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KKW-Rückstellungen im Stresstest

Summary:
Rund um die Entsorgungsrückstellungen von Kernkraftwerken (KKW) in Deutschland herrscht bilanzrechtlich ein Durcheinander. Ein Grund dafür sind oftmals mangelnde Bilanzkenntnisse, wie dieser Beitrag zeigt. Für die Frage der Gefahr einer Haftung durch den Steuerzahler sind allerdings nicht die bilanziellen KKW-Rückstellungen, sondern die dahinterstehenden realökonomischen Entsorgungsverpflichtungen und das unternehmensindividuelle Potential zur Erfüllung dieser Verpflichtungen relevant. Nach missverständlichen Diskussionen über die Entsorgungsrückstellungen von Kernkraftwerken (KKW-Rückstellungen) liegt seit Oktober 2015 ein sog. "Stresstest" vor, in dem allerdings eine aggregierte Betrachtung der Rückstellungen und Vermögenswerte der KKW-Betreiber E.on, RWE, EnBW und Vattenfall erfolgt. Aus dieser "Makrobetrachtung" (Aggregation der Werte aller vier Betreiber auf Basis der IFRS-Konzernabschlüsse) schlussfolgerte der Wirtschaftsminister, die Betreiberunternehmen seien "in der Lage die Kosten des Kernenergieausstiegs zu tragen".

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Rund um die Entsorgungsrückstellungen von Kernkraftwerken (KKW) in Deutschland herrscht bilanzrechtlich ein Durcheinander. Ein Grund dafür sind oftmals mangelnde Bilanzkenntnisse, wie dieser Beitrag zeigt. Für die Frage der Gefahr einer Haftung durch den Steuerzahler sind allerdings nicht die bilanziellen KKW-Rückstellungen, sondern die dahinterstehenden realökonomischen Entsorgungsverpflichtungen und das unternehmensindividuelle Potential zur Erfüllung dieser Verpflichtungen relevant.

Nach missverständlichen Diskussionen über die Entsorgungsrückstellungen von Kernkraftwerken (KKW-Rückstellungen) liegt seit Oktober 2015 ein sog. "Stresstest" vor, in dem allerdings eine aggregierte Betrachtung der Rückstellungen und Vermögenswerte der KKW-Betreiber E.on, RWE, EnBW und Vattenfall erfolgt. Aus dieser "Makrobetrachtung" (Aggregation der Werte aller vier Betreiber auf Basis der IFRS-Konzernabschlüsse) schlussfolgerte der Wirtschaftsminister, die Betreiberunternehmen seien "in der Lage die Kosten des Kernenergieausstiegs zu tragen". Diese aus dem "Stresstestgutachten" gezogene Folgerung ist nicht nur vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Interessen, sondern auch der Bilanzkenntnisse der meinungsprägenden Politiker, Berater und Journalisten zu sehen, welche angesichts der bilanziellen Entscheidungsgrundlage zu Fehldeutungen neigen und dabei die Grenzen einer primär bilanzorientierten Begutachtung zu übersehen scheinen. Nachfolgend wird versucht die zu lösenden Problemsituation ein wenig zu entwirren.

Mangelndes fachliches Verständnis für den bilanzrechtlichen Charakter von KKW-Rückstellungen in der öffentlichen Diskussion

Die KKW-Rückstellungen spiegeln die geschätzten Kosten im Zusammenhang mit der Stilllegung und dem Rückbau von Kernkraftwerken sowie der Zwischen- und Endlagerung von verstrahltem Material wider (kurz: Entsorgung), zu deren Erfüllung die Betreiber verpflichtet sind. Dabei sind im Konzernabschluss die bilanziellen Abbildungsregeln der IFRS (International Financial Reporting Standards) anzuwenden. Maßgeblich sind hierbei die Regelungen zur Rückstellungsbilanzierung nach IAS 37. Wer die öffentliche Diskussion im Zusammenhang mit den Rückstellungen für die Entsorgung von Kernkraftwerken näher verfolgt hat und mit den Grundlagen der doppelten Buchhaltung vertraut ist, dürfte sich über das teilweise vorherrschende fachliche Niveau gewundert haben. So gaben beispielsweise politikberatende Experten u.a. folgendes zu Protokoll:

