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Verkaufen zu jedem Preis

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Peter Frech, Fondsmanager bei Quantex. Laut Peter Frech von Quantex steigt die Zahl der Marktakteure, bei deren Anlageentscheiden der Preis keine Rolle spielt, sondern nur die Kursschwankungen. Doch damit nimmt die Irrationalität des Marktes zu und die Anfälligkeit für grosse Kursverwerfungen. Der Mini-Crash vom 24. August diesen Jahres war wohl nur ein Vorgeschmack darauf. Nehmen wir an, die Immobilienpreise fallen praktisch über Nacht um 25 Prozent. Wer wäre danach eher geneigt als vorher, ein Haus zu kaufen oder zu verkaufen? Eher zu den Käufern gehörten wohl alle Anleger mit genug liquiden Mitteln und gesundem Menschenverstand. Schliesslich sinkt durch den Preiseinbruch das Verlustrisiko und die erwartete Rendite aus Mieteinnahmen steigt. Die Verkäufer in einem solchen Szenario wären dagegen unfreiwillig Leute mit hoher Belehnung ihres Eigenheims und der Bank im Nacken – und ganz freiwillig die wachsende Gruppe von schwankungsintoleranten Investoren, für die mehr Volatilität automatisch eine Reduktion von Positionen bedeutet. Zwei grosse Aktienbaissen in den letzten 15 Jahren und der unaufhaltsame Aufstieg der Finanztechnokraten haben nämlich eine neue Klasse von Marktakteuren geschaffen: Anleger, denen der Preis oder die erwartete Rendite eines Investments völlig egal ist. Für sie zählt einzig dessen Volatilität, also dessen Kursschwankungen in der Vergangenheit.

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Peter Frech, Fondsmanager bei Quantex.

Laut Peter Frech von Quantex steigt die Zahl der Marktakteure, bei deren Anlageentscheiden der Preis keine Rolle spielt, sondern nur die Kursschwankungen. Doch damit nimmt die Irrationalität des Marktes zu und die Anfälligkeit für grosse Kursverwerfungen. Der Mini-Crash vom 24. August diesen Jahres war wohl nur ein Vorgeschmack darauf.

Nehmen wir an, die Immobilienpreise fallen praktisch über Nacht um 25 Prozent. Wer wäre danach eher geneigt als vorher, ein Haus zu kaufen oder zu verkaufen? Eher zu den Käufern gehörten wohl alle Anleger mit genug liquiden Mitteln und gesundem Menschenverstand. Schliesslich sinkt durch den Preiseinbruch das Verlustrisiko und die erwartete Rendite aus Mieteinnahmen steigt.

Die Verkäufer in einem solchen Szenario wären dagegen unfreiwillig Leute mit hoher Belehnung ihres Eigenheims und der Bank im Nacken – und ganz freiwillig die wachsende Gruppe von schwankungsintoleranten Investoren, für die mehr Volatilität automatisch eine Reduktion von Positionen bedeutet.

Zwei grosse Aktienbaissen in den letzten 15 Jahren und der unaufhaltsame Aufstieg der Finanztechnokraten haben nämlich eine neue Klasse von Marktakteuren geschaffen: Anleger, denen der Preis oder die erwartete Rendite eines Investments völlig egal ist. Für sie zählt einzig dessen Volatilität, also dessen Kursschwankungen in der Vergangenheit.

Dabei handelt es sich zum Beispiel um viele Pensionskassen und Versicherungen, die eine vorübergehende Unterdeckung ihrer zukünftigen Verpflichtungen fürchten. Doch der stärkste Ausdruck der neuen Anlegerklasse ist die zunehmende Beliebtheit von Risikoparitäts-Strategien (englisch „risk parity“), in denen schon rund 1400 Milliarden Dollar investiert sind.

Was verbirgt sich hinter Risikoparität?
Das Konzept einer Risikoparitäts-Strategie ist relativ einfach: Die einzelnen Anlageklassen in einem Portfolio, im einfachsten Fall nur Aktien und Anleihen, werden so gewichtet, dass das Risiko aller Anlageklassen gemessen an ihrer Volatilität gleich oder eben paritätisch ist. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Risikoparitäts-Portfolio momentan einen viel höheren Anteil an Anleihen ausweist als normalerweise üblich.

In einem gängigen Portfolio von 60% Aktien und 40% Anleihen zum Beispiel liefern die schwankungsanfälligen Aktien nämlich gegen 90% der Volatilität des Portfolios. Der Anteil der Anleihen wird deshalb unter Einsatz eines Kredithebels so lange erhöht, bis ihr Anteil an der Volatilität des Gesamtportfolios genauso hoch ist wie derjenige der Aktien. Typischerweise wird der Anleihen-Anteil dabei 2:1 oder 3:1 gehebelt, um die Risikoparität herzustellen. Verändern sich dabei die Volatilitäten der Anlageklassen, werden die Portfolio-Gewichtungen entsprechend adjustiert.

In den letzten Jahren und gemäss Backtesting (siehe Ausgabe vom November) auch Jahrzehnten hat diese Strategie gut funktioniert. Besonders in den beiden Aktiencrashs von 2000 bis 2003 und 2008/09 haben die Kursgewinne auf dem gehebelten Obligationenteil die Verluste auf dem Aktienteil gut kompensiert.

Doch Risikoparitäts-Strategien haben drei sehr gewichtige Nachteile, welche früher oder später nicht nur ihren Untergang einläuten, sondern auch einen veritablen Finanzmarktcrash auslösen könnten.

