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Intelligente Eisenbahnnetze für nachhaltige Mobilität

Summary:
Die Schlüsselrolle von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnologien und die damit einhergehende Transformation in intelligente Netze gewinnt auch im schienengebundenen Verkehr zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung erfordert auch den Wechsel zu Mobilfunknetzen der 5. Generation (5G). Der Zugverkehr aus der Perspektive intermodaler nachhaltiger Mobilitätsdienstleistungsmärkte Um die Potenziale innovativer Mobilitätsdienstleistungen mit dem Ziel einer massiven Reduktion der CO2 Emissionen auszuschöpfen ist es erforderlich, dass sich die komparativen Vorteile der unterschiedlichen Verkehrsträger aus intermodaler Perspektive entfalten können. Dabei kommt den Bahnen aufgrund ihrer Massenleistungsfähigkeit hinsichtlich eines nachhaltigen Verkehrsangebots eine

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Die Schlüsselrolle von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnologien und die damit einhergehende Transformation in intelligente Netze gewinnt auch im schienengebundenen Verkehr zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung erfordert auch den Wechsel zu Mobilfunknetzen der 5. Generation (5G).

Der Zugverkehr aus der Perspektive intermodaler nachhaltiger
Mobilitätsdienstleistungsmärkte

Um die Potenziale innovativer Mobilitätsdienstleistungen mit dem Ziel einer massiven Reduktion der CO2 Emissionen auszuschöpfen ist es erforderlich, dass sich die komparativen Vorteile der unterschiedlichen Verkehrsträger aus intermodaler Perspektive entfalten können. Dabei kommt den Bahnen aufgrund ihrer Massenleistungsfähigkeit hinsichtlich eines nachhaltigen Verkehrsangebots eine besondere Bedeutung zu (OECD/ITF 2018). Für den intermodalen Verkehr stellen die Bahnhöfe wichtige Knotenpunkte dar, die sowohl für den Aufbau von Nahverkehrskonzepten als auch für den nahtlosen Übergang zu Regional- und Fernverkehr von zentraler Bedeutung sind. Erforderlich sind dabei App-basierte bahnübergreifende Verkehrsangebote und intermodal ausgerichtete Echtzeitinformationen über Reisealternativen (Knieps, 2018). Eine intelligente Organisation der Abläufe innerhalb von Bahnhöfen mit dem Ziel eines nahtlosen Übergangs zwischen den verschiedenen Verkehrssystemen ist folglich unerlässlich. Sowohl innerhalb von Bahnhöfen als auch in den Zügen stellt inzwischen der Zugang zu einem zuverlässigen Breitband-Internet ein wichtiges Qualitätskriterium dar, das für sicherheitsrelevante Anwendungen (Feuerschutz, Video-Überwachungsdienste), Fahrgastinformationssysteme, kommerzielle Dienste sowie Unterhaltungsangebote genutzt werden kann (Fraga-Lamas et al. 2017, p.8).

Innovationspotenziale im Bereich der Zugverkehrsmanagementsysteme

Eine besondere Bedeutung kommt der Virtualisierung der Zugüberwachung zu. Die Anforderungen an Innovationen innerhalb der europäischen Zugverkehrskontrollsysteme sind getrieben durch die zunehmende Verkehrsdichte auf den Schienen und den höheren Zuggeschwindigkeiten. Kapazitätsengpässe auf den Schienennetzen und die begrenzten Möglichkeiten, neue Schienentrassen zu bauen, erfordern, dass die Potenziale der Digitalisierung in den Eisenbahnsystemen für eine effizientere Nutzung der vorhandenen Schienenkapazitäten ausgeschöpft werden (Furness et al., 2017, S.2).

