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Im Osten der Ukraine findet die erwartete russische Großoffensive so offenbar nicht statt. Dennoch kann Moskau vereinzelt militärische Erfolge verbuchen. UN-Chef Guterres will sich nun einschalten. Die Entwicklungen im Überblick.
Russische Truppen haben die Angriffe auf das Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol nach ukrainischen Angaben wieder aufgenommen. „Der Feind versucht, den letzten Widerstand der Verteidiger von Mariupol zu ersticken“, sagte Präsidentenberater Olexij Arestowytsch.
Eingesetzt würden Artillerie und Luftwaffe. Die ukrainischen Soldaten würden jedoch ihre Positionen halten und „sogar Gegenangriffe starten“. Die Angaben sind nicht überprüfbar.
Um 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MESZ) sollte eine Waffenruhe für die Evakuierung von verbliebenen Zivilisten aus der weitgehend zerstörten Stadt mit einst 440 000 Einwohnern einsetzen. Dazu gab es zunächst keine Informationen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstag angeordnet, keinen Sturm der aus dem Kalten Krieg stammenden Bunkeranlagen vorzunehmen. Damit sollten eigene Verluste vermieden werden. Zuvor war die Hafenstadt am Asowschen Meer als erobert deklariert worden.
Russische Truppen setzen sich im Osten fest
Russische Truppen haben sich nach ukrainischen Angaben in mehreren Orten in der Ostukraine festgesetzt.
Ukrainischen Angaben zufolge haben russische Einheiten etwa in der Kleinstadt Losowa, einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt in der Region Charkiw im Osten des Landes, Fuß gefasst, wie der ukrainische Generalstab in seinem Bericht mitteilte.
In den Gebieten Selena Dolyna in der Region Donezk und dem etwa 40 Kilometer östlich liegenden, vor wenigen Tagen eroberten Krimenna in der Region Luhansk, bauten russische Truppen ihre Positionen aus und bereiteten sich auf weitere Vorstöße vor. Auch in dem Ort Stepne in der Region Donezk hätten sie Fuß fassen können.
Abgewehrt habe man Angriffe etwa in der Region Luhansk, die laut ukrainischen Angaben bereits zu rund 80 Prozent unter russischer Kontrolle steht, im Bereich der Stadt Rubischne und des Dorfes Nowotoschkiwske. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
Selenskyj: Invasion in der Ukraine ist erst der Anfang
Der ukrainische Präsident rief die Bürger seines Landes zum Widerstand auf. „Jeder muss sich bei jeder Gelegenheit gegen die Besetzung wehren“, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft. Die Menschen sollten nicht mit den Russen kooperieren. Jene, die in von russischen Einheiten kontrollierten Gebieten lebten, sollten diesen „so viele Probleme wie möglich machen.“
Selenskyj reagierte auch auf Russlands Konkretisierung seiner Kriegsziele. Das Gebiet, in dem Russland sich um die Rechte der Russischsprachigen kümmern sollte, „ist Russland selbst“, sagte er. Dort gebe es keine Meinungsfreiheit, es gedeihe Armut.
Am Freitag hatte ein russischer hochrangiger Militär gesagt, in der zweiten Phase des Krieges in der Ukraine wolle man den Donbass im Osten sowie den Süden des Landes einnehmen und da sei noch ein Zugang zu Transnistrien, wo auch eine „Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung“ festgestellt werde. Russland begründet mit dieser Argumentation auch den Einmarsch in die Ukraine. In der von der Republik Moldau abtrünnigen Region Transnistrien sind russische Truppen stationiert.
Die Aussagen aus Russland bestätigten zudem, was er bereits mehrmals gesagt habe: „Dass die russische Invasion in die Ukraine nur der Anfang sein sollte und sie danach andere Länder einnehmen wollen.“
Russland meldet Erfolge
Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben nach mehr als 20 Munitionsdepots der Ukraine zerstört. Luftgestützte Raketen und die taktische Luftwaffe hätten jeweils 3 Depots vernichtet, die Raketenstreitkräfte weitere 16 Munitionslager, teilte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, mit.
„Die russischen Luftabwehrsysteme haben im Bereich Nowa Dmytriwka im Gebiet Charkiw ein ukrainisches Flugzeug vom Typ Su-25 abgeschossen. Darüber hinaus wurden im Laufe der Nacht 15 ukrainische Drohnen vernichtet, darunter eine Bayraktar TB-2 über der Ortschaft Nowa Sorja im Gebiet Mykolajiw“, erklärte Konaschenkow zudem.
Insgesamt seien durch die Luftwaffe 66 ukrainische Militärobjekte getroffen worden, durch Raketenstreitkräfte und Artillerie sogar 1098 Objekte. Zumeist handle es sich um Truppenansammlungen, Militärkonvois und Kommandopunkte der ukrainischen Armee, sagte Konaschenkow.
