Die Arbeitsmarktforschung hat wiederholt belegt, dass kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten eng mit dem Erfolg am Arbeitsmarkt zusammenhängen. Aber können diese Zusammenhänge kausal interpretiert werden? Und wie können Bewerber den potentiellen Arbeitgebern diese Fähigkeiten signalisieren?
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Die Arbeitsmarktforschung hat wiederholt belegt, dass kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten eng mit dem Erfolg am Arbeitsmarkt zusammenhängen. Aber können diese Zusammenhänge kausal interpretiert werden? Und wie können Bewerber den potentiellen Arbeitgebern diese Fähigkeiten signalisieren? Dieser Beitrag gibt einige neue Antworten auf Basis eines Experiments: In einer repräsentativen Stichprobe konnten deutsche Personalleiter zwischen Lebensläufen von Berufseinsteigern mit verschiedenen, zufällig zugeteilten Fähigkeitssignalen wählen.
Potentielle Arbeitgeber können die Fähigkeiten von Bewerbern üblicherweise nicht direkt beobachten.[ 1 ] Deshalb nutzen Bewerber auf dem Arbeitsmarkt Signale, um ihre Fähigkeiten erkenntlich zu machen. Der positive Zusammenhang zwischen verschiedenen Fähigkeiten und Arbeitsmarkterfolg ist in der ökonomischen Forschung weit belegt.[ 2 ] Es ist allerdings unklar, ob dieser Zusammenhang kausal ist oder ob die Fähigkeiten mit anderen Dingen korrelieren, die der Arbeitgeber schätzt, vom Wissenschaftler aber nicht beobachtet werden. Wir wissen also nicht, was der direkte kausale Einfluss von Fähigkeitssignalen auf die Einstellungsentscheidung ist und welche Fähigkeitssignale Arbeitgeber relevant und glaubwürdig finden. Der Hauptgrund dafür ist, dass es schwierig ist, unabhängige, exogene Variation in Fähigkeitsmerkmalen zu beobachten, da diese stark miteinander korrelieren. Beispielsweise hat eine Person mit guten Noten tendenziell vermutlich auch gute Sprach- oder IT-Kenntnisse.
Das Entscheidungsexperiment
Aus diesem Grund haben wir im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts ein Experiment mit einer repräsentativen Stichprobe von 579 deutschen Personalleitern aus der ifo Personalleiterbefragung durchgeführt, in dem wir Lebenslaufmerkmale von fiktiven Kandidaten zufällig verteilt haben (siehe Piopiunik et al. 2018 für Details). Das Experiment untersucht den ersten Teil des Bewerbungsprozesses, also die Auswahl von Kandidaten anhand schriftlicher Bewerbungen für Vorstellungsgespräche. Die Personalleiter wurden in einer Online-Befragung gebeten, sich zwischen zwei fiktiven Bewerbern auf eine freie Stelle in ihrem Unternehmen zu entscheiden, deren Lebensläufe nebeneinander auf dem Bildschirm angezeigt wurden. Sie sollten sich entscheiden, welchen der beiden Bewerber sie eher zu einem Vorstellungsgespräch in ihrem Unternehmen einladen würden.
Die Lebensläufe enthielten randomisierte Produktivitäts- bzw. Fähigkeitssignale in Form von gängigen Lebenslaufmerkmalen wie Schul- bzw. Hochschulnoten, IT- und Sprachkenntnissen, ehrenamtliche Tätigkeiten und Praktika. Diese Signale lassen sich in drei übergeordnete Kategorien einordnen: kognitive Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten und Reife – eine Kategorie, die möglicherweise gerade bei Berufsanfängern relevant sein könnte. Im Gegensatz zur Literatur, die die Methode der randomisierten Lebenslaufstudien üblicherweise anwendet (vgl. Neumark 2016), geht es in unserer Studie nicht um Diskriminierung anhand angeborener Merkmale wie Herkunft oder Hautfarbe, sondern um Produktivitätssignale, in die der Absolvent (Zeit, Geld oder Anstrengung) investiert hat, die er also selbst beeinflussen kann.