"Also rein theoretisch müssen diese Rückstellungen eigentlich jederzeit – auch jetzt sofort – zur Verfügung stehen" und der "Staat könnte […] die Rückstellungen in einen Fonds einzahlen." Die Energiekonzerne haben indes keinen Sack voll Geld o.ä. griffbereit zurückgestellt (oder -gelegt), den man irgendwie verwenden könnte. Eine Rückstellungsbildung (relevante Buchung nach HGB: per Aufwand an KKW-Rückstellung, Buchung nach IFRS: per Kraftwerk an KKW-Rückstellung und in der Folge: per planmäßige Abschreibungen an Kraftwerk) ist ein nicht direkt mit einem Zahlungsvorgang verbundener bilanztechnischer Vorgang, der allenfalls die wirtschaftliche Verursachung einer Entsorgungsverpflichtung strukturgleich widerspiegelt.

Zudem werden in der Diskussion Eigenkapital und Schulden verwechselt:

"Die Rücklagen werden seit Jahren in den Bilanzen ausgewiesen, die Konzerne schreiben sie steuerlich ab. Sie sind verpflichtet, diese Rückstellungen bei Fälligkeit bereitzustellen." Gemeint sind aber Rückstellungen (= ungewisse Verbindlichkeiten) und nicht Rücklagen (= Eigenkaptal).

Auch der Wirtschaftsjournalismus förderte teilweise die fachlichen Missverständnisse:

"Rückstellungen sind Zahlungsverpflichtungen in der Zukunft. Wenn ein Unternehmen morgen eine Rechnung zu zahlen hat, muss es heute Geld zurücklegen, das ist gesetzlich geregelt."

Die Beispiele sind exemplarisch und ließen sich problemlos fortführen. Insgesamt mündet die Begriffsverwirrung mehr oder weniger in folgende unsinnige Gleichung:

Rückstellungen = Rücklagen = verfügbares Vermögen = (ständig) verfügbarer Geldbetrag, der zurückgelegt oder -gestellt wurde.

Daraus folgt: "Die Geschichte der KKW-Rückstellungen ist eine Geschichte voller Missverständnisse" . Das beeinträchtigt im Zweifel auch die politischen Schlussfolgerungen, denn Missverständnisse über den Charakter der betreffenden Rückstellungen implizieren Fehldeutungen im Hinblick auf die ökonomischen Konsequenzen.

Hinzu kommen bilanzanalytische Missverständnisse. Selbst in ansonsten zutreffenden Fachartikeln wird z.B. auf die Deckung der KKW-Rückstellungen durch Eigenkapital abgestellt, obgleich das Eigenkapital als Residualgröße durch Abzug der Schulden (inklusive KKW-Rückstellungen) vom Vermögen ermittelt wird. Sobald ein positives Eigenkapital (= Reinvermögen) vorliegt, ist die KKW-Rückstellungen also bilanziell durch Vermögen gedeckt. Die Verhältniskennzahl "Eigenkapital/KKW-Rückstellungen" als Über- oder Unterdeckung zu interpretieren, macht also wegen "doppelgemoppelter" Berücksichtigung der KKW-Rückstellungen wenig Sinn (obgleich das Eigenkapital als Verlustpuffer fungiert).

Was sind Rückstellungen im bilanziellem Sinne?

Der in der Diskussion teilweise synonym für Rückstellungen verwendete Begriff der Rücklagen bezeichnet einen Teil des Eigenkapitals und ist von den Rückstellungen inhaltlich abzugrenzen. Zur Klarstellung: Das Eigenkapital zeigt den (Residual-)Anspruch der Eigentümer am Gesellschaftsvermögen (= Rein- oder Nettovermögen = Vermögen abzüglich Schulden) und lässt sich als Kapital bezeichnen, welches die Eigentümer der Gesellschaft zum Bilanzstichtag überlassen haben. Funktionell haftet das Eigenkapital für die Ansprüche der Gläubiger (Haftungsfunktion) und für die Verluste des Unternehmens (Verlustpufferfunktion). Demgegenüber gehören die Rückstellungen zu den ungewissen Schulden (IAS 37.10). Eine Rückstellung wird nach der für die Konzernabschlüsse der Betreiber maßgeblichen Vorschrift des IAS 37.14 passiviert, wenn

  • ein Unternehmen aufgrund eines vergangenen Ereignisses eine gegenwärtige (rechtliche oder faktische) Verpflichtung hat,
  • deren Erfüllung wahrscheinlich zum Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen führt und
  • eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist.

