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Das weiße Gold – Gespräch über kulturelles Erbe des europäischen Porzellans

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Porzellan, bereits seit der Han-Dynastie in China gebrannt, galt in Europa in vielerlei Hinsicht als große Kostbarkeit. In enormen Mengen aus dem Reich der Mitte importiert, zierte der begehrte Luxusartikel im Barock zahlreiche Königs- und Fürstenhäuser. Die Aristokratie war regelrecht versessen auf das „weiße Gold“, denn neben seiner fragilen Schönheit nährte es auch die Vorstellung von China als märchenhaftes, exotisches Reich, das man gerne besucht hätte. Um die Sammelwut des europäischen Adels zu befriedigen, bemühte man sich in Europa mit Nachdruck um eine eigene Herstellung. Der Durchbruch gelang, und zwar in Meißen. Doch wem genau ist das europäische Porzellan zu verdanken? Welche faszinierenden Geschichten verbergen sich hinter so manch einer ausgefallenen Porzellankreation? Welche Gefahren lauern im Herstellungsprozess? Und warum ist es wichtig, alte Traditionen aufrechtzuerhalten?

Epoch Times ging diesen Fragen am europäischen Ursprungsort nach. Anja Hell, Geschäftsführerin der Meissen Porzellan-Stiftung und Bianca Herbst, PR-Managerin der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen geben einen interessanten Einblick rund um das kulturelle Erbe und die einzigartige Handwerkskunst.

„In Meißen wird das Wissen und das handwerkliche Können der Porzellanherstellung von Generation zu Generation weitergetragen“, sagt Bianca Herbst.

Wer erfand das europäische Porzellan und wie kam es dazu?

Anja Hell: Ausschlaggebend war Sachsens Kurfürst August der Starke und seine Leidenschaft für das asiatische Porzellan. Er investierte eine Menge Geld, um eine Forschungsgemeinschaft ins Leben zu rufen, die asiatisches Porzellan erforschen sollte. Der Alchemist Johann Friedrich Böttger hatte zudem behauptet, er könne Gold herstellen, was ein weiteres Anliegen August des Starken war. Böttger wurde in der Jungfernbastei in Dresden inhaftiert und sollte sich zusammen mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus um die Goldherstellung kümmern. Nach und nach kristallisierte sich heraus, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war. Ehrenfried Walther von Tschirnhaus hatte sich schon viele Jahre mit dem Geheimnis der Porzellanrezeptur befasst und erfolglos experimentiert. Zusammen mit Böttger und den Bergleuten gelang es schließlich 1708 durch akribisches Mixen verschiedener Erden und verschiedener Brenntemperaturen die allererste Rezeptur für das europäische Porzellan zu entwickeln. Es war eine Teamleistung verschiedenster Persönlichkeiten, die alle unterschiedliche Qualitäten in dieses Projekt mit einbrachten.

Welchen Stellenwert hatte Porzellan für August den Starken, wofür benötigte er es?

AH: August der Starke sagte von sich selbst, dass er porzellankrank sei. Seine Sammelleidenschaft war eine Sucht. Das chinesische Porzellan hatte es ihm besonders angetan, was auch für alle anderen Fürsten- und Königshäuser in Europa galt. Eine Art Wettbewerb begann: Wer war der Erste, der die Rezeptur dieses exotischen Gutes für Europa erschließen konnte? Als es August dem Starken in Sachsen gelang, war dies ein enormer Erfolg. Porzellan war ein Prestigeobjekt. Das asiatische Porzellan wurde mit Gold aufgewogen, es war wahnsinnig kostbar, etwas ganz Besonderes. Den ideellen Wert, den es damals hatte, können wir heute kaum nachempfinden. Mit der eigenen Produktion konnte es August der Starke den Chinesen gleich oder sogar noch besser tun, vor allem konnte er damit seine Machtposition ausbauen. Mit seinem hauseigenen Porzellan machte er diplomatische Geschenke. Dies kam der Manufaktur und deren Entwicklung zugute, denn August der Starke forderte eine Unmenge an Dingen, sodass die Manufakturisten an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen mussten.

Was konnte Europa aus der chinesischen Porzellankunst und aus der östlichen Kultur und Tradition schöpfen?

