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Neues EU-Digital-Gesetz – „Was offline illegal ist, wird auch online illegal sein“

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In Bezug auf das Internet soll in der EU künftig gelten: Was offline illegal ist, soll es auch online sein. Nach einem Verhandlungsmarathon steht nun eine Einigung.


Hass, Hetze, Desinformation: Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist das Internet vielfach ein ungemütlicher Ort. Die Europäische Union steuert gegen.

Nach 16-stündigem Verhandlungsmarathon haben sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments auf ein Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geeinigt, das gesellschaftliche Probleme im Netz angehen soll. Dazu gehören der Verkauf gefälschter Waren und die Nutzung sensibler Daten wie religiöse Überzeugungen und politische Ansichten für zielgerichtete Werbung. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist das Gesetz über digitale Dienste?

Der DSA ist Teil eines Digital-Pakets, das die EU-Kommission Ende 2020 vorgeschlagen hat. Ziel waren verbindliche Regeln für das Internet. EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager verglich die Lage mit der ersten Ampel, die Ordnung auf die Straßen gebracht habe.

Das Gesetz verfolgt ein grundlegendes Prinzip: „Was offline illegal ist, wird in der EU auch online illegal sein“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach dem Deal auf Twitter. Das gilt etwa für Hassrede und Terrorpropaganda, aber auch für gefälschte Produkte, die auf Online-Marktplätzen verkauft werden. Die Plattformen sollen mehr Verantwortung dafür übernehmen, was bei ihnen passiert.

Der zweite Teil des Digital-Pakets war das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA), bei dem es bereits Ende März eine Einigung gab. Der DMA soll die Marktmacht von Tech-Giganten wie Google und Facebook mit strengeren Regeln beschränken.

Welche Regeln schreibt der DSA vor – und für wen?

Grundsätzlich sollen die neuen Regeln für digitale Dienste gelten, die Vermittler sind und Verbrauchern Zugang beispielsweise zu Waren und Inhalten ermöglichen. Das können Online-Marktplätze wie der von Amazon sein, Soziale Medien wie Facebook, Plattformen zum Teilen von Inhalten wie YouTube und Suchmaschinen wie Google. Große Dienste müssen mehr Regeln befolgen als kleine. Für kleine Unternehmen mit weniger als 45 Millionen aktiven Nutzern im Monat wird es Ausnahmen geben.

Grundsätzlich gilt, dass die Unternehmen illegale Inhalte wie Hassrede zügig entfernen müssen, wenn sie darüber informiert werden. Ein Richtwert sind 24 Stunden. Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch eher zu viel als zu wenig gelöscht wird – und sehen darin Zensur. Ein Unterschied soll gemacht werden zwischen illegalen Inhalten und solchen, die zwar schädlich sind, aber unter die Meinungsfreiheit fallen. Das könnten etwa Lügen über die Wirksamkeit von Impfstoffen sein, die die Gesundheit von Menschen gefährden. Oder Falschbehauptungen zu Essstörungen, die etwa junge Frauen in die Magersucht treiben.

Marktplätze werden dazu verpflichtet, Anbieter zu überprüfen, damit weniger gefälschte Produkte im Netz landen. Auch manipulative „Dark Patterns“, die Verbraucher zur Kaufentscheidung drängen, werden verboten. Sensible Daten wie religiöse Überzeugungen, sexuelle Vorlieben oder politische Ansichten dürfen nicht mehr für gezielte Werbung genutzt werden. Minderjährige sollen grundsätzlich keine personalisierte Werbung mehr bekommen. Soziale Netzwerke müssen ihre Empfehlungsalgorithmen transparenter machen und den Nutzern Wahlmöglichkeiten bieten. Bei Verstößen drohen Strafen in Höhe von sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Neu ist auch ein Krisenmechanismus, den die EU-Kommission wegen des Kriegs in der Ukraine nachträglich vorgeschlagen hatte. Dieser soll in Fällen wie Krieg, Pandemie oder Terroranschlag die Auswirkungen von Manipulation im Netz begrenzen. Die EU-Kommission kann den Mechanismus auf Empfehlung des Gremiums der nationalen DSA-Koordinatoren auslösen und dann über angemessene und effektive Maßnahmen der sehr großen Dienste entscheiden.

Was gilt für besonders große Dienste?

Als besonders groß gelten Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzern. Mit Blick auf schädliche Inhalte müssen sie künftig einmal jährlich eine Risikobewertung vorlegen und Gegenmaßnahmen vorschlagen. Diese Berichte werden von der EU-Kommission und Außenstehenden geprüft. Außerdem sollen Forscher Zugang zu Daten bekommen, die etwa bestimmen, was Nutzer in ihrem Newsfeed als Nächstes sehen. „Dies wird sich auf aufmerksamkeitsbasiertes Ranking auswirken, das den Konzernen mit Desinformation, Hass und Hetze die Taschen vollmacht“, sagte die Grünen-Abgeordnete Alexandra Geese nach der Einigung. Erstmals habe man eine unabhängige gesellschaftliche Kontrolle der Plattformen.

Wie fallen die Reaktionen über die Einigung aus?

Die Reaktionen sind überwiegend positiv. Geese sieht im DSA etwa den „Beginn eines digitalen Frühlings“. „Er wird das neue Grundgesetz für das Internet“, sagte die Grünen-Politikerin. Martin Schirdewan von den Linken sagte, der DSA räume im Internet auf. „Dies ist ein guter Anfang in Richtung mehr digitaler Demokratie, auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist.“ Patrick Breyer von den Piraten äußerte sich hingegen enttäuscht. „Die Bezeichnung „Digitales Grundgesetz“ verdient das neue Regelwerk insgesamt nicht, denn der enttäuschende Deal versagt vielfach beim Schutz unserer Grundrechte im Netz.“ Ihm zufolge bleiben „die aufmerksamkeitsheischenden Konzernalgorithmen, die uns im Profitinteresse vorzugsweise Hass, Gewalt und Falschinformationen aussetzen“ alternativlos.

Wie wirken sich die Regeln auf das deutsche NetzDG aus?

Deutschland war – zum Missfallen der EU-Kommission – schon vor Jahren mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zur Bekämpfung von Straftaten und Hassrede im Internet vorgeprescht. Das NetzDG dürfte durch den DSA hinfällig werden – auch, wenn das EU-Gesetz etwa bei den Löschfristen hinter dem deutschen Gesetz zurückbleibt. Insgesamt hat der DSA jedoch einen deutlich größeren Geltungsbereich.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen den Deal vom Samstag noch einmal formell bestätigen. Nach Inkrafttreten ist nach Angaben der EU-Kommission noch eine Übergangsfrist von 15 Monaten oder bis zum 1. Januar 2024 vorgesehen – je nachdem, welcher Zeitpunkt später ist. Für die sehr großen Plattformen und Suchmaschinen sollen die Regeln bereits vier Monate nachdem sie designiert worden sind gelten. (dpa/red)



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