Eine Passivierung hat allerdings nur zu erfolgen, wenn

  • die Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer gegenwärtigen Verpflichtung (IAS 37.15) und
  • die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Potenzialabflusses (IAS 37.23)

jeweils 50 % überschreiten. Bei unschwer nachzuweisender Erfüllung der vorstehenden Passivierungskriterien ist der diskontierte Erfüllungsbetrag der KKW-Verpflichtung anzusetzen, wobei der zur Abzinsung verwendete Zinssatz nach IAS 37 zur bestmöglichen Schätzung die aktuellen Markterwartungen widerspiegeln müsste und – sofern nicht bereits im Zahlungsstrom berücksichtigt – durch einen Abschlag(!) risikoadjustiert werden muss, was bei im KKW-Bereich verwendeten Zinssätzen 4,00 % bis 4,80 % aufhorchen lässt.

Rückstellungen und Rücklagen sind auf der Passivseite der Bilanz (rechts) auszuweisen. Links auf der Aktivseite der Bilanz steht diesen Passivposten das bilanzielle (Haftungs-)Vermögen gegenüber. Dieses umfasst u.a. die liquiden Mittel, Finanzanlagen und die Kraftwerke als potenzielle Haftungsmasse. Angesichts der mit den Grundlagen der Bilanzierung offenbar überforderten Diskussionsteilnehmer ist es kaum verwunderlich, dass das wegen der Fokussierung auf die bilanziellen Rückstellungen das wesentliche Problem übersehen wird: Deckt die Haftungsmasse (Vermögen) des betreffenden Betreibers (mittels seiner Ertragskraft) die Verpflichtungen? Die Frage, ob die passivierten Rückstellungen den Regelungen des IAS 37 entsprechen, greift offensichtlich viel zu kurz.

Es zählt die ökonomische Haftungsmasse, nicht der bilanzielle Rückstellungsbetrag

Den zurückgestellten Topf voll Geld gibt es also nicht. Eine so missverstandene "Rückstellung" steht somit nicht zur Verfügung. Rückstellungen sind nicht mehr als zahlenmäßige Abbilder realer ökonomischer Sachverhalte, welche nach bestimmten Regelungen geschätzt werden und für bestehende ungewisse Verpflichtungen auf der Passivseite der Bilanz gebildet werden. Im Fall der KKW-Rückstellungen liegt eine der Höhe nach ungewisse Verpflichtung zur Stilllegung und zum Rückbau von KKWs sowie zur Zwischen- und Endlagerung von verstrahltem Material (kurz: Entsorgung) vor. Wurden die in den Konzernabschlüssen der KKW-Betreiber abgebildeten KKW-Rückstellungen im Einklang mit den internationalen Rechnungslegungsnormen (IFRS) passiviert, gilt aus deren Sicht: "Unsere Rückstellungen sind korrekt, weil sie richtig nach geltendem Gesetz bilanziert wurden."