Das europäische System für Zugverkehrsmanagement und Zugverkehrskontrolle ERTMS (European Rail Traffic Management System) besteht aus dem Zugbeeinflussungssystem ETCS (European Train Control System), dem schmalbandigen Mobilfunksystem GSM-R (Global System Mobile Communication-Rail) für die Kommunikation zwischen ETCS-Zentralen, Schieneninfrastruktur und Zügen sowie dem Verkehrsmanagement (European Traffic Management Layer). Es lassen sich unterschiedliche ETCS Levels, abhängig von den Kommunikationsanforderungen zwischen Zug, Schieneninfrastruktur und ETCS-Zentrale unterscheiden, wobei bisher lediglich das schmalbandige GSM-R Mobilfunksystem implementiert wird. ETCS Level 1 zeichnet sich durch eine diskontinuierliche Kommunikation zwischen Strecke und Fahrzeug aus.  ETCS Level 2 ermöglicht dagegen die ständige Kommunikation zwischen Zug und ETCS-Zentrale. Mittels streckenseitiger Infrastrukturkomponenten (Balisen[ a ]) erfolgt die Kommunikation zwischen Zug und Schieneninfrastruktur. Die streckenseitigen Gleisfreimeldungen erfolgen durch die Stellwerke. Die Strecken sind in fixe Blockabschnitte geteilt und dürfen jeweils nur von einem Zug nach der erforderlichen Gleisfreimeldung durch die ETCS- Zentrale befahren werden (DB Netze, 2018). Mit Hilfe des auf die hohen Sicherheitsanforderungen der Zugverkehrskontrolle spezialisierten Mobilfunksystems GSM-R hat ETCS einen sicheren Zugverkehr europaweit zu gewährleisten und verhindern somit insbesondere, dass Züge zu schnell fahren oder mit anderen Zügen kollidieren. Auf den transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnnetzen hat die EU die Verpflichtung zum Einsatz von ETCS bereits 1996 vorgegeben (Richtlinie 96/48/EG).[ 1 ] Für das konventionelle transeuropäische Eisenbahnnetz gelten die Vorgaben seit 2001 (Richtlinie 2001/16 EG)[ 2 ] . Im Vordergrund stehen seither die Harmonisierung der Eisenbahnsysteme der verschiedenen europäischen Staaten und die dadurch ermöglichte Interoperabilität (Richtlinie (EU) 2016/797).[ 3 ] Bisher  sind  ETCS Level 1 sowie ETCS Level 2 implementiert bzw. in Planung (DB Netze, 2018).

Da immer nur ein Zug einen freigegebenen fixen Streckenabschnitt befahren darf, ist ETCS Level 2 sehr kapazitätsaufwendig. Der Innovationssprung von ETCS Level 2 zu ETCS Level 3 besteht darin, dass die Kommunikation zwischen Zug und ETCS-Zentrale ohne infrastrukturseitige Kommunikationseinrichtungen (Balisen) erfolgen kann. Erst durch den Übergang zu ETCS Level 3 kann die Kommunikation direkt zwischen Zug und ETCS Zentrale allein durch die Positionsmeldung der ETCS-Fahrzeugeinrichtung ohne streckenseitige Gleisfreimeldung erfolgen. Die Züge müssen dabei mit einer zusätzlichen Funktionalität in Form eines Train Integrity Monitoring (TIM) ausgestattet sein, um der ETCS-Zentrale die genaue Zugposition und Zuggeschwindigkeit und andere zugrelevante Informationen echtzeitbasiert mitzuteilen. Die Schienenstrecken werden nicht mehr in fixe Abschnitte aufgeteilt und die sichere Separierung zwischen zwei Zügen wird nicht mehr durch einen statischen Wert zwischen fixen Blöcken implementiert. Stattdessen wird eine adaptive Distanz basierend auf Echtzeitkalkulation der vom Zug gemeldeten Zuggeschwindigkeit und der gemeldeten Zugposition ermittelt. Jeder Zug wird dabei durch die ETCS-Zentrale einem einzigen virtuellen Block zugeordnet, der sich mit dem Zug bewegt. Zwei aufeinanderfolgende Züge folgen in einem echtzeitbasierten sicheren Abstand, ohne dass ein Zug warten muss bis ein fixer Gleisabschnitt freigegeben wird, so dass die Streckenauslastung wesentlich erhöht wird (Furness et al. 2017).

Intelligente Eisenbahnsysteme und der Übergang zu 5G-Breitbandnetzen

Grundsätzlich gilt es zu unterscheiden zwischen dem Aufbau und Betrieb eines physischen Eisenbahnsystems und den komplementären virtuellen Netzen basierend auf den erforderlichen ICT Komponenten. Das 1992 vom Internationalen Eisenbahnverband eingeführte Global System for Mobile Communications-Railway (GSM-R), ist ein schmalbandiges, digitales Mobilfunksystem, das ausgehend von dem Mobilfunkstandard GSM auf die spezifischen Sicherheitsanforderungen der europäischen Zugüberwachungssysteme ETCS ausgerichtet ist. Im Gegensatz dazu ermöglichen die inzwischen etablierten All-IP Breitbandnetze eine Vielzahl von heterogenen breitbandigen Anwendungen in den verschiedensten Netzsektoren. Das schmalbandige GSM-R ist für die Bereitstellung von Big Data, breitbandigen Anwendungen wie videobasierten automatisiertem Fahren sowie on-board breitbandigem Internet für die Zugbegleiter oder Fahrgäste ungeeignet (Fraga-Lamas et al. 2017, S. 11). Aber auch für intelligente Zugüberwachungs- und Zugverkehrsmanagementsysteme des ETCS Level 3 ist aufgrund der äußerst geringen Verzögerungstoleranz bei der Datenpaketübertragung von Positionsdaten im virtuellen Block die Übertragungsqualität der GSM-R Verbindungen insbesondere bei vielbefahrenen Hochgeschwindigkeitsnetzen unzureichend (He et al., 2016; Fraga-Lamas et al. 2017, p.14).

