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Es ist OK, anders zu sein: Politische Koordination und wirtschaftliche Konvergenz in der EU

Summary:
Die wirtschaftliche Konvergenz ihrer Mitgliedsländer ist eines der erklärten Ziele der EU. Allerdings sollte bei dieser "Konvergenzdebatte" zwischen Input- und Output-Konvergenz unterschieden werden. Es ist nicht zwingend, dass alle europäischen Länder die gleichen Politiken (Input-Konvergenz) implementieren. Institutionelle Unterschiede können zu komparativen Vorteilen führen, wie dieser Beitrag zeigt.

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Die wirtschaftliche Konvergenz ihrer Mitgliedsländer ist eines der erklärten Ziele der EU. Allerdings sollte bei dieser “Konvergenzdebatte” zwischen Input- und Output-Konvergenz unterschieden werden. Es ist nicht zwingend, dass alle europäischen Länder die gleichen Politiken (Input-Konvergenz) implementieren. Institutionelle Unterschiede können zu komparativen Vorteilen führen, wie dieser Beitrag zeigt.

Wirtschaftliche Konvergenz ist eines der erklärten Ziele Europäischen Union.[ 1 ] Laut Artikel 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union möchte die Staatengemeinschaft insbesondere “(…) die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete […] verringern” (Europäische Union, 2012).

Was aber ist Konvergenz? Hier ist es hilfreich, zwischen Konvergenz in “Inputs” und in “Ergebnissen” zu unterscheiden. Häufig fokussiert sich die öffentliche Debatte auf Konvergenz in Pro-Kopf-Einkommen, welches zu den Ergebnissen zählt. Andere wichtige Ergebnisse sind die Arbeitslosenquote, Lebenserwartung, ökonomische Stabilität oder die Verteilung von Einkommen und Vermögen. Konvergenz in Inputs bezieht sich dagegen beispielsweise auf die Qualität der Institutionen, Regulierungen, Steuerpolitik und andere Politikmaßnahmen.

Was die Entwicklung der Ergebniskonvergenz angeht ist das vorherrschende Bild, dass der Prozess wirtschaftlicher Konvergenz zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bis 2008 stetig vorangeschritten sei. Seit Ausbruch der globalen Finanzkrise und der Schuldenkrise innerhalb der Eurozone habe sich dieser Trend jedoch umgekehrt. Gleichzeitig werden wirtschaftliche Unterschiede und Ungleichheit kontrovers diskutiert. De facto ist der Konvergenzprozess allerdings bereits vor der Finanzkrise ins Stocken geraten. Zwar konvergieren die Pro-Kopf-Einkommen innerhalb der EU-28, doch wird diese Entwicklung hauptsächlich von mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten getrieben. Betrachtet man die Entwicklung der EU-15 isoliert, so gibt es kaum Fortschritte (s. Abbildung 1 und 2).

Abbildung 1:

Abbildung 2:

Diese Aussage trifft nicht nur für Einkommensniveaus zu, sondern gilt auch für einige, wenn auch nicht alle Indikatoren institutioneller Qualität (s. Abbildung 3 und 4).

Abbildung 3:

Abbildung 4:

Weder ökonomische Theorie noch historische Erfahrungen legen nahe, dass wirtschaftliche Integration automatisch Konvergenz in den Ergebnissen oder den institutionellen und politischen Inputs mit sich bringt: Diversität ist natürlich und wertvoll. Politikmaßnahmen sollten jeweils den spezifischen Umständen angepasst werden.

Während Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen ein wünschenswertes Ziel ist, sollte Konvergenz der Inputs nicht dahingehend interpretiert werden, dass alle Staaten dieselben Politiken implementieren sollten. Es scheint in der politischen Debatte die Annahme vorzuherrschen, dass “Gleichheit” eine Art Notwendigkeit oder gar Tugend sei. Es ist jedoch nicht klar, ob Inputkonvergenz nötig oder überhaupt erstrebenswert ist. Wettbewerbsfähigkeit bedeutet nicht, dass alle Länder identisch sein sollten und ihre Sozialsysteme immer mehr angleichen. So betont etwa die Handelstheorie die Bedeutung von Differenzierung und komparativen Vorteilen. Aktuelle Forschungsbeiträge kritisieren den traditionellen Analyseansatz mit seinem einseitigen Fokus auf die Identifizierung eines optimalen institutionellen Rahmens (s., z.B., Nunn und Trefler, 2014). Ein allgemeingültiger, optimaler institutioneller Aufbau existiert nicht. Jeder Ansatz hat sowohl Vor- als auch Nachteile, die wiederum Quelle komparativer Vorteile sein können.

Regionale Transfers alleine genügen nicht

Die Europäische Union unterstützt ökonomische Konvergenz mit Regional- und Strukturfonds, doch haben diese nur einen begrenzten Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in den Empfängerregionen. Zwar wäre es wünschenswert und sicher auch möglich, die Effektivität dieser Mittel erhöhen. Eine Erhöhung regionaler Transfers allein würde die Entwicklung hin zu mehr Konvergenz jedoch kaum voranbringen. Blickt man in die Vergangenheit, so erkennt man, dass selbst Staaten mit starken nationalen Institutionen und beträchtlicher fiskalischer Umverteilung zwischen Regionen nur selten die beabsichtigte wirtschaftliche Annäherung zwischen armen und reichen Gegenden erreichen konnten. Innerhalb des existierenden institutionellen Rahmens hängt ökonomische Konvergenz in der Europäischen Union in erster Linie von den Politiken der einzelnen Mitgliedsstaaten ab. Das Europäische Semester sollte die Sensibilität für die Auswirkungen nationaler Politiken auf andere europäische Staaten erhöhen. Die Umsetzung daraus folgender Empfehlungen auf nationaler Ebene – wo demokratische Kontrolle und öffentliche Debatte angesiedelt sind – erweist sich jedoch oft als schwierig.

Der Europäischen Union zusätzliche Kompetenzen in denjenigen Bereichen einzuräumen, in denen nationale Wirtschaftspolitik externe Effekte auf andere Staaten verursacht, kann durchaus ein probater Ansatz sein. Allerdings verwischt dies Zuständigkeit und Verantwortung zwischen den Ebenen, was nationalen Politikern ermöglicht, “Europa” für schlechte Ergebnisse verantwortlich zu machen, auch solche, die durch Versäumnisse der nationalen Politik bedingt sind. Stehen der Europäischen Union nicht die geeigneten Werkzeuge zur Verfügung, um Zusammenhalt und Koordination zu erreichen, kann dies das Vertrauen in ihre Effektivität leicht untergraben. Ihren Politikempfehlungen fehlt oft Legitimität und Effektivität auf nationaler Ebene. Die Europäische Union sollte nur dort handeln, wo nationales Handeln bedeutende grenzüberschreitende Implikationen hat, und sie sollte nichts versprechen, was sie nicht auch halten kann.

Literatur

EEAG (2018), “It’s OK to Be Different: Policy Coordination and Economic Convergence“, EEAG Report on the European Economy, CESifo, Munich, S. 64–82.

Europäische Union (2012), “Consolidated Version of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU)“, Official Journal of the European Union C 326, 26.10.2012.

Nunn, N. und D. Trefler (2014), “Domestic Institutions as a Source of Comparative Advantage”, Chapter 5 in: Gopinath, G., E. Helpman und K. Rogoff (eds.), Handbook of International Economics Vol. 4, Elsevier, Amsterdam.

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