Drei gewichtige Nachteile von Risikoparität

  1. Tiefe Volatilitäten gehen in der Regel mit steigenden Märkten einher und steigende Volatilitäten mit fallenden Märkten. Eine Anlageklasse zu verkaufen, wenn die Volatilität steigt und umgekehrt, führt deshalb tendenziell zu einer Momentum-Strategie. In einem Crash mit hochschiessenden Volatilitäten muss auf Grund der Strategie und des Leverage verkauft werden – die Portfolio-Insurance-Strategien hinter dem Aktienmarktcrash von 1987 lassen grüssen.
  2. Die Volatilitäten werden zwangsläufig auf Grund der jüngeren oder älteren Vergangenheit ermittelt. Die Renditen von Anleihen sicherer Länder wie den USA oder der Schweiz waren in den letzten Jahren dank Kursgewinnen durch fallende Zinsen sehr gut und die Volatilität tief. Es ist äusserst unwahrscheinlich und im Fall der Kursgewinne auch mathematisch unmöglich, dass dies in der Zukunft so bleibt. Nach drei Dekaden des grossen Bond-Bullenmarktes sind Anleihen deshalb in Risikoparitäts-Portfolios im Vergleich zu ihren Aussichten zwangsläufig übervertreten.
  3. Der Erfolg der Strategie gründet auf der Annahme, dass Aktien und Anleihen negativ korreliert sind. Das heisst, die Anleihenpreise steigen tendenziell in Phasen, in denen die Aktienkurse fallen und umgekehrt. Diese negative Korrelation war in den letzten 15 Jahren zwar die Regel – auf lange Sicht ist sie jedoch die Ausnahme.

Wie die Experten von Artemis Capital Management errechnet haben, war in den letzten 130 Jahren eine positive Korrelation zwischen Aktien- und Anleihenpreisen in 63% der Jahre der Normalfall und die schöne negative Korrelation, auf denen die Risikoparitäts-Strategien beruhen, ein Sonderfall seit der Jahrtausendwende. In rund 2% der Fälle kam es sogar zu einem Horrorjahr mit zugleich stark fallenden Aktien- und Anleihenkursen wie zuletzt in den 1970er Jahren. Generell ist es so, dass die Korrelation zunimmt, wenn die Inflationsraten volatiler werden. Für gehebelte Risikoparitäts-Strategien wäre dies der Super-GAU. Alle zugleich müssten ihre Investitionen in fallende Märkte hinein reduzieren. Risikoparität ist damit im Kern dasselbe wie die Portfolio-Insurance-Strategien, die den grossen Crash von 1987 verschärften. Damals war es in Mode, sein Portfolio durch den automatischen Leerverkauf von Index-Futures gegen Kursrückgänge „abzusichern“. Als dies zu viele Akteure taten, führten die automatischen Futures-Verkäufe den Crash vom 19. Oktober 1987 herbei, bei dem die US-Börsen um mehr als 20% abstürzten.

Stabilität schafft Instabilität
Es zeigt sich damit einmal mehr die Reflexivität der Finanzmärkte: Wenn zu viele Akteure dasselbe vermeiden wollen, führen sie es letztlich genau herbei. Oder um Hyman Minsky zu zitieren: „Stability breeds instability“. Gerade weil Obligationen in den letzten 15 Jahren eine so stabile, wenig volatile und negativ mit Aktien korrelierte Anlageklasse waren, boomen Risikoparitäts-Strategien, die dies mit einem Hebel ausnutzen wollen – und damit neue Instabilität schaffen.

Der nächste grosse Crash kommt deshalb vermutlich an den „sicheren“ Obligationenmärkten. Indirekt wären aber sicherlich auch die Aktien betroffen. Einen gewissen Vorgeschmack auf neue Schübe von Instabilität und Irrationalität gab der 24. August diesen Jahres. Nach einem schwachen Freitag sackten die US-Börsenindizes am Montag dem 24. nach Handelseröffnung um mehr als 5% in die Tiefe. Einzelne Kurse spielten völlig verrückt. Ein 250-Milliarden-Dollar-Schwergewicht wie General Electric war kurzzeitig sogar 21% im Minus.

Der VIX, ein Index für die Implizite Volatilität des Aktienmarktes, schoss in die Höhe. Die Volatilität des VIX, kurz VVIX, erreichte am 24. August einen neuen Rekordstand – höher als in der Finanzkrise von 2008 oder der Euro-Schuldenkrise von 2011 und vergleichbar wohl höchstens mit 1987, als es aber noch keine Volatilitätsindizes gab. Zumindest dieses sensitive Instrument zeigt an, dass wir uns mittlerweile auf gefährlichem Terrain bewegen. Drei der stärksten Anstiege des VIX fanden im letzten Jahr statt. Die Vorbeben werden häufiger.

Eine grosse Chance für Value-Investoren
Phasen der Irrationalität an den Finanzmärkten dürften deshalb in naher Zukunft zunehmen, je mehr Anleger sklavisch scheinbar rationale Anlageregeln befolgen. Doch dies schafft aus unserer Sicht grosse Chancen für Investoren, für die der Preis einer Anlage entscheidend ist – und nicht etwa ihre Volatilität. Kaufen zu können, wenn andere ohne Rücksicht auf den Preis verkaufen (müssen), ist das Paradies für Value-Investoren wie uns.

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Autor: jog
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