Nachdem die JUSO Schweiz den SBVg-Ökonomen Martin Hess im Zusammenhang mit der Initiative „Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln“ karikierte, lud die SBVg die JUSO zu einer fundierteren Stellungnahme in Form eines Gastbeitrages ein. Stellvertretend für die JUSO bloggt Professor Gunter Stephan von der Uni Bern über Nahrungsmittelspekulation aus ökonomischer Sicht.Märkte sind effiziente Allokationsmechanismen. Dies gilt auch für Terminmärkte, die unter bestimmten Bedingungen das Risiko von Preisschwankungen absichern, Liquidität für Investitionen schaffen und Informationen verteilen. Können aber Markteilnehmende das Marktergebnis strategisch beeinflussen oder herrscht gar Herdenverhalten, werden diese Funktionen gestört.Lange waren die Weltmarktpreise für Agrarprodukte weitgehend stabil. 2006 haben sie sich innerhalb weniger Monate verfünffacht, sind dann fast auf das alte Niveau gefallen, um 2011 erneut sprunghaft zu steigen. Viele machen dafür die wachsende Weltbevölkerung, das veränderte Konsumverhalten, vor allem die Industrialisierung der sich rasch entwickelnden Regionen Lateinamerikas und Asiens verantwortlich. Dazu kommen politikbedingte Gründe, wie Subventionen von Biokraftstoffen oder Markteingriffe. Und Märkte sind nicht isoliert, sondern vernetzt.
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Märkte sind effiziente Allokationsmechanismen. Dies gilt auch für Terminmärkte, die unter bestimmten Bedingungen das Risiko von Preisschwankungen absichern, Liquidität für Investitionen schaffen und Informationen verteilen. Können aber Markteilnehmende das Marktergebnis strategisch beeinflussen oder herrscht gar Herdenverhalten, werden diese Funktionen gestört.
Lange waren die Weltmarktpreise für Agrarprodukte weitgehend stabil. 2006 haben sie sich innerhalb weniger Monate verfünffacht, sind dann fast auf das alte Niveau gefallen, um 2011 erneut sprunghaft zu steigen. Viele machen dafür die wachsende Weltbevölkerung, das veränderte Konsumverhalten, vor allem die Industrialisierung der sich rasch entwickelnden Regionen Lateinamerikas und Asiens verantwortlich. Dazu kommen politikbedingte Gründe, wie Subventionen von Biokraftstoffen oder Markteingriffe. Und Märkte sind nicht isoliert, sondern vernetzt. So überrascht nicht, dass sich mit steigendem Ölpreis die Nachfrage nach Biotreibstoffen erhöht und die Preise für Agrarprodukte wie Mais steigen. Zusammen kann dies zwar einen langfristigen Preisauftrieb, aber nicht die enormen Preissprünge erklären.
Zwei Extremereignisse traten zeitgleich mit den beiden Preisschocks auf. 2008 fiel die gesamte australische Reisproduktion einer Jahre anhaltenden Trockenheit zum Opfer. 2011 zerstörten Hitze und Brände grosse Teile der russischen Weizenproduktion. Dennoch ging das Angebot weltweit um weniger als 10% zurück. Die heftigen Preissprünge können also nicht mit einem drastischen Auseinander-driften von Angebot und Nachfrage erklärt werden, es sei denn, man unterstellt eine nahezu preisunelastische Nachfrage. Hingegen identifizieren Autoren der Weltbank1 im Verhalten der Finanzinvestoren die zentrale Ursache, was Foodwatch Deutschland so kommentiert: „Seit dem Jahr 2000, als die Politik die Rohstoffterminbörsen für Investoren geöffnet hat, hat sich das Kapital am Terminmarkt von 15 Milliarden auf 600 Milliarden Dollar erhöht. Mehr braucht es nicht, um zu zeigen, wie viel Spekulation in diesem Markt herrscht."
Warum ist dies von Bedeutung? Schon 2008 kam es in Folge der aus den Marktfundamentaldaten nicht erklärbaren Preishause weltweit zu Panikkäufen und Hungerprotesten. Extreme Wetterereignisse werden mit dem Klimawandel zunehmen. Zwar sind sich die Experten einig, dass auch unter einem veränderten Klimadach mehr als 12 Mrd. Menschen ernährt werden können; aber nur nach einer entsprechenden Umstrukturierung der Landwirtschaft. Gemäss Weltbank wären allein in den Entwicklungsländern hierfür Investitionen von jährlich 70 bis 100 Mrd. $US notwendig. Ohne Anpassung wäre Landwirtschaft vor allem in Afrika und grossen Teilen Lateinamerikas nicht mehr rentabel. Gerade für die ärmsten Länder der Welt würde dies dem Totalausfall ihrer Einnahmequellen gleichkommen. Durch Spekulationen ausgelöste Preisschwankungen schaffen ein Klima der Verunsicherung und behindern eine solide Investitionsplanung, so dass die notwendigen Finanzmittel von Privaten kaum aufgebracht werden. Bliebe nur noch der Staat, was angesichts der sozialen, ökonomischen und politischen Bedingungen in den betroffenen Ländern kaum zu erwarten ist.
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1 Baffes J, Haniotis T (2010): Placing the 2006/08 Commodity Price Boom into Perspective. World Bank Policy Research Working Paper No. 5371: This paper argues that the impact of biofuels on food prices was not as large as originally thought, whereas the use of commodities by financial investors was partly responsible for the 2007/08 spike. Econometric analysis of the long-term evolution of commodity prices supports this thesis.
Gunter Stephan ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bern. Er ist wissenschaftlicher Berater und Mitglied des Oeschger Centre of Climate Change Research (OCCR) sowie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin.