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Belohnt der Kapitalismus die Falschen

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Von Daniel Issing (PEACE LOVE LIBERTY) – Das Internetzeitalter hat – neben seinen fantastischen und kaum zu überschätzenden Wohltaten – auch zu einer reichlich unglücklichen Variante der Diskussionskultur beigetragen. Da die Aufmerksamkeitsspanne des durchschnittlichen Nutzers, bedingt durch die Fülle an Inhalten, häufig recht begrenzt ist, werden vollständige Argumente häufig durch optisch ansprechende, stark zugespitzte und nicht immer ganz der Wahrheit entsprechende Bildchen ersetzt. Der große Vorteil ist sicherlich die beeindruckende Effizienz, mit der man sich ungeliebter Gegenpositionen argumentativ entledigen kann. Und da Marktwirtschaft momentan nicht gerade besonders en vogue bei den Meinungsmachern und Internet-Aktivisten ist, verwundert es auch kaum, dass zahlreiche Memes ihre vermeintlichen und tatsächlichen Schattenseiten anprangern. Der Erfinder und die Hotelerbin: Paris vs.

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Belohnt der Kapitalismus die Falschen


Von Daniel Issing (PEACE LOVE LIBERTY) – Das Internetzeitalter hat – neben seinen fantastischen und kaum zu überschätzenden Wohltaten – auch zu einer reichlich unglücklichen Variante der Diskussionskultur beigetragen. Da die Aufmerksamkeitsspanne des durchschnittlichen Nutzers, bedingt durch die Fülle an Inhalten, häufig recht begrenzt ist, werden vollständige Argumente häufig durch optisch ansprechende, stark zugespitzte und nicht immer ganz der Wahrheit entsprechende Bildchen ersetzt. Der große Vorteil ist sicherlich die beeindruckende Effizienz, mit der man sich ungeliebter Gegenpositionen argumentativ entledigen kann. Und da Marktwirtschaft momentan nicht gerade besonders en vogue bei den Meinungsmachern und Internet-Aktivisten ist, verwundert es auch kaum, dass zahlreiche Memes ihre vermeintlichen und tatsächlichen Schattenseiten anprangern.

Der Erfinder und die Hotelerbin: Paris vs. Tesla

Ein prägnantes Beispiel hierfür (um das es auch im Folgenden gehen soll), welches geschickt beliebte Vorurteile über kapitalistische Wirtschaftsordnungen aufgreift, zeigt die Hotelerbin Paris Hilton und der kroatisch-amerikanische Erfinder, Physiker und Elektroingenieur Nikola Tesla. Hilton, so kann man dort lesen, sei eine „talentlose Berühmtheit“, deren Vermögen sich auf 100 Millionen Dollar beläuft, während Tesla, „einer der bedeutendsten Erfinder aller Zeiten“, einsam und verschuldet verstarb. Der Autor kommentiert sarkastisch: „Weil der Kapitalismus sicherstellt, dass nur die Besten und Schlausten reich und erfolgreich werden.“ Eine Facebook Seite teilte diesen Beitrag:

Belohnt der Kapitalismus die Falschen

Das Problem dieses Memes ist nicht einmal so sehr der Wahrheitsgehalt der Aussagen – tatsächlich beläuft sich Hiltons Vermögen wohl auf rund 100 Millionen Dollar, und Tesla starb in der Tat verschuldet – als vielmehr das Auslassen relevanter Details und deren impliziten Verknüpfungen.

Kein Theoretiker des Liberalismus hat je behauptet, dass eine gute oder geniale Idee ausreichen würde, um ein Vermögen zu machen, ganz im Gegenteil.

Denn auch, wenn man von der Frage absieht, wie kapitalistisch Amerika damals und heute eigentlich war und ist – inwiefern also die Verteilung des Vermögens ein Ergebnis der Marktprozesse war, oder welchen Einfluss Lobbyismus und politische Beziehungen hatten – ist der Zusammenhang keinesfalls so klar wie angedeutet. Wieso war Tesla gegen Ende seines Lebens verarmt? Tatsächlich hatte er sich schon früh in seinem Leben ein beträchtliches Vermögen durch den Verkauf von Patenten sichern können. Allein aus diesen Geschäften konnte er $225.000 herausschlagen, was konservativen Schätzungen nach im Jahr 2016 etwa einer Kaufkraft von 5,4 Millionen Dollar entspricht. Es waren erfolglose Projekte, gescheiterte Investitionen und ein durchaus extravaganter Lebensstil (Tesla lebte die meiste Zeit in New Yorker Hotels), die schließlich zu seinen finanziellen Problemen führten.

