Das Coronavirus reisst die globale Wirtschaft in eine tiefe Rezession. (Bild: Shutterstock.com/Lightspring) Das Coronavirus habe die globale Konkunktur vergiftet, findet Bruno Cavalier von ODDO BHF AM. Er erachtet eine tiefe Rezession als unausweichlich, denn noch nie zuvor hat es in so kurzer Zeit derart starke Verwerfungen in den Volkswirtschaften gegeben."Virus ist ein Begriff aus dem Lateinischen und bedeutet Gift ... und in der Tat beobachten wir eine 'Vergiftung' der globalen Konjunktur", bringt Bruno Cavalier, Chefvolkswirt bei ODDO BHF AM, die aktuelle Situation auf den Punkt. In den vergangenen rund drei Wochen wurden in den europäischen Ländern und den USA entweder landesweit oder zumindest grossflächig Ausgangsbeschränkungen bzw. -sperren verhängt, um die Ausbreitung
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Das Coronavirus habe die globale Konkunktur vergiftet, findet Bruno Cavalier von ODDO BHF AM. Er erachtet eine tiefe Rezession als unausweichlich, denn noch nie zuvor hat es in so kurzer Zeit derart starke Verwerfungen in den Volkswirtschaften gegeben.
"Virus ist ein Begriff aus dem Lateinischen und bedeutet Gift ... und in der Tat beobachten wir eine 'Vergiftung' der globalen Konjunktur", bringt Bruno Cavalier, Chefvolkswirt bei ODDO BHF AM, die aktuelle Situation auf den Punkt. In den vergangenen rund drei Wochen wurden in den europäischen Ländern und den USA entweder landesweit oder zumindest grossflächig Ausgangsbeschränkungen bzw. -sperren verhängt, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und die Krankenhauskapazitäten zu schonen. Reise- und sonstige Aktivitäten werden auf das absolut notwendige Mass beschränkt – die gesamte Wirtschaft bzw. grosse Teile davon werden in vielen Ländern rund um den Globus heruntergefahren. "Erste Einschätzungen geben schon einen Vorgeschmack auf die mit dieser Politik verbundenen Kosten – und die sind beträchtlich", sagt Cavalier.
Markanter Einbruch der Volkswirtschaften
Nach ersten Schätzungen des IWF, der OECD und der Statistikämter in Frankreich und Deutschland haben die Volkswirtschaften heute 25 bis 35% gegenüber dem Niveau vor dem Schock eingebüsst. Noch nie zuvor hat es eine derart massive Verwerfung in so kurzer Zeit gegeben. Mit jeder weiteren Woche der Ausgangsbeschränkungen verringert sich das BIP um mindestens einen halben Prozentpunkt.
In Europa und den USA wird – als optimistischste Annahme – von einer mindestens sechswöchigen Ausgangssperre ausgegangen. Sollte die Pandemie in diesem Zeitraum ihren Höhepunkt erreichen, kann eine Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen ins Auge gefasst werden, aber auch dies werde einige Wochen dauern, meint Cavalier. Eine Rückkehr zur Normalität sei wohl frühestens zum Sommerbeginn vorstellbar. Ausgehend von diesen Annahmen würde dieser Schock in den Industrieländern rund 5 bis7 Punkte an BIP-Wachstum kosten. Dies seien durchaus vertretbare Hypothesen. Die Alternative wären länger andauernde Ausgangsbeschränkungen und eine langwierigere Rückkehr zu einem normalen Leben. In dem Fall könnten sich die Kosten verdoppeln.
Tiefe Rezession unausweichlich
"Eine tiefe Rezession ist unausweichlich. In gewisser Weise ist sie jedoch auch Teil der Therapie für die Gesundheitskrise", sagt der Chefvolkswirt von ODDO BHF. Unbedingt zu vermeiden sei jedoch, dass ein vorübergehender Schock zu dauerhaften Schäden führt. Die einzig sinnvollen Massnahmen seien, Einkommensverluste der privaten Haushalte auszugleichen, die Produktionskapazitäten aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass es weder der Realwirtschaft noch den Banken oder den Märkten an Liquidität fehlt. Dies sei leichter gesagt als getan. Die Wirtschaftspolitik habe hier anfangs vielleicht zu unschlüssig reagiert. Mittlerweile jedoch sei bei den geld- und fiskalpolitischen Massnahmen in Summe eine kritische Masse von beeindruckender Dimension erreicht.
