Sunday , May 5 2024
Home / Ökonomenstimme / Die Briefmarke als Hemmschuh der Stimmbeteiligung

Die Briefmarke als Hemmschuh der Stimmbeteiligung

Summary:
In der Schweiz ist es den Gemeinden überlassen, ob sie bei der brieflichen Stimmabgabe von den Stimmbürgerinnen und -bürgern die Portokosten verlangen oder sie erlassen. Dieser Beitrag zeigt, dass eine Übernahme der Portokosten durch die Gemeinden die Stimmbeteiligung signifikant erhöht. Nach wichtigen Wahlen und Abstimmungen wird oft intensiv über die Stimmbeteiligung diskutiert. Eine tiefe Stimmbeteiligung entziehe dem Resultat Legitimität und Rückhalt, wird häufig moniert. Die wohl extremste Form zur Erreichung einer hohen Stimmbeteiligung ist der Stimmzwang. Hierzulande gilt er nur noch in Schaffhausen. Ein Stimmzwang ist nicht unproblematisch, weil dadurch auch uninteressierte und uninformierte Bürger mitentscheiden (müssen). Damit werden die Legitimität und der Rückhalt des

Topics:
Mark Schelker, Marco Schneiter considers the following as important:

This could be interesting, too:

Investec writes Migration between Swiss cantons – gainers and losers

Cash - "Aktuell" | News writes Franken legt zum Euro und Dollar im Wochenvergleich zu

Investec writes Commission wants to postpone pension hike funding question

Alex J. Pollock writes How Does the Federal Reserve Fit into Our Constitutional Order?

In der Schweiz ist es den Gemeinden überlassen, ob sie bei der brieflichen Stimmabgabe von den Stimmbürgerinnen und -bürgern die Portokosten verlangen oder sie erlassen. Dieser Beitrag zeigt, dass eine Übernahme der Portokosten durch die Gemeinden die Stimmbeteiligung signifikant erhöht.

Nach wichtigen Wahlen und Abstimmungen wird oft intensiv über die Stimmbeteiligung diskutiert. Eine tiefe Stimmbeteiligung entziehe dem Resultat Legitimität und Rückhalt, wird häufig moniert. Die wohl extremste Form zur Erreichung einer hohen Stimmbeteiligung ist der Stimmzwang. Hierzulande gilt er nur noch in Schaffhausen. Ein Stimmzwang ist nicht unproblematisch, weil dadurch auch uninteressierte und uninformierte Bürger mitentscheiden (müssen). Damit werden die Legitimität und der Rückhalt des Abstimmungsergebnisses kaum verbessert.

Stimmbeteiligung statt Briefmarke

Zielführender scheinen Massnahmen zur Reduktion von Beteiligungshürden.

Eine solche Hürde kann bei der brieflichen Stimmabgabe bereits das Aufkleben einer Briefmarke auf das Antwortcouvert sein. Einige Kantone versenden deshalb die Abstimmungsunterlagen zusammen mit einem vorfrankierten Antwortcouvert. Anderswo geht das Porto zulasten der Stimmbürger. Wir wollten wissen, wie sich die Übernahme der Portkosten auf die Stimmbeteiligung auswirkt. In einer kürzlich erschienenen Studie[ 1 ] nutzen wir den Umstand, dass der Kanton Bern den einzelnen Gemeinden die Entscheidung überlässt, ob sie das Porto für die briefliche Stimmabgabe übernehmen wollen oder nicht. In unseren ökonometrischen Untersuchungen vergleichen wir portofreie Gemeinden wie beispielsweise Interlaken und Zollikofen mit jenen, die das Antwortcouvert nicht vorfrankieren. Wir berücksichtigen dabei alle nationalen Abstimmungen seit 1989 und halten andere Unterschiede zwischen den Gemeinden und über die Jahre hinweg konstant.

Es zeigt sich, dass die Übernahme der Portokosten – eine einfache wie günstige Massnahme – die Stimmbeteiligung statistisch signifikant um fast zwei Prozentpunkte erhöht. Mit anderen Worten: Bei einer Stimmbeteiligung im Kanton Bern von durchschnittlich etwa 40 Prozent stimmen 4.5 Prozent mehr Wähler ab, wenn sie sich die Briefmarke sparen können.

Wer lässt sich durch Vorfrankierung gewinnen?

Eine interessante Frage ist nun, welche Wähler sich durch die Übernahme der Portokosten zusätzlich zur Stimmabgabe bewegen lassen. Unsere Studie zeigt, dass auf Grund der zusätzlichen Stimmbeteiligung rot-grüne Positionen an Unterstützung verlieren. Die ökonometrischen Schätzungen legen nahe, dass eine Erhöhung der Beteiligung um zwei Prozentpunkte die relative Unterstützung von rot-grünen Positionen durchschnittlich um einen Prozentpunkt reduziert.

In einem weiteren Schritt vergleichen wir diesen Porto-Effekt mit der Wirkung von zusätzlichem Informationsmaterial für junge Wähler auf die Stimmbeteiligung. Ab 2007 begannen einige Berner Gemeinden ihren Jungbürgern die Informationsbroschüren von Easyvote beizulegen. Darin werden Abstimmungsvorlagen einfach und politisch neutral erklärt. Wir finden keinen statistisch signifikanten und robusten Einfluss von Easyvote auf die Stimmbeteiligung. Hingegen können wir nicht ausschliessen, dass die aktiven jungen Wähler dank Easyvote nun besser informierte Entscheidungen treffen.

Portofreie Abstimmung empfehlenswert

Insgesamt zeigt sich, dass schon eine kleine Vereinfachung des Abstimmungsprozesses eine grosse Wirkung entfalten kann. Eine gesparte Briefmarke mobilisiert tatsächlich einen zusätzlichen Teil der Bevölkerung und dies wiederum beeinflusst das Abstimmungsresultat. Sollten die Gemeinden und Kantone also die portofreie Abstimmung einführen? Wir meinen ja. Es ist die freie, einfache und hürdenlose Möglichkeit zur politischen Partizipation, die eine gesunde Demokratie ausmacht.


©KOF ETH Zürich, 31. Aug. 2017

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *