Die Koalitionsarbeitsgruppe im Deutschen Bundestag zur "Flexi-Rente" hat einen Vorschlag gemacht, wie der Bezug von Grundsicherung im Alter in Folge von Rentenabschlägen vermieden werden kann. Auch wenn Ausnahmen ausgeweitet werden, muss grundsätzlich aber noch immer ein vorzeitiger Rentenantrag gestellt werden. Dies ist nicht mehr zeitgemäss, wie dieser Beitrag zeigt. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sind nachrangig in dem Sinne, dass sie nur gewährt werden, wenn der Lebensunterhalt nicht anderweitig bestritten werden kann. Das gilt auch für die Rente: Vollendet ein Leistungsbezieher das 63. Lebensjahr und hat Anspruch auf eine Rente für langjährig Versicherte (also bei mindestens 35 Versicherungsjahren), muss er diesen Anspruch geltend machen. Die Abschläge von 0,3 Prozent je Monat des vorzeitigen Renteneintritts sind dabei in Kauf zu nehmen. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Schritt das Risiko erhöht, auch während des Rentenbezugs noch auf ergänzende Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein. Und die Zahl der abschlagsbelasteten Monate wird zunehmen, je weiter die Regelaltersgrenze von 65 in Richtung 67 Jahren steigt. Am Ende würde die Rente um 14,4 Prozent gemindert. Eine Unbilligkeitsverordnung regelt Ausnahmen von der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente.
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Die Koalitionsarbeitsgruppe im Deutschen Bundestag zur "Flexi-Rente" hat einen Vorschlag gemacht, wie der Bezug von Grundsicherung im Alter in Folge von Rentenabschlägen vermieden werden kann. Auch wenn Ausnahmen ausgeweitet werden, muss grundsätzlich aber noch immer ein vorzeitiger Rentenantrag gestellt werden. Dies ist nicht mehr zeitgemäss, wie dieser Beitrag zeigt.
Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sind nachrangig in dem Sinne, dass sie nur gewährt werden, wenn der Lebensunterhalt nicht anderweitig bestritten werden kann. Das gilt auch für die Rente: Vollendet ein Leistungsbezieher das 63. Lebensjahr und hat Anspruch auf eine Rente für langjährig Versicherte (also bei mindestens 35 Versicherungsjahren), muss er diesen Anspruch geltend machen. Die Abschläge von 0,3 Prozent je Monat des vorzeitigen Renteneintritts sind dabei in Kauf zu nehmen.
Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Schritt das Risiko erhöht, auch während des Rentenbezugs noch auf ergänzende Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein. Und die Zahl der abschlagsbelasteten Monate wird zunehmen, je weiter die Regelaltersgrenze von 65 in Richtung 67 Jahren steigt. Am Ende würde die Rente um 14,4 Prozent gemindert. Eine Unbilligkeitsverordnung regelt Ausnahmen von der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente. Darunter fallen aufstockende Beschäftigte, Personen, die eine baldige Erwerbstätigkeit glaubhaft und verbindlich nachweisen können sowie jene, die zeitnah eine abschlagsfreie Rente erhalten. Die Koalitionsarbeitsgruppe zur Flexi-Rente schlägt nun eine Ergänzung vor, durch die der Bezug von Grundsicherung im Alter in Folge von Rentenabschlägen vermieden werden soll.
Über Sinn und Unsinn der zwangsweisen Inkaufnahme von Abschlägen ist viel diskutiert worden. Aber die Regelung ist viel grundsätzlicher zu kritisieren: Schließlich ist es doch nicht mehr zeitgemäß, Menschen zu verpflichten, vorzeitig in Rente zu gehen. Damit ist verbunden, dass keine Eingliederungsbemühungen mehr unternommen und Vermittlungsleistungen erbracht werden. Die Herausforderungen des demographischen Wandels sind längst erkannt, aber hier leisten wir uns ein Vorgehen, welches die Erwerbsbeteiligung der Betroffenen auf null – oder höchstens noch Minijobniveau – sinken lässt.
Man mag einwenden, dass von betroffenen 63-jährigen Grundsicherungsbeziehern sowieso keine relevante Erwerbsbeteiligung mehr zu erwarten sei. Das wird auch so sein – solange unsere Gesellschaft an derartigen Standpunkten festhält. Und mit der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze verlängert sich der Zeitraum, in dem SGB-II-Bezieher noch erwerbstätig sein könnten.
Natürlich ist es nicht Sinn und Zweck der Regelung, dass Menschen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Es geht nur darum, dass Rentenansprüche vorrangig gegenüber SGB-II-Leistungen sind. Der Denkfehler ist aber, dass man die Rente tatsächlich mit 63 Jahren beantragen muss, um dieser Vorrangigkeit gerecht zu werden. Tatsächlich lässt sich das ohne zusätzliche Kosten vermeiden – ein Alternativvorschlag:
Die Pflicht zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente wird abgeschafft. Stattdessen wird im Nachhinein bei Erreichen der Regelaltersgrenze geprüft, wie viel Grundsicherungsleistungen seit dem Alter von 63 gezahlt wurden. Der Betrag, der durch vorzeitigen Rentenbezug hätte gespart werden können, geht dann von der Rentenversicherung an den Bund. Hier könnte man auch mit Monatspauschalen arbeiten.
Möglich wäre es sodann, einen Abschlag auf die Rente zu berechnen, der bei durchschnittlicher Rentenbezugsdauer den Betrag für die Rentenversicherung wieder rein holt. Damit wäre die Regelung finanziell neutral gegenüber dem Status Quo. Inwieweit eine solche Refinanzierung geschieht und welche Ausnahmen gelten sollen, wäre wie bisher eine politische Entscheidung. Und natürlich könnte jeder Grundsicherungsempfänger, der die Voraussetzungen erfüllt, nach wie vor freiwillig mit 63 in Rente gehen.
Entscheidend ist, dass der Vorschlag ohne die Verpflichtung auskommt, vorzeitig einen Rentenantrag zu stellen. Nehmen Betroffene aus der Grundsicherung heraus noch einmal eine Beschäftigung auf, können sie ihr Einkommen erhöhen und die gegebenenfalls zu berechnenden Rentenabschläge vermeiden bzw. verringern. Die derzeitige Regelung verhindert Erwerbsbeteiligung. Der neue Vorschlag stärkt Anreize für Erwerbsbeteiligung auch von Menschen, die zu lange schon abgeschrieben wurden. Dafür ist es höchste Zeit.
©KOF ETH Zürich, 3. Dez. 2015