AH: Die Manufaktur profitierte sehr von den chinesischen und japanischen Vorlagen, die einen großen Einfluss ausübten. Zum einen war man in Europa in der Porzellanmalerei nicht trainiert, man musste sich erst die Fingerfertigkeit erarbeiten und ein Gefühl dafür bekommen. Anfangs waren nur wenige Mitarbeiter in der Manufaktur beschäftigt und noch branchenfremd. Das waren zum Beispiel Glasbläser oder Bildhauer. Zunächst gab es auch keine Malerei im eigentlichen Sinne. Man begann mit der Goldmalerei und ab 1717 mit der Unterglasurmalerei in Kobaltblau. Es dauerte eine Weile, bis man das Kobaltblau beherrschte, so wie es die Chinesen taten.

Zum anderen waren die Europäer von der asiatischen Welt fasziniert, Höroldt übertrug das auf die Meißener Porzellane und entwickelte die Höroldtschen Chinoiserien. Im Zuge der China-Mode im 18. Jahrhundert galt alles, was aus Asien kam, als hip und angesagt. Erst um 1740 begann man, sich mit europäischen Kupferstichen auseinanderzusetzen, die dann als Vorlage für die Porzellanmalerei dienten.

Welches ist das wertvollste oder imposanteste Porzellan in der Sammlung des Museums in Meißen?

AH: Das imposanteste Stück ist „Der große Ehrentempel“, ein Tafelaufsatz in der Art eines Triumphbogens, der im Zentrum des Museums steht. Es ist mit eines der größten Porzellanobjekte, die im Haus gefertigt wurden und besteht aus 123 Einzelteilen. Entstanden ist er anlässlich des Namenstages des Sohns August des Starken. Dieser Ehrentempel ist monumental – er war das schmückende Element des Festes – ein dekoratives Stück, dessen Figuren der griechischen Mythologie entstammen.

Welches Porzellan aus der Sammlung ist ihr persönlicher Favorit und aus welchem Grund?

AH: Am liebsten habe ich den „Geier mit geschlagenem Kakadu“, eine Palaisplastik von Johann Joachim Kaendler. Mir gefällt daran die figürliche Darstellung des Geiers. Der Kakadu liegt quer über den Krallen des Geiers, ist also offensichtlich von ihm erlegt worden. Die Zunge des Kakadus hängt heraus und der Geier nimmt ihn gerade auseinander, er hat Gedärme im Schnabel. Das ist eine sehr plastische Darstellung und auch das, was ich an Kaendler schätze. Er hat die Tiere nicht anhand von Kupferstichen umgesetzt, sondern wirklich aus dem Leben gegriffen dargestellt. Sie sind in der Bewegung und man kann nachvollziehen, was da gerade stattfindet. Das ist der eine Aspekt. Der andere Aspekt, der mich daran fasziniert, ist die handwerkliche Umsetzung dieser Figur. Porzellanfiguren sind vor dem Brennen größer, sie schwinden um 16 Prozent. Dieser Vorgang erfordert eine Menge handwerkliches Können. Man muss sich überlegen, wie man es löst, dass die Figur im Brand nicht kippt, denn das Porzellan wird weich und verformt sich.

Wenn man die Porzellane in der Sammlung betrachtet, ist man von der Pracht und Schönheit überwältigt. Im Laufe der Zeit ist in der Kunst der Anspruch an Schönheit, das Streben nach dem Ideal verloren gegangen. Wenn man Schönheit als Wert betrachtet, was kann es den Menschen Ihrer Meinung nach geben?

AH: Wenn wir die Frage auf Porzellan projizieren, empfinde ich ganz besonders das 18. Jahrhundert in Bezug auf Schönheit sehr wertvoll. Da spielte die ästhetische Qualität der Figur eine besondere Rolle und diese speist sich aus der Qualität der Handarbeit, die ins Kunstwerk hineinfloss. Die Figuren des 18. Jahrhunderts besitzen eine enorme Detailtreue. Das Fell eines Porzellanaffen etwa und die Früchte eines Korbes werden mit solch einer Feinheit dargestellt, sowohl plastisch als auch staffiert, also bemalt. Das ist großartige handwerkliche Schönheit. Anfangs, als ich hier begonnen habe, mich mit Porzellan zu befassen, dachte ich hin und wieder: „Wozu solche Porzellanfiguren?“ Aber wenn man den Grund der Entstehung der Figuren und den ästhetische Anspruch dahinter in der Gesamtheit und im Zusammenspiel mit der Historie betrachtet, dann sind sie wunderschön.

Betrachtet man diese Feinheiten, dann gebe ich Ihnen recht – heute ist man reduzierter. Die Detailarbeit spielt auf den ersten Blick keine solche Rolle wie im 18. Jahrhundert. Das ist dem Zeitgeschmack geschuldet, der sich weiterentwickelt und verändert hat.