Ob aus den bilanziellen Rückstellungen Rückschlüsse über die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung durch die Betreiber und die Haftungsgefahr für die Steuerzahler gezogen werden können, ist eine andere Frage. Richtig bilanziert heißt nicht, dass keine Haftungsgefahr für den Steuerzahler besteht. In der Begründung des Regierungsentwurfs eines Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetzes heißt es vielmehr zutreffend: "Das geltende Recht basiert auf der Annahme dauerhafter Lebensfähigkeit der Betreibergesellschaft, d.h. der dauerhaften Werthaltigkeit und Ertragskraft des den Rückstellungen gegenüberstehenden Aktivvermögens, um die Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen zu erfüllen." Haftungspotenzial und Ertragskraft des den KKW-Rückstellungen gegenüberstehenden Vermögens sind somit entscheidend, wobei auch eine "richtig" bilanzierte Rückstellung immer nur ein ungewisser Indikator für den tatsächlichen Erfüllungsbetrag darstellt und für sich gesehen nichts über das Erfüllungspotential aussagt. Doch auch das bilanzielle Vermögen indiziert allenfalls die ökonomische Haftungsmasse, aus der nicht nur die Entsorgungsverpflichtung zu decken ist.

Haftung mit bilanziellem Vermögen oder mit latentem Erfolgspotential (originärer Goodwill)

Die Rückstellungen spiegeln also keine Zahlungsmittel wider. Auch ist im Umfang der KKW-Rückstellungen wohl kein spezielles Deckungsvermögen vorhanden. Vielmehr sind die für die Innenfinanzierung verfügbaren Rückstellungsgegenwerte auch in das operative Vermögen geflossen. Auf dem Papier "steht die gesamte Aktivseite zur Abdeckung [der Entsorgungsverpflichtung] zur Verfügung", wobei diese bilanzielle "Haftungsmasse […] durch jede Wertberichtigung und durch jede Dividendenzahlung kleiner" wird. Das von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton erstellte Gutachten zur Bewertung der Rückstellungen im Kernenergiebereich vom 9.10.2015 ("Stresstest") stellt fest, dass die insgesamt gebildeten IFRS-Rückstellungen von 38,3 Mrd. Euro in der von ihnen als vertretbar angesehenen Bandbreite von 29,9 bis 77,4 Mrd. Euro liegen. Dem stände laut Gutachten wiederum ein buchmäßig (bzw. ein wie auch immer "sum of the parts" – SOP) ermitteltes Reinvermögen vor KKW-Rückstellungen von ca. 81 (bzw. 83) Mrd. Euro gegenüber.  

Das bilanziell ausgewiesene Vermögen bezieht sich aber auf die derzeitigen Geschäftsaktivitäten. Hier steht jedoch ein nicht unerheblicher Umbau des Geschäftsmodells an, zumal die Kernkraftwerke ab spätestens 2022 keine Erträge mehr erwirtschaften und konventionelle Kraftwerke durch die politische Energiewende beeinträchtigt werden. Hier meinen Kommentatoren sogar: "Quasi über Nacht waren deutsche Kernkraftwerke durch einen Beschluss der Bundesregierung weitgehend wertlos." Jedenfalls sind für die Erfüllung der Entsorgungsverpflichtungen nicht das derzeitige Vermögen, sondern die aus dem Einsatz von zukünftigen Vermögen erhofften Ertrag- und Zahlungsüberschüsse relevant. Es erfolgt gleichsam eine "Haftung" mit latentem Erfolgspotential (originärer Goodwill im Sinne der Bilanztheorie). Dieses ist im höchsten Maße ungewiss, denn angesichts "der dramatischen Altlasten scheint ein weiteres Problem fast vergessen zu werden: Die nötigen Ersatzinvestitionen, um die aus dem Netz genommenen Atomkraftwerke zu ersetzen."

Der Blick auf die Rückstellungen und die Aktivseite der Bilanz ist also nicht hinreichend, um zu beurteilen, ob die Betreiber in der Lage sind, die Kosten des Kernenergieausstiegs zu tragen. Dazu wären eher (nicht aggregierte) Planbilanzen zu erstellen, die ebenso spekulativ sind, wie eine Zahlungsprognose bis 2099+x.  Auch eine (fast) tautologisch aus der marktwertbezogenen SOP-Bewertung abgeleitete Free-Cash-Flow-Prognose dürfte kaum Informationsgewinne mit sich bringen und verschiebt das Spekulationsproblem auf die sog. Marktbewertung, die dann im Grunde willkürlich auf die Unternehmensbereiche heruntergebrochen wird. Werden hierbei die Marktwerte für die SOP-Bewertung wiederum aus der Börsenkapitalisierung abgeleitet, wird eine korrekte Einpreisung der Erfolgsaussichten eines zukünftigen Geschäftsmodells unterstellt. Spekulations- und Ungewissheitsprobleme werden also von einer Bewertungsebene zur anderen verschoben, ohne sie vermeiden zu können. Hier zeigen sich die Prognosegrenzen in einer ungewissen und ergebnisoffenen Welt, die auch mit dem besten und neuesten betriebswirtschaftlichen Spezial- und Expertenwissen nicht überwunden werden können.