Wir unterscheiden zwischen zwei Gruppen von fiktiven Berufsanfängern: Realschulabsolventen, die sich auf Lehrstellen bewerben, und Hochschulabsolventen mit einem Bachelorabschluss in Betriebswirtschaftslehre, die sich auf eine erste Festanstellung bewerben. Die Unterscheidung erfolgt, weil es wahrscheinlich ist, dass Personalleiter unterschiedliche Erwartungen und Ansprüche an sie haben und somit unterschiedliche Fähigkeitssignale relevant sind.
Welche Lebenslaufmerkmale beeinflussen die Auswahlentscheidung?
Unsere Ergebnisse zeigen, dass für beide Gruppen von Bewerbern – Lehrstellenbewerber und Hochschulabsolventen – Fähigkeitssignale in allen drei Kategorien – kognitive Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten und Reife – die Einstellungswahrscheinlichkeit signifikant erhöhen. Die Abbildung zeigt die Punktschätzer der Effekte der einzelnen Fähigkeitssignale und ihre Konfidenzintervalle für die Gesamtstichprobe sowie separat für weibliche und männliche Bewerber.[ 3 ]
Kognitive Fähigkeiten sind für beide Bewerbergruppen wichtig, insbesondere die Realschulabschlussnote für Lehrstellenbewerber und die Hochschulnote für Hochschulabsolventen. Für letztere ist die Hochschulnote das wichtigste Fähigkeitssignal.[ 4 ] Zusätzliche IT-Fähigkeiten über Microsoft Office hinaus, wie Kenntnisse in HTML und Dreamweaver, werden insbesondere bei Lehrstellenbewerbern belohnt. Für Hochschulabsolventen spielt dies keine große Rolle. Möglicherweise werden zusätzliche IT-Fähigkeiten bei Hochschulabsolventen als selbstverständlich angesehen, nicht aber bei Lehrstellenbewerbern, wo sie besonders hervorstechen. Bei getrennter Betrachtung der Geschlechter erreicht dieser Effekt nur bei Frauen statistische Signifikanz.
Englischkenntnisse sind ebenfalls für Lehrstellenbewerber relevant, nicht aber für Hochschulabsolventen. Signale scheinen also dort relevant zu sein, wo sie nicht schon von Vornherein durchgehend als vorhanden angesehen werden. Für Kenntnisse einer zweiten Fremdsprache – entweder Spanisch oder Französisch – gilt der umgekehrte Befund: Sie sind nicht für Lehrstellenbewerber, dafür aber für Hochschulabsolventen relevant, dort allerdings nur für Frauen und nicht für Männer. Dies deutet darauf hin, dass Signale dort die Beschäftigungschancen erhöhen, wo sie relevant sind und gebraucht werden. So scheint es besonders bei Jobs für weibliche Hochschulabsolventinnen Bedarf an Spanisch- und Französischkenntnissen zu geben.
Abbildung: Der Effekt von Fähigkeitssignalen im Lebenslauf auf die Einladung zum Vorstellungsgespräch
Soziale Fähigkeiten erhöhen ebenfalls bei beiden Berufsanfängergruppen die Chance auf ein Bewerbungsgespräch, wobei sich das jeweils relevante Signal aber unterscheidet. Bei Lehrstellenbewerbern wird soziales Ehrenamt sehr stark belohnt, es ist das Signal mit dem stärksten Effekt. Ein Ehrenamt im Lebenslauf vorzuweisen erhöht bei Lehrstellenbewerbern die Wahrscheinlichkeit, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, um so viel wie eine um zwei Notenstufen bessere Realschulabschlussnote. Ob die Bewerber Einzel- oder Teamsportarten nachgehen, erweist sich unter den Lehrstellenbewerbern hingegen als nicht relevant.
Soziales Engagement bei Hochschulabsolventen wenig relevant
Unter den Hochschulabsolventen ist der Befund tendenziell umgekehrt. Soziales Ehrenamt erweist sich lediglich für die weiblichen Hochschulabsolventinnen als relevant, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß. Dies dürfte allerdings auch damit zusammenhängen, dass die Variation dieses Signals bei den Lebensläufen der Hochschulabsolventen geringer ist, da hier zwischen sozialem (menschlich interaktivem) Ehrenamt und Ehrenamt mit geringen menschlichen Interaktionen unterschieden wird und nicht, ob der Bewerber überhaupt eine ehrenamtliche Tätigkeit im Lebenslauf ausweist. Gleichzeitig erweist sich unter den Hochschulabsolventen insgesamt Teamsport als ein Signal für soziale Fähigkeiten, das für die Auswahlentscheidung relevant ist. Möglicherweise wird soziales Engagement unter Hochschulabsolventen als strategisch eingesetzt und weit verbreitet angesehen, so dass es echte soziale Fähigkeiten nur unzureichend signalisiert. Hingegen wurde die jeweilige Sportart von 23-jährigen Hochschulabsolventen aktiv ausgewählt und weiterverfolgt und nicht lediglich vom Umfeld vorgegeben, so dass es als Signal der sozialen Kompetenz genutzt zu werden scheint.
Auch Signale von Reife, die etwa auf Ernsthaftigkeit und Zuverlässigkeit hindeuten, sind für beide Bewerbergruppen wichtig. Bei Lehrstellenbewerbern ist hier besonders das Alter wichtig, also der Tatbestand, im früheren Kalenderjahr innerhalb derselben Schulkohorte geboren worden zu sein. Getrennte Analysen nach Geschlecht zeigen, dass dieser Effekt ausschließlich für männliche Bewerber gilt. Junge männliche Lehrstellenbewerber profitieren also sehr davon, zumindest ein paar Monate älter zu sein. Die Abiturnote, die wir – nach Herausrechnen der Effekte der Hochschulnote – als Signal der Reife interpretieren, da sie eine frühe Ausrichtung auf Leistungen bereits in der Schule signalisiert, spielt für männliche Hochschulabsolventen eine wichtige Rolle, für Frauen hingegen nicht. Ein längeres Praktikum wirkt sich bei männlichen wie weiblichen Hochschulabsolventen positiv aus.
Ältere und jüngere Personalleiter mit unterschiedlichen Präferenzen
Während sich die meisten berichteten Effekte nicht nach Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund des Personalleiters oder Größe des Unternehmens unterscheiden, ergeben sich auch einige interessante Unterschiede. So legen in der Stichprobe der Lehrstellenbewerber ältere Personalleiter und solche, die selbst Geschäftsführer des Unternehmens sind, weniger Gewicht auf die Realschulnote und mehr Gewicht auf IT-Kenntnisse, soziale Fähigkeiten und ein längeres Praktikum. Bei den Hochschulabsolventen wird in großen Firmen ein deutlich größeres Gewicht auf die Hochschulnote gelegt. Dies könnte einen stärker standardisierten Bewerbungsprozess widerspiegeln.
Nach den Entscheidungsexperimenten haben wir die Personalleiter noch direkt befragt, welche Merkmale ihnen bei den Bewerbern in ihrem Unternehmen wichtig sind. Wenn wir die Lebenslaufsignale im Entscheidungsexperiment mit der jeweiligen in der direkten Befragung angegebenen Wichtigkeit interagieren, zeigt sich, dass die Personalleiter zwischen ihren angegebenen Wichtigkeitspräferenzen und ihren Entscheidungen im Experiment konsistent sind: Personalleiter wählen tendenziell diejenigen Lebensläufe aus, die besonders gut in den Merkmalen sind, die sie auch später in der Befragung explizit für wichtig erklären. Dies zeugt auch davon, dass die Fähigkeitssignale auf den Lebensläufen in der Tat den beabsichtigten Informationsgehalt besitzen.
