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Wie Ökonomen denken

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Was ist dran am zweifelhaften Ruf der Ökonomen, dogmatisch und zuweilen realitätsfremd das Gesetz des freien Marktes herunterzubeten? Eine Analyse der Denkweise von Ökonomen und Laien. Nur ein Teil der Kosten erscheint in der Staatsrechnung. Quelle: Wikimedia.orghttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:SRC_023.jpg – Ltpcb Die Ökonomie befasst sich mit dem Umgang mit knappen Ressourcen. Wer dies als unreflektierte Predigt für das freie Spiel der Märkte interpretiert, ist ein schlechter Ökonom. Ein guter Ökonom weiss, unter welchen Bedingungen freie Märkte ihre gewünschte Wirkung entfalten und wann Märkte versagen. Dabei liegt der Fokus auf einer ganzheitlichen Betrachtung von Nutzen und Kosten. Das mag engstirnig klingen, doch die Berücksichtigung sämtlicher anfallender Nutzen und Kosten ist gerade die Kunst. Bei genauerem Hinsehen ist das Konzept von einer Breite, von welcher sich manche Politiker eine Scheibe abschneiden könnten. Beispielhaft ist die Verkehrspolitik: Der Verkehr, sei es der öffentliche oder private, verursacht weit mehr Kosten als den Nutzern in Rechnung gestellt werden. Denn auch Verkehrsüberlastungen, Umweltschäden oder Unfälle mit entsprechenden Krankheitsfolgen haben ihren Preis. Da diese externen Kosten weder in einer Staatsrechnung erscheinen noch vollständig von Automobilisten oder ÖV-Nutzern gedeckt werden, finden sie auch kaum Berücksichtigung.

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Was ist dran am zweifelhaften Ruf der Ökonomen, dogmatisch und zuweilen realitätsfremd das Gesetz des freien Marktes herunterzubeten? Eine Analyse der Denkweise von Ökonomen und Laien.

Wie Ökonomen denken

Nur ein Teil der Kosten erscheint in der Staatsrechnung. Quelle: Wikimedia.orgWie Ökonomen denkenhttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:SRC_023.jpg – Ltpcb

Die Ökonomie befasst sich mit dem Umgang mit knappen Ressourcen. Wer dies als unreflektierte Predigt für das freie Spiel der Märkte interpretiert, ist ein schlechter Ökonom. Ein guter Ökonom weiss, unter welchen Bedingungen freie Märkte ihre gewünschte Wirkung entfalten und wann Märkte versagen. Dabei liegt der Fokus auf einer ganzheitlichen Betrachtung von Nutzen und Kosten. Das mag engstirnig klingen, doch die Berücksichtigung sämtlicher anfallender Nutzen und Kosten ist gerade die Kunst. Bei genauerem Hinsehen ist das Konzept von einer Breite, von welcher sich manche Politiker eine Scheibe abschneiden könnten.

Beispielhaft ist die Verkehrspolitik: Der Verkehr, sei es der öffentliche oder private, verursacht weit mehr Kosten als den Nutzern in Rechnung gestellt werden. Denn auch Verkehrsüberlastungen, Umweltschäden oder Unfälle mit entsprechenden Krankheitsfolgen haben ihren Preis. Da diese externen Kosten weder in einer Staatsrechnung erscheinen noch vollständig von Automobilisten oder ÖV-Nutzern gedeckt werden, finden sie auch kaum Berücksichtigung. Das ökonomische Lehrbuchrezept gegen das Marktversagenhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/marktversagen/ ist die Bezifferung der externen Kosten und deren Internalisierung durch Steuern oder Roadpricing.

In der letzten Wintersession 2015 hat das Parlamenthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/parlament/ das Militärbudget auf 5 Mia. erhöht, nachdem ausführlich darüber gestritten wurde, wie teuer die Armee sein darf. Von einem Grossteil der Kosten sprach jedoch kaum jemand: Wenn junge Schweizer Arbeitskräfte für insgesamt rund 6 Millionen Diensttage dem Arbeitsmarkthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/arbeitsmarkt/ entzogen werden, dann entstehen massive Wertschöpfungseinbussen, die ebenfalls nicht in den Bundesfinanzen ersichtlich sind. Wenn man diese Opportunitätskostenhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/opportunitaetskosten/ miteinrechnet, dann kostet uns die Armee rund das Doppelte.

Effizienz oder Gesinnungsethik

Die unterschiedliche Herangehensweise an Fragestellungen durch Ökonomen und Laien wurde von drei Kölner Forschern systematisch untersucht (siehe Enste, Dominik H., Alexandra Haferkamp und Detlef Fetchenhauer (2009)Wie Ökonomen denkenhttp://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1468-2516.2008.00294.x/abstract). Ihre Umfragen bei Ökonomen und Nicht-Ökonomen zeigen Differenzen bei der Beurteilung diverser wirtschaftspolitischer Themen. Beispielsweise sind Ökonomen deutlich kritischer gegenüber Lohnkontrollen wie Mindest-und Maximallöhne, hingegen stehen sie dem freien Verkehr von Gütern und Arbeitskräften deutlich wohlwollender gegenüber als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Einen Teil der Meinungsunterschiede orten die drei Autoren in unterschiedlichen Beurteilungskriterien. Ökonomen werden dazu erzogen, auf jede Fragestellung kühl und sachlich die Bewertungsschablone der maximalen Effizienzhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/effizienz/ anzuwenden. Die meisten Menschen urteilen jedoch gestützt auf gesinnungsethische Vorstellungen wie beispielsweise Fairnessüberlegungen.