Ukraine: Fluchtkorridor für Mariupol bestätigt
Die ukrainischen Behörden haben das Zustandekommen eines Fluchtkorridors für die vom Krieg zerstörte Hafenstadt Mariupol bestätigt. „Die Evakuierung aus dem okkupierten Mariupol beginnt um 11.00 Uhr vom Einkaufszentrum „Port-City“ aus“, teilte der ukrainische Stadtrat von Mariupol auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Busse in die von der Ukraine kontrollierte Großstadt Saporischschja seien für Frauen, Kinder und Alte gedacht, teilte die Behörde weiter mit.
In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Versuche, Zivilisten aus der Stadt zu evakuieren. Allerdings scheiterten diese Bemühungen mehrfach. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, für das Scheitern verantwortlich zu sein. Russland hat eigenen Angaben nach inzwischen die „volle Kontrolle“ über die Hafenstadt im Südosten der Ukraine. Im weitläufigen Komplex des Stahlwerks Azovstal halten sich aber nach wie vor ukrainische Soldaten und Kämpfer des nationalistischen Regiments Azov auf. Daneben sollen sich auch Zivilisten in der Fabrik versteckt halten.
London: Schwere Kämpfe in Mariupol dauern an
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste finden trotz der russischen Behauptung über die vollständige Einnahme der ukrainischen Hafenstadt Mariupol weiterhin schwere Kämpfe dort statt. Diese bremsten den von Russland angestrebten weiteren Vormarsch im Donbass im Osten der Ukraine weiter aus, hieß es am Samstagmorgen im täglichen Update des britischen Verteidigungsministeriums. In den vergangenen 24 Stunden habe Russland keine entscheidenden Fortschritte erzielt, da ukrainische Gegenwehr dies vereitele.
UN-Generalsekretär trifft Putin und Selenskyj
Rund zwei Monate nach Beginn des Kriegs in der Ukraine will UN-Generalsekretär António Guterres kommende Woche Russland und die Ukraine besuchen. Nach einem Empfang durch Russlands Präsident Putin am Dienstag in Moskau wird Guterres in die Ukraine weiterreisen und dort am Donnerstag unter anderem Präsident Selenskyj treffen, wie die Vereinten Nationen in New York mitteilten. Der UN-Chef hatte zuvor um die Treffen gebeten, um im Ringen um eine Waffenruhe in dem Konflikt zu vermitteln. Die Reise nach Moskau dürfte eine der wichtigsten in Guterres‘ Zeit als UN-Generalsekretär werden.
Medwedew: Europa „überlebt keine Woche“ ohne russisches Gas
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat auf eine Leitlinie der EU-Kommission reagiert, wonach es scheine, dass EU-Unternehmen russisches Gas ohne Sanktionsverstoß bezahlen könnten. Man schätze die „Konsequenz und Prinzipientreue der europäischen Partner“, schrieb Medwedew auf Telegram und fügte einen lachenden Smiley und ein Clown-Emoji hinzu. Vor allem, wenn man bedenke, dass nach aktuellen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) Europa höchstens sechs Monate ohne russisches Gas auskomme. „Aber ernsthaft, sie werden keine Woche überleben.“
Satellitenbilder: Mögliche weitere Gräber bei Mariupol
Unweit der von russischen Truppen belagerten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol deuten Satellitenbilder auf ein mögliches weiteres Massengrab hin. „Dieses Mal im linksufrigen Stadtbezirk beim Friedhof von Wynohradne“, teilte der Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko bei Telegram mit. Die Besatzungskräfte würden so versuchen, Kriegsverbrechen zu verschleiern. Die vom US-Satellitenfotodienst Maxar verbreiteten Aufnahmen aus dem Zeitraum vom 22. März bis 15. April sollen einen Friedhof bei Wynohradne vor, während und nach einer Erweiterung der Gräber zeigen. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
„Moskwa“: Russland nennt Opferzahl
Eine Woche nach dem Untergang des Kriegsschiffs „Moskwa“ hat die russische Führung ein Todesopfer eingeräumt, 27 Matrosen würden vermisst. „Im Kampf um das Überleben des Schiffs ist ein Soldat ums Leben gekommen, weitere 27 Besatzungsmitglieder sind verschollen“, teilte das Verteidigungsministerium laut der Nachrichtenagentur Interfax mit. Über Verletzte gab es keine Angaben. Kremlkritische Medien hatten nach Gesprächen mit Angehörigen von einer deutlich größeren Anzahl an Toten und Vermissten gesprochen.
Das wird heute wichtig
Mit einem Bundesparteitag bestimmt die FDP am Wochenende ihren weiteren Kurs zur Unterstützung der Ukraine. In Düsseldorf und Hamburg sind Demonstrationen gegen den Krieg geplant. (dpa/red)