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Was man auf keinen Fall in einem Wiener Kaffeehaus tun sollte.
Ich würde mich eigentlich schon als ein typisches Wiener Mädel bezeichnen, als ein Wiener Mädel allerdings, das ganz untypisch einen kulturellen Fauxpas in ihrer Heimatstadt begangen hat. Ich habe etwas getan, das man in Wien auf keinen Fall tun darf, wenn man einem der berühmten Kaffeehäuser einen Besuch abstattet, es sei denn, man möchte vom Herrn Ober (so möchten die Kellner in den Wiener Kaffeehäusern angesprochen werden) unbedingt eine verbale Ohrfeige kassieren. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass sich diese kleine Peinlichkeit vor über einem Jahrzehnt ereignet hat, ich also noch jung, unerfahren und auch keine wirkliche Kaffeetrinkerin war, was ich auch heute noch nicht bin. Vielleicht wird das ja noch. Aber der Reihe nach.
Meine Münchner Freunde besuchten mich damals in Österreichs Hauptstadt. Auf ihrer Wien-Wunschliste stand unter anderem auch das authentisch-stundenlange Verweilen in einem alteingesessenen traditionellen Kaffeehaus. Ich ließ meinem inneren Touristenführer freien Lauf und führte die Truppe auf den Spuren von einflussreichen Schriftstellern, Literaten und Intellektuellen in eines der legendärsten Kaffeehäuser Wiens – in das Café Hawelka.
Und hier, sanft gebettet auf gestreiftem Samt und dunklem Holz, inmitten einer von Zigarettenqualm verhangenen, aber nichtsdestotrotz charmanten Wohnzimmeratmosphäre, passierte alsbald das erste Malheur. Einer meiner deutschen Freunde, der die Kaffeekarte des Kellners noch nicht einmal aufgeschlagen hatte, eröffnete frohen Mutes die Bestellrunde und orderte arglos beim Herrn Ober „einen Kaffee, bitte“. Ich ahnte schon, was gleich passieren würde, und kicherte nervös in mich hinein.
Der Herr Ober musterte meinen Freund recht unbeeindruckt. Mit dieser undefinierbaren Bestellung konnte er nichts anfangen. „Wir haben keinen ‚Kaffee’“, erwiderte er trocken, fast schon gelangweilt, und predigte nun die Kaffeekarte herunter wie eine Litanei: „Wir haben einen Kleinen Braunen, einen Großen Braunen, einen Schwarzen, einen Verlängerten, einen Fiaker, eine Melange, einen Verkehrten, einen Einspänner, einen Kapuziner, einen Franziskaner …“ und so weiter und so fort.
Meine Freunde sahen zuerst den Kellner verlegen an, dann mich in der Hoffnung, dass ich ihnen aus der Klemme helfen würde. Um die Situation nonchalant zu überspielen, bestellte ich erst mal „einen Cappuccino, bitte“ und lieferte damit den zweiten und weitaus größeren Fehltritt des Tages. Der Herr Ober wies mich darauf hin, dass wir nicht in Italien wären, und legte mir nahe, stattdessen eine Melange zu wählen. Ich bin sehr dankbar, dass er uns nicht des Kaffeehauses verwiesen hat.
Falls sich jemand so wie ich wundern sollte: Der Cappuccino und die Melange sind nicht einfach nur dieselbe Kaffeespezialität mit unterschiedlichen Namen – nein. Mittlerweile habe ich gelernt: Die Melange unterscheidet sich in vielen Aspekten vom Cappuccino. Bei der Herstellung der italienischen Variante verwendet man eine weit stärker geröstete Kaffeemischung sowie einen normal langen Mokka als Grundlage. Beim Cappuccino wird hingegen weniger Milch verwendet, stattdessen füllt man mit mehr und sehr locker geschäumtem Milchschaum auf. Die Melange (auf Französisch: „Mischung“) ist auch ein Milchkaffee und trägt eine Milchschaumhaube, aber eine kleinere. Unter uns gesagt, ist es also exakt dasselbe Getränk und heißt in Wiens Kaffeehäusern trotzdem Melange und niemals Cappuccino.
Allen, die finden, der Herr Ober im Café Hawelka sei ein wenig unwirsch gewesen, sei gesagt: Ja, aber das gehört so. Den barschen Ton gibt es zum Kaffee gratis dazu wie die Zeitung oder das Glas Wiener Hochquellwasser aus der Leitung. Das berühmte Café Landtmann, ein weiteres legendäres Kaffeehaus in Wien, beschreibt dieses Phänomen auf seiner Website mit folgenden Worten:
„Der Ober ist mehr als nur die Servierkraft des Wiener Kaffeehauses. Weit über die Grenzen Wiens bekannt, personifiziert ein richtiger Ober einen wesentlichen Teil der Seele des Kaffeehauses, der seine Stammgäste und ihre Wünsche in- und auswendig kennt. Teils berüchtigt für seinen etwas spröden Charme ist er ein Grundpfeiler gelebter Wiener Kaffeehauskultur.“
Wer also in einem der zahlreichen Wiener Kaffeehäuser einen „Kaffee“ oder „Cappuccino“ bestellen möchte, sei schon mal vorgewarnt.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.