will oder muss, so liegt der Preis in Deutschland nur zwischen 10 und 30 % des Preises auf internationalen Märkten. Das ist eine Enteignung per Gesetz."

"Was bleibt mir anderes als meine Kunstwerke in Kisten zu verpacken, auf LKWs zu verladen und ins europäische Ausland, vorwiegend nach London zu exportieren? Der Staat zwingt mich dazu." Dadurch zerstört der Staat mit seinem Kulturgutschutzgesetz schon vor dessen Inkrafttreten deutsche Kultur in großem Umfang. Eilends wird Kunsteigentum mit den erforderlichen Ausfuhrdokumenten versehen. Kunstwerke zurückliegender Jahrhunderte werden in diesen Tagen verladen, verlassen Deutschland auf immer und werden nie wieder zurückkehren. Die Bilder von Munch, Renoir, Monet und Nolde im Eigentum von Hasso Plattner sollen nach Palo Alto in Kalifornien wandern. Ein entsprechendes Schicksal erwartet das Bild von Caspar David Friedrich, das bisher als Leihgabe in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung hing und bereits abgehängt worden ist. Nicht zu sprechen von den bedeutenden Schmuckstücken in Privatbesitz. Der Export trifft auch Privatsammler hart. Denn ihre Kunst, die so in ausländische Depots gelangt, ist für sie ohne persönlichen Nutzen. Es bleibt ihnen nur noch, ihre Kunstgegenstände auf internationalen Märkten zu verkaufen. Das Gesetz lässt ihnen keine andere Wahl. Deutsche Touristen können sich dann deutsches Kulturgut bei einem Ölscheich im Nahen Osten ansehen statt als Leihgabe in einem deutschen Museum. Gegenwärtig sind die Kunsttransporte in voller Fahrt. Am letzten LKW hängt vielleicht noch ein schwarz-rot-goldener Wimpel zum Abschied.

Was kostet das Gesetz? Im Gesetzesentwurf steht: "Keine Haushaltskosten." Ja, denn in der kameralistischen Buchhaltung des Staates taucht der Verlust nicht auf. Dennoch verlieren die Deutschen Kulturgüter in der Höhe von 5 Milliarden Euro (wenn 1000 Sammler Sammelstücke in der Höhe von 5 Millionen Euro besitzen). Dass die Eigentümer aus den Verkaufserlösen Aktien kaufen, wird den Kunstverlust nicht aufwiegen. Ob Frau Kulturstaatsministerin Monika Grütters für das von ihr verursachte Debakel haftet, ist eine Frage, die sich unmittelbar stellt.

©KOF ETH Zürich, 12. Jan. 2016

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Charles B. Blankart
Charles B. Blankart ist em. Professor für Öffentliche Finanzen an der Humboldt-Universität zu Berlin und Ständiger Gastprofessor an der Universität Luzern sowie Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten. Er ist Autor verschiedener Bücher und zahlreicher Aufsätze in internationalen Fachzeitschriften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: öffentliche Finanzen, Public Choice und

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