Wie Cavalier weiter ausführt, geht es kurzfristig weniger darum, die Nachfrage anzukurbeln – dies mache kaum Sinn, solange das Angebot begrenzt ist. Vielmehr gelte es, den Verlust an Produktionspotenzial so weit wie möglich zu begrenzen. Deshalb zielten die wirtschaftspolitischen Massnahmen in den meisten Ländern darauf ab, Kurzarbeit zu fördern, um betriebsbedingte Kündigungen abzuwenden, die Unternehmen auf der Kostenseite (Steuern, Mieten, Kredite) zu entlasten, um Insolvenzen entgegenzuwirken, und vor allem eine Kreditklemme zu vermeiden. "Die Bereitstellung von Liquidität in ausreichender Menge wird in dieser Rezession den Unterschied ausmachen. Mittlerweile besteht kein Zweifel, dass diese schwerwiegend sein wird. Dies ist aber noch lange kein Grund, uns damit abzufinden, dass es auch eine lange Rezession sein wird", meint Cavalier. Es sei deshalb wichtig, dass nicht am Gegenmittel gespart und dieses schnell verabreicht werde. Dies sei eine der Lehren aus der Finanzkrise von 2008. Es helfe nichts, über imaginäre Gefahren zu spekulieren – zum Beispiel das Inflationsrisiko durch die Ausweitung der Zentralbankbilanzen.
Besser sei, sich in der wirtschaftspolitischen Reaktion nicht von dem Risiko ökonomischer Fehlanreize ("Moral Hazard“) ausbremsen zu lassen. Es könne zwar Einzelfälle geben, in denen die öffentlichen Hilfen zu Unrecht in Anspruch genommen werden, aber das sei derzeit nicht das zentrale Problem. Der Coronavirus-Schock wird laut Cavalier Europa auf eine harte Probe stellen und die Wunden der Staatsschuldenkrise von 2010-2015 wieder aufreissen. Damals hätten einige "tugendhafte“ Länder die Krise der "laxen“ Länder mit Schadenfreude verfolgt und darin die Strafe für deren Exzesse betrachtet. Nun sind wieder ähnliche Aussagen zu hören. Dieses Mal aber ist der Schock äusseren Ursprungs und fordert von allen Ländern Tribut.
Im Prinzip erachtet Cavalier es als sinnvoll, die Unterstützungsmassnahmen in der Coronavirus-Krise (die gleichermassen berühmten wie umstrittenen "Coronabonds") gemeinsam zu finanzieren und – selbstredend – auch die Ausgaben gemeinsam zu steuern. Zugegebenermassen seien die politischen Hürden hierfür hoch und schwer zu überwinden. "Kurzfristig ist keine Zersplitterung der Eurozone zu befürchten, da die EZB dafür sorgt, dass sich alle Länder zu sehr günstigen Bedingungen finanzieren können. Langfristig sieht dies schon anders aus, und alles ist denkbar. Es besteht die Gefahr, dass diese Krise die europafeindliche Stimmung weiter schürt. Grossbritannien und sein Brexit sind ein warnendes Beispiel dafür, dass am Ende eine Scheidung anstehen kann", sagt Cavalier.
Welche Chancen sich im Markt bieten
Laurent Denize, Globaler Co-Chef der Anlageabteilung, ODDO BHF Asset Management und Jan Viebig, Chief Investment Officer bei ODDO BHF Trust sehen die Welt inmitten einer tiefen Rezession, finden jedoch, dass die viel entscheidendere Frage für Investoren sei, inwieweit diese Rezession aktuell bereits in den Kursen eingepreist ist. Sie erwarten die folgende Wirtschaftsentwicklung in den kommenden Monaten und sehen trotz Rezession Anlagechancen:
- Das Wachstum dürfte sich im dritten Quartal erholen, wenn die strengen Auflagen, die nach der anfänglich schleppenden Reaktion auf die Krise erlassen wurden, gelockert und die weiter bestehenden Massnahmen mehr Rücksicht auf die Wirtschaft nehmen. Die Unterstützungs-massnahmen dürften uns länger begleiten als die Gesundheitskrise selbst.