Fehlbeurteilungen durch Laien

Durchaus selbstbewusst, doch allemal nicht völlig zu Unrecht, verweisen sie neben den unterschiedlichen Bewertungsmassstäben auch auf einige unter Laien weit verbreitete Fehlbeurteilungen wirtschaftlicher Zusammenhänge.

«Fixed-Pie Annahme»:

Die Ökonomen unterstellen den Laien, von einem fixen vorhandenen «Kuchen» auszugehen, den es zu verteilen gilt. Das wirtschaftliche Räderwerk wird damit als «Nullsummenspiel» verstanden, in welchem Gewinne ausschliesslich auf Kosten eines anderen erzielt werden können. Ausgehend von dieser Fehlinterpretation wird der Frage zu wenig Beachtung geschenkt, wie das Angebothttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/angebot/ an Arbeitsplätzen, Kapitalhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/kapital/ oder Wohlstand möglichst gross gemacht werden kann. Denn die Grösse des Kuchens ist alles andere als fix und massgeblich durch das wirtschaftspolitische Umfeld bestimmt.

Zum Ausdruck kommt die «Fixed-Pie Annahme» bei der Beurteilung der Globalisierunghttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/globalisierung/. Konkreter:  In ihrer Umfrage bei 480 ökonomischen Laien und 80 Ökonomen finden die drei Kölner Forscher, dass ganze 73% der Nicht-Ökonomen der Meinung sind, dass der Staat Unternehmen unterstützen sollte, die ausschliesslich in Deutschland produzieren. Von den mutmasslichen Fachleuten lassen sich lediglich 8% dafür erwärmen. In dieselbe Richtung deutet die Zustimmung zur Aussage «die Anzahl in Deutschland lebender Ausländer sollte so stark wie möglich reduziert werden». Während von den befragten Ökonomen nur ein einziger dieser Aussage zustimmte, waren es bei Laien ganze 38%.

Die Erklärung dieser Kluft liegt auf der Hand: Ausgehend von der Annahme eines fixen Kuchens, wird die ausländische Wohnbevölkerunghttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/wohnbevoelkerung/ als Konkurrenz um Arbeitsplätze und Wohlstand wahrgenommen. Ökonomisch greift dies jedoch zu kurz. Wer arbeitet, schafft einen Mehrwert, was wiederum eine Nachfragehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nachfrage/ nach Arbeitskräften auslöst und damit Beschäftigung schafft. Auch dem Glauben, dass eine Erhöhung des Rentenalters zu mehr Arbeitslosigkeithttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/arbeitslosigkeit/ führe, liegt der Irrtum zugrunde, dass die Anzahl Jobs fix gegeben ist.

Vernachlässigung von dynamischen Effekten:

Des Weiteren neigen viele Menschen dazu, die Sekundärwirkungen politischer Eingriffe zu vernachlässigen. Wahrgenommen würden oft nur die unmittelbaren Folgen. Exemplarisch tritt dies bei der Beurteilung von gesetzlichen Mindestlöhnen zutage. In der erwähnten Umfrage äussern sich 76% der Nicht-Ökonomen positiv zum flächendeckenden Mindestlohnhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/mindestlohn/ während die Akzeptanz unter den Ökonomen bei geringen 15% liegt. Wenig überraschend erklären die ökonomisch Gelehrten auch diese Diskrepanz mit Fehlwahrnehmungen der Laien.

Gegen die unmittelbar fassbare Wirkung des Mindestlohnes haben die wenigsten Einwände: Die Einkommen von Niedriglohnempfängern werden auf ein würdiges Niveau angehoben. Zu Risiken und Nebenwirkungen verweisen Ökonomen jedoch auf Zweitrundeneffekte. Ein Coiffeursalon beispielsweise muss den höheren Mindestlohnhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/mindestlohn/ auf die Preise abwälzen, um nicht in die roten Zahlen zu rutschen. Dies wiederum drückt auf die Nachfragehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nachfrage/ nach Haarschnitten und könnte damit die Arbeitsplätze gefährden. Gedanklich noch weiter weg aber ebenso wichtig für eine ganzheitliche Beurteilung sind Coiffeursalons, die wegen eines zu hohen Mindestlohns gar nie eröffnet werden.

Im gleichen Sinn wäre auch interessant zu wissen, wie sich die Haltungen von Ökonomen und Nicht-Ökonomen bei Fragen zu Roadpricing oder Milizdienst unterscheiden.

Bei allem Fleiss und Forschungseifer, die Ökonomie kann nie eine Antwort darauf liefern, welche Wirtschaftspolitik die richtige ist. Ihre Kernkompetenz ist die Analyse der Wirkung wirtschaftspolitischer Massnahmen. Hierbei müssen den unmittelbar weniger gut sichtbaren Risiken und Nebenwirkungen ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt werden wie den unmittelbar greifbaren Konsequenzen. Wie man jedoch diese Wirkung beurteilt, d.h. die Wahl des Bewertungsmassstabs, ist eine Frage jenseits der Ökonomie.

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Zum Thema:

David Staubli, Ökonom, MSc der Universität Basel, Doktorand und Lehrassistent an der Universität Lausanne.

Dies ist ein Gastbeitrag. Inhaltlich verantwortlich ist der jeweilige Autor, die jeweilige Autorin.

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