Makro- statt Mikrobetrachtung

Zudem bezieht sich die Analyse auf die kumulierten KKW-Rückstellungsbeträge und Vermögenswerte aller vier Betreiber (Makrobetrachtung), wobei es natürlich auf die "richtige" Berechnung jeder einzelnen Rückstellung als Indikator des Erfüllungsbetrags und auf das jeweilige Haftungsvermögen ankommt (Mikrobetrachtung):

"Wenn Ernie eine Verpflichtung von 2 Mio. hat und Bert ein Vermögen von 3 Mio. aufweist, ist Ernies Verpflichtung dadurch nicht "abgesichert", solange diese nicht auf einen gemeinsamen "Sesamstraßen-Fond" übertragen werden."

Ein solcher Haftungsverbund wird bei einer Makrobetrachtung unterstellt, obgleich er (noch?) gar nicht besteht und andernfalls eine durchschnittliche Schuldendeckung nicht von Interesse ist. Hier sind u.a. die ökonomischen Nebenwirkungen einer solchen "Risikovergemeinschaftung" der Betreiber auf die zukünftige Ertragskraft der einzelnen Betreiber zu bedenken, von der letztlich die Wahrscheinlichkeit einer Haftung durch den Steuerzahler abhängt. Inwieweit sich eine solche Vergemeinschaftungslösung abzeichnet, mag der aktuellen Diskussion entnommen werden können. Die Makrobetrachtung im Auftragsgutachten könnte darauf hindeuten, dass eine Art "Sesamstraßen-Fond"-Lösung angestrebt wurde.

Schlussbemerkung

Im vorliegen Beitrag wurde versucht einen Beitrag zur Verbesserung der zu lösenden  Problemsituation durch die Vermittlung von für die KKW-Rückstellungsdiskussion relevanten (Grundlagen-)Wissens zu leisten. Nicht die bilanziellen KKW-Rückstellungen, sondern die dahinterstehenden realökonomischen Entsorgungsverpflichtungen und das unternehmensindividuelle Potential zur Erfüllung dieser Verpflichtungen sind für die Frage der Gefahr einer Haftung durch den Steuerzahler problemrelevant. Bilanzen zeigen das derzeitige Vermögen (und das auch nur sehr unvollständig) und nicht das zukünftige Haftungs- und Ertragspotential, wobei natürlich auch zukünftige Erfolgsaussichten in die Vermögensbewertung eingehen (etwa beim Impairment-Test).

Die Frage, was die für die Erfüllung der Entsorgungsverpflichtungen verfügbare Haftungsmasse der von der Energiewende gezeichneten Konzerne tatsächlich wert ist, wird sich erst im Zeitablauf in den Bilanzen niederschlagen. Zurzeit indizieren (drohende) Wertminderungen auf erworbene Goodwills und (Quartals-)Verluste/Gewinneinbußen im Zusammen mit konventionellen Kraftwerke die Probleme des alten Geschäftsmodells, während der erhoffte zukünftige Erfolg eines neuen Geschäftsmodells nicht aus den aktuellen Bilanzen ablesbar ist. Die Entsorgungsverpflichtungen sind aus heutiger Sicht wegen der Neuausrichtung des Geschäftsmodells gleichsam durch erhofften originären Goodwill "gedeckt". Für diese Art von "Haftungsmasse" besteht jedoch wegen der Ungewissheit seiner Werthaltigkeit ein striktes Aktivierungsverbot (IAS 38.48).

©KOF ETH Zürich, 1. Mär. 2016

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