Der Fokus in der Kunst, auch in der Architektur stark bemerkbar, hat sich mehr ins Konzeptuelle verlagert. Schönes Handwerk oder Detailarbeit gelten als überflüssig. Aber niemand sieht sich wirklich gerne Gebäude des Sozialen Wohnungsbaus an oder möchte gar darin wohnen, nicht wahr? 

AH: In der Architektur ist das tatsächlich kaum ein Vergnügen. Man fragt sich in der Tat: „Warum geht das nicht mehr?“ Aber wir kennen die Beweggründe, die dazu führen, dass es zu einer Uniformität kommt: gesellschaftlich nicht gewollt, Kostenexplosionen und vielleicht auch der fehlende Sinn für das Schöne. Das muss man trainieren. Daran schließt sich die Frage an, die sich in unseren Zeiten diskutieren lässt: „Schließe ich die Kultureinrichtungen zu Corona-Zeiten oder nicht?“ Demgegenüber bin ich kritisch eingestellt, das kann ich nur bedingt nachvollziehen. Denn gerade die Kultur und das Schöne, die Kunst, die man dort wahrnimmt, die bereichert, baut auf, regt zum Nachdenken an, zum sich Einfühlen oder vielleicht sogar zum kontroversen Diskutieren – und sie spendet Trost.

Die Porzellansammlung birgt einen Reichtum an Tradition. Warum ist es wichtig, die Tradition in der Kunst aufrechtzuerhalten und an die heutige Gesellschaft weiterzugeben?

AH: Das ist essenziell. Ich muss die Vergangenheit und das Traditionelle kennen, um voranzuschreiten, um Neues entwickeln zu können. Das wäre ohne die Vergangenheit nicht möglich. Aus der langen, 300-jährigen Tradition schöpft auch die Manufaktur. Am Anfang, also 1710, war man bereits innovativ, als man die Rezeptur entwickelte und erschlossen hat, wie man Porzellan am besten in einer Manufaktur produziert und effektiv arbeitet. Genauso ist es auch heute. Man schöpft aus der Tradition, um in der Gegenwart und der Zukunft weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Man kann sich auf der Tradition nicht ausruhen, sonst stagniert es. Die Tradition zu bewahren und parallel dazu produktiv an der Zukunft zu arbeiten und so einen Bogen zu spannen, ist ein ganz wichtiger Faktor und maßgeblich für uns.

Bianca Herbst: Traditionelle Techniken, die über die Zeit verloren gegangen waren, wie z. B. die Pâte-sur-Pâte-Malerei, hat sich die Manufaktur anhand historischer Stücke wieder neu erarbeitet. Die Manufaktur Meissen ist heute die Einzige, die dieses traditionelle Handwerk der Pâte-sur-Pâte-Malerei noch kann.

Wie gestaltet sich der Produktionsprozess in der Meissener Manufaktur? Welche Stationen läuft man durch bis zur Fertigstellung des Produktes?

BH: Alles beginnt in unserem eigenen Bergwerk, das seit 1764 existiert und zwölf Kilometer von Meißen entfernt liegt. Dort wird unser Kaolin von zwei Bergmännern abgebaut. Das Kaolin ist essenziell für die Eigenschaften des Meissener Porzellans, dem hohen Weißheitsgrad und auch der Formbarkeit der Porzellanrohmasse. Der erste Schritt ist die Herstellung der Masse. Davor kommt aber eigentlich noch der Modell- bzw. der Formbau. Wir haben mittlerweile über 700.000 Formen in unserem Formenarchiv. Die sogenannten Modell- und Arbeitsformen bestehen aus Gips. Je nachdem, welches Porzellan daraus entstehen soll, können diese Formen nur 20 bis 30 Mal ausgeformt werden. Danach muss man eine neue Form schaffen, weil sich aufwendige Reliefs beispielsweise bei jeder Ausformung mit Porzellanmasse abnutzen. Wenn man zum Beispiel eine gänzlich neue Figur ausformen möchte, zu der noch keine Formen existieren, wird zunächst ein Tonmodell geformt und dann in Einzelteile zerschnitten, um aus jedem Einzelteil ein Gipsmodell auszuformen und davon wiederum eine Form zu erstellen. Man entwickelt also ein Positiv, um daraus ein Negativ zu machen, um am Ende wieder ein Positiv, sprich das Porzellan zu formen. Schon alleine der Modell- und Formenbau ist eine Handwerkskunst für sich, gerade wenn sehr aufwendige Reliefs im Formenbau berücksichtigt werden müssen.

