Urs Birchler Am Zürcher Theaterspektakel inszeniert der in Genf lebende holländische Regisseur Yan Duyvendak das Stück Virus. Bemerkenswert ist, dass er dieses vor der Corona-Zeit konzipiert hat. Bemerkenswert ist auch, dass im Stück die Zuschauer selbst mitspielen. Duyvendak hat die Zuschauer schon 2013 als Richter/innen darüber entscheiden lassen, ob Hamlet am Tod von Ophelia schuldig ist. Ein bisschen waren wir vermutlich davon inspiriert, als wir mit Cash on Trial (Zürich 2015, Frankfurt 2019) die Teilnehmer über das Bargeld zu Gericht sitzen liessen. Hier aber geht es um die Kontrolle eines plötzlich aufgetauchten Virus. Duyvendak lässt (Zitat NZZ) „sein Publikum «Virus» spielen und dabei versuchen, in der Rolle eines real existierenden Players – eines Vertreters der Wirtschaft,
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Urs Birchler
Am Zürcher Theaterspektakel inszeniert der in Genf lebende holländische Regisseur Yan Duyvendak das Stück Virus. Bemerkenswert ist, dass er dieses vor der Corona-Zeit konzipiert hat. Bemerkenswert ist auch, dass im Stück die Zuschauer selbst mitspielen. Duyvendak hat die Zuschauer schon 2013 als Richter/innen darüber entscheiden lassen, ob Hamlet am Tod von Ophelia schuldig ist. Ein bisschen waren wir vermutlich davon inspiriert, als wir mit Cash on Trial (Zürich 2015, Frankfurt 2019) die Teilnehmer über das Bargeld zu Gericht sitzen liessen. Hier aber geht es um die Kontrolle eines plötzlich aufgetauchten Virus.
Duyvendak lässt (Zitat NZZ) „sein Publikum «Virus» spielen und dabei versuchen, in der Rolle eines real existierenden Players – eines Vertreters der Wirtschaft, der Forschung, der Sicherheit, der Gesundheit, der Presse zum Beispiel – eine globale Pandemie in den Griff zu bekommen.“
Nicht überraschend für die bei James Buchanan geschulten Ökonomen läuft dabei, wie die NZZ berichtet, nicht alles rund: „Mit einem Schlag erhalten Partikularinteressen mehr Gewicht als verbindende Strategien. Die «Sicherheit» will Polizei an die Grenze stellen und sucht dafür bei der «Wirtschaft» nach Geld. Die Gruppe «Presse» wiederum verlautbart ihre Krisencommuniqués, die im Tumult ungehört bleiben, jeder ist mit sich selbst beschäftigt und mit wildem Aktivismus.“
Die Leserschaft der NZZ mag grossenteils, ohne zu husten auch den folgenden Satz geschluckt haben: „Die «Forschung» aber sieht ihre Stunde gekommen und stellt bei ihren Mitspielern reihum irrwitzig hohe finanzielle Forderungen.“ Ich nicht. Ich habe mich nicht nur verschluckt, sondern auch fast noch die Kaffeetasse fallen lassen. Nicht nur, weil die Pharma-Industrie mit vielen Beispielen bewiesen hat, dass sie in einer allgemeinen Notlage Gemeinnutz über Gewinnstreben stellen kann. Vielmehr ist der Kaffee auf meinem Hemd dem Gedanken an die Covid-19 Task Force geschuldet: Als Ehemann eines Task Force Mitglieds kann ich bezeugen, dass die Mitglieder der Task Force (und ihrer Untergruppen) über Wochen fast tägliche Videokonferemzen abhielten, dazwischen Forschungsergebnisse aufbereiteten und die Diskussionsergebnisse zu (elektronischem) Papier brachten, und dies — la réalité dépasse le théatre — gratis und franko, in Fronarbeit als Dienstleistung an die Schweiz. Da alle Mitglieder daneben einen „Job“ haben, wie z.B. die Leitung eines Spitals, des Schweizerischen Nationalfonds, oder eines Forschungsinstituts, fanden die Konferenzen in der Regel abends und an den Wochenenden statt. Nicht immer zur Begeisterung der Familien.
Wenn laut NZZ das Theaterstück (das ich in keiner Weise kritisieren möchte!) „eine fiese Lektion in Menschenkunde“ darstellt, bietet die Realität (auch der Einsatz des Gesundheitspersonals und vieler anderer an der viralen „Front“ bis hin zu freiwilligen Maskenträgern) auch die eine oder andere eine Lektion in Gemeinsinn.