Nikola Tesla ist es also nicht gelungen, aus seinen beachtlichen Einnahmen eine gute Alterssicherung aufzubauen. Wieso ist das ein Argument gegen die freie Marktwirtschaft? Kein Theoretiker des Liberalismus hat je behauptet, dass eine gute oder geniale Idee ausreichen würde, um ein Vermögen zu machen, ganz im Gegenteil. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer ausgeklügelten Marketingstrategie, Gespür für ungedeckte Nachfrage, gewisser rechtlicher Rahmenbedingungen und nicht zuletzt auch etwas Glück, um erfolgreich zu sein. Was uns die Ökonomie tatsächlich lehrt, ist, dass der Markt dazu tendiert, effiziente Unternehmer – also solche, die die Wünsche der Kunden bestmöglich erfüllen – zu belohnen. Eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht.

Richter und Henker

Letztendlich entscheidet auf dem Markt immer der Konsument, welche Unternehmer belohnt werden. Das ist „gerecht“ in dem Sinne, dass die Spielregeln für alle die gleichen sind. Ist es auch fair? Ich denke nicht, dass man dieses Wort hier sinnvoll verwenden kann. Wenn viele Menschen die Schlagzeilen, die Paris Hilton produziert, einem angeblich besseren Gut (Poesie, klassische Musik, revolutionäre Erfindungen und so weiter) vorziehen, ist das weder fair noch unfair. Es ist schlicht eine Tatsache.

Werden Preise nicht dezentral und auf Basis der individuellen Entscheidung aller Bürger gefunden, braucht es eine höhere Instanz, die die Zuordnung vornimmt.

Zudem bleibt die Frage nach einer realistischen Alternative offen. Wie, wenn nicht anhand der Evaluation durch die anderen Marktteilnehmer, soll denn über die Vermögensverteilung entschieden werden? Hier tauchen zwei fundamentale Schwierigkeiten auf.

Zum einen: Werden Preise nicht dezentral und auf Basis der individuellen Entscheidung aller Bürger gefunden, braucht es eine höhere Instanz, die die Zuordnung vornimmt. Dies kann ein demokratisch gewähltes Gremium, ein Monarch oder ein sowjetisches Zentralkomitee sein, doch alle ziehen einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Es muss ein verbindlicher und bestenfalls auch objektiver Maßstab gefunden werden. Für alle, die nicht an den inhärenten Wert von Gütern und Dienstleistungen glauben, sollte klar sein, dass dieser Maßstab notwendigerweise willkürlich ist. Er spiegelt höchstwahrscheinlich die Präferenzen der Regierenden wieder und öffnet Despotismus, Vetternwirtschaft und Uniformität Tür und Tor.

Zum anderen: Die gesetzliche Festlegung von Preisen übersieht die allerwichtigste Funktion des Preissystems – Informationen über knappe Güter bereitzustellen. Sie helfen uns, Rohstoff und Arbeitskraft optimal einzusetzen, sind Signale für Investitionsmöglichkeiten und informieren Unternehmer darüber, ob ihre Produktionsstrategie erfolgreich war. Sie sind, mit anderen Worten, das beste Mittel gegen Verschwendung und für Nachhaltigkeit. Der Vergleich beider deutscher Staaten zwischen 1949 und 1989 bietet zahllose Belege dafür.

Careful What You Wish For

Man muss an dieser Stelle einmal innehalten und sich fragen, ob der Urheber des Memes wirklich das meint, was er impliziert. Wünscht er (oder sie) sich tatsächlich, dass „nur die Besten und Schlausten erfolgreich sind“? Würde eine kapitalistische Wirtschaftsordnung dazu führen, dass stets die Klugen und die Effizienten über den größten Reichtum verfügen, wäre er dem System aller Wahrscheinlichkeit nach nicht freundlicher gesinnt. Man kann sich unschwer ausmalen, wie sich der Fokus der Argumentation in diesem Fall verschieben würde: Statt Nikola Tesla wäre plötzlich Paris Hilton das Opfer einer Gesellschaft, die die weniger Gebildeten, die „Talentlosen“, zurücklässt.