- Eine anhaltende geldpolitische Unterstützung und beispiellose Konjunkturpakete dürften dazu beitragen, den Aufschwung voranzutreiben, sobald die Wirtschaft wieder anläuft und die Arbeitnehmer an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.
- Anleger sollten sich in globalen Aktien insgesamt neutral positionieren, aber dazu übergehen, europäische Standardwerte hoher Qualität überzugewichten. US-Aktien dürften hingegen in den nächsten 12 Monaten hinter ihren ausländischen Pendants zurückbleiben.
- Der US-Dollar habe sicherlich seinen Zenit erreicht. Ein schwächerer Dollar dürfte dazu beitragen, den Rohstoffpreisen Auftrieb zu geben und den Druck auf zyklischere Aktienmarkt-sektoren auf Sicht von sechs Monaten zu begrenzen.
- Die Renditeaufschläge für europäische Hochzinsanleihen dürften sich in den nächsten 12 Monaten einengen. So bieten die Renditeaufschläge allmählich eine gemessen am Ausfallrisiko hinreichende Prämie. Dennoch gäben sie Investment-Grade-Titeln kurzfristig den Vorzug. Grund hierfür ist das durch die Unterstützung der Zentralbanken günstigere Risiko-/Ertragsprofil.
- Anleger unterschätzen die potenziell langfristigen Inflationsfolgen, die mit den umfassenden Konjunkturmassnahmen rund um den Globus einhergehen. Hier empfehle sich der Kauf von inflationsgeschützten Anleihen und Gold.
- Nun sei es an der Zeit, Öl zu kaufen. Warum jetzt? Ohne ein konzertiertes Vorgehen der Hauptproduzenten – im Wesentlichen Saudi-Arabien, Russland und die US-Schieferöl-produzenten – zur Drosselung der Produktion dürften die Lager bald weltweit bis zum Anschlag gefüllt sein. Damit dürften die Ölpreise weit unter 20 Dollar/Barrel sinken und auf diese Weise die Ölförderung zum Stillstand bringen. Händler wie Glencore oder Trafigura haben den Contango-Effekt für sich genutzt, um ihre Spot-Positionen – und im zweiten Schritt ihre Lagerbestände – auszubauen und ihre Ölvorräte auf Termin zu verkaufen. Zur Erinnerung: Ölkontrakte mit Laufzeit bis Mai 2020 werden zu 20 USD pro Barrel gehandelt, solche mit Laufzeit bis Januar 2021 zu 33,5 USD. Da die Lagerbestände im Zuge der massiven Nachfrage- und Angebotsschocks in die Höhe schnellen, werden die Preise auf 20 USD/Barrel fallen, sofern die Politik nicht aktiv wird. Hier wurde bereits ein erster Schritt getan. So hat Präsident Trump sowohl mit Präsident Putin als auch mit Kronprinz Bin Salman von Saudi-Arabien telefoniert. Aber mehr noch als "produktive Gespräche“ zählen Taten. Da die Situation allmählich kritisch wird, erwarten Denize und Viebig in den kommenden Tagen Ankündigungen von Produktionsdrosselungen. Sobald diese greifen, dürften die Preise wieder steigen. Auch die Nachfrage dürfte in diesem Sommer wieder anziehen, was die Preise ebenfalls steigen lassen sollte.
Für das Jahr 2020 erwarten Denize und Viebig eine Erholung der Preise für Brent-Öl auf mindestens 30 USD/Barrel, nachdem sie zu Jahresbeginn noch bei 57 $/Barrel standen – das entspräche einer durchaus ordentlichen Rendite von 50%. Ölpreise und Hochzinsanleihen sind im Rahmen der zu beobachtenden einsetzenden Normalisierung etwas zurückgefallen. In mittel- bis langfristiger Sicht sehen sie hier einen guten Einstiegspunkt.
Um es klar zu sagen: "Wir setzen nicht alles auf eine Karte, denn dafür ist die Unsicherheit nach wie vor zu gross. Aber durch die Marktverwerfungen eröffnen sich auch Chancen" so Denize und Viebig.