Der Übergang von ETCS Level 2 zu ETCS Level 3 führt zu einem disruptiven Sprung der Anforderungen an ICT hinsichtlich Datenvolumen, real-time adaptiver Kommunikation zwischen Zügen und ETCS-Zentrale, Geopositionsdiensten mit sehr hoher Positionsgenauigkeit und sehr hohen Anforderungen an die Cybersecurity bei sicherheitskritischen Anwendungen im Bereich des Zugverkehrsmanagement (Pramod, Jinaga 2017; Talvitie et al. 2018).

Zunehmende Anforderungen an die Mobilfunkkommunikation auf der virtuellen Seite ergeben sich auch als Folge der Innovationen auf der physischen Seite der Eisenbahninfrastrukturen (komplementäre Innovationen). Da GPS-R bereits bei dem weniger innovativem ETCS Level 2 an seine Grenzen stößt, wird von der Europäischen Eisenbahnagentur der Übergang zu einem 5G-Breitbandnetz für unumgänglich gehalten. Von entscheidender Bedeutung sind die Innovationen in breitbandigen All-IP Kommunikationsnetzen, in kamerabasierte Sensortechnik sowie hochleistungsfähige Geopositionsdienste für die präzise Ortung der Züge. Inzwischen hat die Eisenbahnagentur der Europäischen Union die wesentlichen Anforderungen für ein Nachfolgesystem von GSM-R unter dem Term FRMCS (Future/Flexible Railway Mobile Communication System) entwickelt. In Zukunft sollten die Potenziale der zukünftigen All-IP 5G-Breitbandnetze hinsichtlich Sicherheit und Datenpaketübertragungsqualität auch für die Kommunikation zwischen Zügen und ETCS-Zentralen zum Einsatz gelangen (European Union Agency for Railways, 2018).

DB Netze (2018), European Train Control System (ETCS) - Informationen zu ETCS und der Migration zur europäischen Zugbeeinflussungstechnik bei der DB Netz AG.[ b ] DB Netz[ c ], Juli.

 European Union Agency for Railways (2018), Evolution of Railway Radio Communication: System Definition, Final Report. 17 Dezember 2018.

Fraga-Lamas, P., Fernández-Caramés, T.M., Castedo, L. (2017), Towards the Internet of Smart Trains: A Review on Industrial IoT-Connected Railways, Sensors (Basel), Jun,17(6):1457, published online 2017 Jun 21: doi: 10.3390/s17061457.

Furness, N., van Houten, H., Arenas, L., Bartholomeus (2017), ERTMS Level 3: the Game Changer. IRSE News.Nr.4, April 2-9 https://irse.nl/resources/170314-ERTMS-L3-The-game changer-from-IRSE-News-Issue-232.pdf[ d ].

He, R., Ai, B., Wang G., Guan,K., Zhong,Z. Molisch, A.F., Brisdco-.Rodriguez, C., Oestges, C., (2016), High-Speed Railway Communications: From GSM-R to LTE-R, IEEE Vehicular Technology Magazine, 11, 49-58.

Knieps, G. (2018), ÖPNV in der App-Ökonomie: Chancen und Risiken, Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, 89. Jahrgang – Sonderausgabe (Heft 2), 140-150.

OECD/ITF (2018), How to Make Urban Mobility Clean and Green – The most effective way to decarbonize urban passenger transport? Shared vehicles, powered by clean electricity, integrated with existing public transport, ITF Policy Brief ,4 December 2018.

Pramod, P. J., Jinaga, B.C. (2017), Evolution of High Speed Railway Communication system towards 5G: A Unique Scalable Model using Distributed Mobile Relays, International Journal of Applied Engineering Research, 12(14), 4141-4144.

Talvitie, J., Levanen, T., Koivisto, M., Pajukoski, K., Renfors, M., Valkama, M. (2018), Positioning of High-speed Trains using 5G New Radio Synchronization Signals, arXiv: 1805.01830v1 (cs.IT), 4 May.


©KOF ETH Zürich, 10. Jan. 2020

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