So verlockend eine Welt klingen mag, in der jeder das bekommt, was ihm Aufgrund seiner Verdienste und Persönlichkeit zusteht, so abschreckend ist sie doch auf den zweiten Blick. Friedrich von Hayek, der sich wie kein Zweiter mit der Frage der „Fairness“ oder der „sozialen Gerechtigkeit“ von Sozialordnungen befasst hat, bemerkte dazu treffend:

“Es ist gewiss oft traurig zu sehen, wie die Verteilung der Güter dieser Welt durch bloßes Glück, wenn nicht durch Schlimmeres bestimmt wird und nur so selten im Verhältnis zu erkennbarem Verdienst oder Bedarf steht. Aber wie viel schlimmer wäre es doch, wenn wir alle überzeugt wären, dass jeder das verdient, was er hat – oder nicht hat –, und der, dem es schlecht geht, wüsste, dass alle anderen meinen, er verdiene es eben nicht besser. Ich möchte jedenfalls nicht in einer solchen Welt leben, die heute so viele Menschen machen möchten, wenn sie nur könnten.”

Die perfekte Meritokratie ist bei genauerem Hinsehen weit weniger glanzvoll, als gedacht.

Wem das nicht genügt, der mag sich mit einer historischen Perspektive trösten. Nikola Tesla ist auch über siebzig Jahre nach seinem Tod noch geschätzt (Google-Mitbegründer Larry Page und Elon Musk sind nur zwei der bekanntesten Bewunderer), man rühmt seine einmalige Begabung und sogar die Einheit der magnetischen Flussdichte trägt seinen Namen. Ähnliches dürfte Paris Hilton wohl kaum geschehen, und ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass sie noch zu Lebzeiten in Vergessenheit fallen wird.

Weniger Markt, mehr Materialismus

Was macht dann den Reiz besagten Memes aus? Warum stimmen so viele Menschen intuitiv mit der Botschaft überein?

Meine Vermutung ist, dass wir uns wünschen, die Gesellschaft würde ihre großen Wohltäter höher würdigen. Und zweifellos prägen die Entdeckungen Teslas unser heutiges Leben enorm. Dennoch würde ich mich diesem Impuls widersetzen. Hier wird nämlich faktisch, wie man es sonst den Liberalen immer vorhält, anhand eines reduktionistischen und materialistischen Menschenbildes argumentiert. Der Urheber impliziert, dass jemand, der trotz beeindruckender geistiger Leistungen nur über geringe Einkünfte verfügt, nicht angemessen für seinen Aufwand entlohnt wurde; ja, gar seines rechtmäßigen Anteils beraubt wurde.

Doch ist es wirklich Geld, was die Genies so umtreibt? War der kontinuierliche Ausbau des eigenen Vermögens wirklich das, was die Newtons, Goethes und Einsteins dieser Welt antrieb? Die Aussicht auf eine hochdotierte Stelle? Oder war es nicht vielmehr die Suche nach intellektueller Genugtuung, nach tiefgehenden Einsichten und nach Lösungen für komplexe, verwobene Probleme? Ihr Pioniergeist und Wahrheitsdrang machte sie oftmals zu Außenseitern, und nur die wenigsten von ihnen erlebten, wie ihre Ideen allmählich Anerkennung fanden. Viele von ihnen hätten unter Umständen sehr reich werden können, doch sie entschieden sich teilweise bewusst dagegen, um ihren eigenen Visionen nachgehen zu können. Sie lebten ihren Traum, unabhängig davon, ob sie dafür von anderen Unterstützung erhielten oder nicht.

Überhaupt: Die Vorstellung, man müsse Genies an der Hand nehmen und sie weich (auf Subventionen) betten, hat etwas sehr Anmaßendes. Eine Umgebung, die ihrem Geist möglichst wenig Schranken setzt, wird ihnen viel eher gerecht als paternalistisches Gehätschel.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf der Webseite von PEACE LOVE LIBERTY.

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