Abschlussnoten und soziale Fähigkeiten relevant
Insgesamt liefert unsere Studie neue Erkenntnisse darüber, wie Arbeitgeber mit Fähigkeitssignalen in Lebensläufen umgehen und wie sich diese auf die Beschäftigungschancen auswirken. Wir finden, dass sich Fähigkeitssignale in allen drei untersuchten Kategorien – kognitive und soziale Fähigkeiten sowie Reife – positiv auf die Wahrscheinlichkeit auswirken, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Abschlussnoten und soziale Fähigkeiten erweisen sich für männliche und weibliche Bewerber sowie für Lehrstellenbewerber und Hochschulabsolventen gleichermaßen als relevant. Die Bedeutung anderer Signale unterscheidet sich je nach Bildungsstand und Geschlecht in Bezug auf Glaubwürdigkeit, Relevanz und Erwartung. IT- und Sprachkenntnisse spielen insbesondere bei weiblichen Bewerbern eine große Rolle, während bei männlichen Bewerbern Reifesignale besonders wichtig sind. Ältere Personalleiter sowie Geschäftsführer schauen weniger auf Abschlussnoten und mehr auf andere Fähigkeitssignale. In größeren Firmen wird besonders auf die Hochschulnote geachtet. Die Befunde erweitern unser Verständnis davon, wie der Arbeitsmarkt Informationen über die Fähigkeiten von Bewerbern verarbeitet und nutzt.
Literatur
Almlund, Mathilde, Angela Duckworth, James. J. Heckman, Tim Kautz (2011). Personality Psychology and Economics. In Handbook of the Economics of Education, Volume 3, ed. Eric A. Hanushek, Steve Machin, Ludger Woessmann, pp. 1-181. Amsterdam: North-Holland.
Deming, David J. (2017). The Growing Importance of Social Skills in the Labor Market. Quarterly Journal of Economics 132 (4), 1593-1640.
Hanushek, Eric A., Guido Schwerdt, Simon Wiederhold, Ludger Woessmann (2015). Returns to Skills around the World: Evidence from PIAAC. European Economic Review 73, 103-130.
Hanushek, Eric A. Ludger Woessmann (2008). The Role of Cognitive Skills in Economic Development. Journal of Economic Literature 46 (3), 607-668.
Heckman, James. J., Jora Stixrud, Sergio Urzua (2006). The Effects of Cognitive and Noncognitive Abilities on Labor Market Outcomes and Social Behavior. Journal of Labor Economics 24 (3), 441-482.
Heinz, Matthias, Heiner Schumacher (2017). Signaling Cooperation. European Economic Review 98, 199-216.
Neumark, David (2016). Experimental Research on Labor Market Discrimination. NBER Working Paper 22022. Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research.
Piopiunik, Marc, Guido Schwerdt, Lisa Simon, Ludger Woessmann (2018). Skills, Signals, and Employability: An Experimental Investigation. CESifo Working Paper 6858. Munich: CESifo.
- 1 Der besseren Lesbarkeit halber verwenden wir durchgehend nur die männliche Form von Personenbezeichnungen, die sich in gleicher Weise auf weibliche und männliche Personen beziehen.
- 2 Für Studien, die den Zusammenhang verschiedener Fähigkeiten mit dem Arbeitsmarkterfolg untersuchen, vgl. etwa Hanushek und Woessmann (2008) und Hanushek et al. (2015) für kognitive Fähigkeiten, Deming (2017) und Heinz und Schumacher (2017) für soziale Kompetenzen und Almlund et al. (2011) für weitere nicht-kognitive Kompetenzen. Heckman, Stixrud und Urzua (2006) betrachten kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten gemeinsam.
- 3 Das Geschlecht wird innerhalb der Lebenslaufpaare konstant gehalten, d.h. der Personalleiter vergleicht und bewertet stets zwei Bewerber desselben Geschlechts. Die Namen sind geläufige deutsche Vor- und Nachnamen, um die Entscheidungen hiervon nicht beeinflussen zu lassen.
- 4 Da sich die Personalleiter für genau einen der beiden ihnen angezeigten Lebensläufe entscheiden müssen – sie können also nicht beide oder keinen auswählen –, können die Effektgrößen der Koeffizienten nur im Vergleich zueinander interpretiert werden; die absoluten Größen sind nur im Rahmen des gewählten experimentellen Designs bedeutsam.
©KOF ETH Zürich, 2. Mär. 2018