Die Masseherstellung ist in der Porzellanherstellung der erste Schritt. Wenn das Kaolin aus dem Bergwerk in die Manufaktur kommt, befinden sich noch Verunreinigungen darin wie Sand und andere Mineralien, die im Schlämmbecken ausgewaschen werden. Dieser Prozess erfolgt heute noch wie einst nach dem Umzug von der Albrechtsburg in das Triebischtal 1865. Die gesamte Porzellanherstellung erfolgt heute weiterhin nach traditionellen Herstellungstechniken. Feldspat, Quarz und Kaolin sind die Bestandteile der Porzellanmasse. Welches Produkt aus der Masse gefertigt werden soll, hat Einfluss auf das Mischungsverhältnis dieser Bestandteile. Ob ein Teller, eine Figur oder eine Tasse – es macht in der Masseherstellung einen Unterschied. Für die verschiedenen Herstellungstechniken wie Gießen, Drehen und Formen muss die Masse entsprechend flüssig oder fest sein.

Wird eine Figur geformt, entsteht diese aus verschiedensten Einzelteilen, wofür verschiedene Gipsformen benötigt werden. Es gibt Figuren mit 100 bis 200 Gipsformen, sprich 100 bis 200 Porzellaneinzelteile, die dann von den sogenannten Bossierern zu einer Figur zusammengesetzt werden. Die Herausforderung besteht darin, dies in der Handschrift des Künstlers darzustellen. Das Bossieren, also zusammensetzen der Figuren aus den ungebrannten Porzellaneinzelteilen, ist eine Kunst für sich. Alles besteht aus Porzellan, und die Einzelteile werden mit Schlicker (flüssige Porzellanmasse) zusammengefügt. Durch das Zusammensetzen der Einzelteile mithilfe des Schlickers entstehen Ränder, die genauso wie Quetschnähte, die beim Ausformen der Figureneinzelteile entstehen, entfernt werden. Haare, Teile der Bekleidung, Fingernägel, Gesichtskonturen und zahlreiche andere Details werden ebenfalls bossiert, ganz im Sinne der Handschrift des Originalkünstlers.

Für die Herstellung sind das Formarchiv und Farblabor also essenziell. Aus den 700.000 Formen kann man etwa 8.000 Figuren und 15.000 Tisch- und Tafelporzellane produzieren. Das ist ein unglaublicher Schatz für uns, genauso wie unser Farblabor. Die Zusammensetzung der Farben ist ein groß gehütetes Geheimnis.

Danach geht es weiter mit verschiedenen Bränden, das Porzellan muss mehrfach gebrannt werden. Das Rohporzellan kommt zunächst in den Glühbrand, danach erfolgt die Unterglasurmalerei – wie z. B. unser Markenzeichen, die gekreuzten Schwerter. Dann kommt der Glattbrand, der das Porzellan um 16 Prozent schwinden lässt, das muss auch immer bei der Herstellung berücksichtigt werden. Nach der Aufglasurmalerei folgt der Dekorbrand. Zu bedenken ist, dass Porzellan aus Naturrohstoffen besteht, dies birgt auch immer eine gewisse Gefahr. So werden große Porzellane mit Brennhilfen gestützt, damit Verformungen verhindert werden. Das Drapieren der einzelnen Porzellane für den Ofen ist ebenfalls eine Wissenschaft für sich. Die Brenntemperatur wird peu à peu erhöht und so muss vorher festgelegt werden, welche Porzellane man nach außen, welche weiter nach innen stellt, dort wo weniger Hitze herankommt.

Welches Geschick muss man mitbringen, wenn man sich als Porzellanmaler bei Meissen bewerben möchte?

BH: Wir bilden unsere Porzellanmaler selber aus. In unserer Zeichenschule wird im ersten Jahr ausschließlich auf Papier gemalt. Es werden alle Grundlagen vermittelt und Themen wie Anatomie oder Naturstudien angefertigt. Im zweiten und dritten Jahr werden Schritt für Schritt die Dekore auf Porzellan erlernt. Wir sind in der glücklichen Lage, viel mehr Bewerbungen zu erhalten, als wir Plätze anbieten können. Die Begabung spielt eine wichtige Rolle, es muss also künstlerisches Talent vorhanden sein. Genauso braucht es eine gewisse Ruhe, Belastbarkeit und auch ein extrem großes Konzentrationsvermögen. Als Porzellanmaler muss man täglich acht Stunden malen können – dazu benötigt es Ruhe und Konzentration. Wir schauen auch, worin die Stärken jedes Einzelnen liegen. Manchen liegt das grafische Malen wie für die Indischmalerei mehr, dem anderen vielleicht die Blumenmalerei.

Das Interview führte Ani Asvazadurian



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