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Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn gibt es Explosionen in Lwiw in der Westukraine. Die Nato erwartet eine weitere Verschärfung der humanitären Notlage. Der ukrainische Staatschef droht Unterstützern Russlands mit dem Tod. Die Entwicklung im Überblick.
Der Krieg in der Ukraine hat erstmals die westukrainische Metropole Lwiw erreicht, in der sich viele Flüchtlinge sammeln.
Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung schlugen acht Raketen nordwestlich von Lwiw im „Zentrum für Internationale Friedenssicherung und Sicherheit“ ein. Dort befinden sich ein Militärausbildungszentrum und ein Truppenübungsplatz. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Sonntagmorgen von mehreren Detonationen.
Die Explosionen waren auch in Polen zu hören, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur aus Przemysl berichtete.
Russland setzt Statthalterin in erobertem Melitopol ein
Erstmals hat Russland in einem eroberten Gebiet eine eigene Statthalterin eingesetzt. Die prorussische Abgeordnete Halyna Daniltschenko rief die Einwohner der südukrainischen Stadt Melitopol auf, sich „an die neue Realität“ anzupassen. Zugleich verlangte sie, die Einwohner sollten nicht mehr gegen die russischen Besatzungstruppen demonstrieren.
„Trotz unserer Anstrengungen, gibt es noch immer Leute in der Stadt, die versuchen, die Situation zu destabilisieren und Euch zu extremistischen Handlungen auffordern“, sagte Daniltschenko in einer Videobotschaft. Sie wolle ein „Komitee der Volksdeputierten“ schaffen, das die Stadt mit knapp 150.000 Einwohnern leitet.
Russland hatte angekündigt, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen. Der Kreml behauptet, die Führung in Kiew werde von „Nazis“ kontrolliert.
Melitopols Bürgermeister Iwan Fedorow war zuvor nach Kiewer Angaben von russischen Kämpfern verschleppt worden. Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte Fedorows Freilassung, in der Stadt demonstrierten mehrere Hundert Einwohner für das gewählte Stadtoberhaupt.
Selenskyj drohte Statthalterin Daniltschenko mit dem Tod. Örtliche Medien bezeichneten die Abgeordnete am Sonntag in Anlehnung an die SS-Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg als „Gauleiterin im Rock“.
Ukraine: Russische Einheiten versuchen weiter Sturm Mariupols
Russische Einheiten versuchen nach ukrainischen Angaben weiter eine Erstürmung der Stadt Mariupol. Prorussische Separatisten stießen dort mit Unterstützung russischer Truppen in östliche Randbezirke vor, wie die ukrainischen Streitkräfte mitteilten. Eine russische Offensive stehe zudem der Stadt Sjewjerodonezk mit 100.000 Einwohnern im Gebiet Luhansk bevor. Im Süden des Landes bauten russische Truppen Kräfte an der Industriegroßstadt Krywyj Rih mit über 600.000 Einwohnern auf.
Evakuierung in Mariupol erneut gescheitert
In der von der russischen Armee belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine scheiterte ein weiterer Anlauf zur Evakuierung von Zivilisten. 50 Busse hätten wegen Beschusses nicht abfahren können, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk sagte, die Kolonne sei fünf Stunden an einem Kontrollpunkt festgehalten worden sei. Heute solle es einen weiteren Versuch geben. Anderswo hätten die Fluchtkorridore funktioniert, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Insgesamt hätten an dem Tag 12.729 Menschen belagerte und umkämpfte Städte verlassen können, der Großteil davon aus der Stadt Sumy im Nordosten.
Nato-Chef: Nächste Tage werden größere Not bringen
Die Nato erwartet eine weitere Verschärfung der Kämpfe und der humanitären Notlage. „Wir sehen mit Schrecken die steigenden Zahlen ziviler Opfer und die sinnlose Zerstörung durch die russischen Kräfte“, sagte der Generalsekretär der Militärallianz, Jens Stoltenberg, der Zeitung „Welt am Sonntag“. Die Menschen in der Ukraine widersetzten sich der Invasion mit Mut und Entschiedenheit, „aber die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch größere Not bringen“, warnte er.
Stoltenberg lehnte erneut Forderungen ab, die Nato solle eine Flugverbotszone über der Ukraine durchsetzen. Das würde bedeuten, dass russische Kräfte angegriffen werden müssten. „Und damit würde man eine direkte Konfrontation und eine unkontrollierbare Eskalation riskieren. Wir müssen diesen Krieg beenden und ihn nicht noch ausweiten.“ Die Nato sei eine defensive Allianz. „Wir suchen keinen Konflikt mit Russland.“
Selenskyj droht Kollaborateuren Russlands
Selenskyj droht möglichen Kollaborateuren Russlands in der Ukraine. Wer sich von Angeboten der russischen Besatzer in Versuchung geführt sehe, unterschreibe damit sein eigenes Urteil, sagte er in einer in der Nacht veröffentlichten Videobotschaft. „Das Urteil lautet, mehr als 12.000 Besatzern zu folgen, die nicht rechtzeitig verstehen konnten, warum die Ukraine nicht angegriffen werden sollte.“ Zuletzt hieß es von ukrainischer Seite, dass mehr als 12.000 russische Soldaten in dem Krieg in der Ukraine getötet worden seien.
Selenskyj sieht Veränderungen bei russischer Position
Nach dem hartnäckigen militärischen Widerstand der Ukrainer sieht Selenskyj erste Veränderungen der Position Russlands. „Jetzt haben sie begonnen, über etwas zu reden – und nicht einfach Ultimaten zu stellen“, sagte er vor internationalen Journalisten in Kiew. Der 44-Jährige ist nach eigenen Worten zufrieden damit, da es das erste Mal seit über zwei Jahren sei, dass Moskau zu einem Dialog bereit sei.
Das wird am Sonntag wichtig
In der Hafenstadt Mariupol soll es einen neuen Versuch geben, Zivilisten zu evakuieren. In Berlin und anderen deutschen Großstädten wollen heute erneut Zigtausende Menschen gegen den Krieg Russlands in der Ukraine protestieren. In der Hauptstadt meldete das Veranstalter-Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Friedensgruppen und Umweltschutzinitiativen 100.000 Teilnehmer an. (dpa/red)