Minister – das ist lateinisch und heißt: Diener. Und das sollten sie in erster Linie auch sein: Diener ihres Souveräns, des Volkes. Es ist hingegen vollkommen egal, ob sie ostdeutsch, weiblich, verdient oder Jens Spahn sind. Kabinettsbesetzung: Zwischen Soap und Kindergeburtstag Wohl über kein politisches Thema wird in Zeiten von Koalitionsverhandlungen so viel spekuliert wie über die Besetzung des Kabinetts. Es ähnelt einer Soap, die zur besten Nachmittagssendezeit das alternde Publik der öffentlich-rechtlichen bei Laune hält, wenn eine ganze Republik spekuliert: Wie geht es weiter mit den vertrauten Figuren, an deren Schicksalen und Erfolgen wir uns Nachmittag für Nachmittag ergötzen? Besonders schmerzlich ist es, wenn über die
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Minister – das ist lateinisch und heißt: Diener. Und das sollten sie in erster Linie auch sein: Diener ihres Souveräns, des Volkes. Es ist hingegen vollkommen egal, ob sie ostdeutsch, weiblich, verdient oder Jens Spahn sind.
Kabinettsbesetzung: Zwischen Soap und Kindergeburtstag
Wohl über kein politisches Thema wird in Zeiten von Koalitionsverhandlungen so viel spekuliert wie über die Besetzung des Kabinetts. Es ähnelt einer Soap, die zur besten Nachmittagssendezeit das alternde Publik der öffentlich-rechtlichen bei Laune hält, wenn eine ganze Republik spekuliert: Wie geht es weiter mit den vertrauten Figuren, an deren Schicksalen und Erfolgen wir uns Nachmittag für Nachmittag ergötzen? Besonders schmerzlich ist es, wenn über die Jahre liebgewonnene Protagonisten wie etwa Thomas de Maiziere oder Sigmar Gabriel aus dem Drehbuch geschrieben werden. Dabei reicht es schon, dass man sich die Soap einfach nicht mehr ohne diese Figuren vorstellen kann, um plötzlich Sympathie für diese eigentlich flachen oder ursprünglich gänzlich unsympathischen Rollen zu empfinden.
Doch der Trennungsschmerz ist allzu schnell überwunden, wenn es um die Neubesetzung geht. Schließlich verknüpfen wir so einige Erwartungen an die Profile der Neuen. Nur beziehen sich diese beim Bundeskabinett eben seltener auf die sexuelle Ausrichtung oder die familiäre Bande zu anderen Soap-Stars. Stattdessen stehen in den Medien und am Stammtisch der repräsentative Charakter des neuen Kabinetts im Vordergrund: Wird es etwas keinen ostdeutschen Minister geben? Wie steht es um die Frauenquote? Werden genug Junge ins Kabinett geholt?
In der parteiinternen Diskussion verwandelt sich die Personaldebatte mittels Quoten- und Versorgungsdenken dann langsam in einen Kindergeburtstag. Wie zwischen Fünfjährigen, die darum streiten, wer zuerst mit einem Holzlöffel auf der Suche nach dem Topf um sich schlagen darf, werden gegenseitige Sympathie und Gruppenzugehörigkeit in die Waagschale geworfen. So müssen die Parteivorstände von Union und SPD peinlich genau darauf achten, dass alle Landesgruppen, Parteiflügel und Unterorganisationen entsprechend im neuen Kabinett vertreten sind. Dann erst kommt die persönliche Ebene: Wer kann mit wem und wer möchte seinen Parteifreund am liebsten als dritten Honorarkonsul in Wladiwostok sehen? Gibt es vielleicht noch Versprechen einzulösen oder sind da gar verdiente Alt-Ministerpräsidenten, die ihre Karriere im fernen Preußen langsam ausklingen lassen sollen? Am Ende sind sowohl die öffentliche als auch die parteiinterne Diskussion Symptom eines großen Missverständnisses, was die Rolle der Minister angeht.
Minister sollen dem Gesetzgeber dienen, nicht andersherum
Die Minister sind als Teil der Exekutive nämlich hauptsächlich für die Verwaltung und – wesentlich wichtiger – für die Umsetzung der Beschlüsse der gesetzgebenden Gewalt verantwortlich. Zwar kann die Bundesregierung Gesetze in Bundestag einbringen, deren Beschluss obliegt aber stets den Abgeordneten. Das macht die Minister, im Sinne des lateinischen ministrare, zu Dienern. Sie dienen dem Bundestag als ausführendes Organ – nicht der Bundestag den Ministern als Beschlussorgan oder Jubelperserverein. Auch wenn das in den vergangenen Jahren allzu häufig den Anschein erweckte. Damit dienen die Minister mittelbar vor allem dem Volk, dessen repräsentative Vertretung der Bundestag ist.
Anders als der Bundestag muss die Besetzung der Minister nicht repräsentativ sein. Sie müssen keine Quoten erfüllen und sie sollten auch nicht zur puren Verhandlungsmasse oder Abfindung werden. Vielmehr sollte die Bundeskanzlerin bei der anstehenden Benennung ihrer Minister Fachkompetenz und Dienstbereitschaft, altmodisch Demut, als Maßstab für die Eignung annehmen. Gleiches gilt für die sie bewertende Öffentlichkeit und die Medien. Leider lassen die vergangenen Wochen sowohl bezüglich Fachkompetenz als auch hinsichtlich der Demut nichts Gutes vermuten. Auf der eine Seite streiten sich zwei führende SPD-Politiker öffentlich, von Eitelkeit wie Anspruchsdenken getrieben – und am Ende wohl für beide erfolglos – um ein Ministeramt. Auf der anderen Seite – glaubt man den durchgesickerten Informationen – spielen die CDU-Minister munter Bäumchen-wechsel-dich. Getreu dem Motto: ein Jurist kann sowohl Gesundheit als auch Bildung.
Der Abgeordnete sollte der eigentliche Star sein
Die „Kindergeburtstagssoap“ der Kabinettsbesetzung ist zuletzt aber vor allem auch ein Symptom eines stetig schwächer werdenden Parlaments. Während vielen Menschen selbst Verbraucherschutz, Landwirtschafts- oder Entwicklungshilfeminister bekannt sind, rangiert der eigene Wahlkreisabgeordnete häufig unter ferner liefen. Dabei soll dieser am Ende über die konkreten Projekte des jeweiligen Ministers entscheiden und ihre Ausführung kontrollieren. Ja, als wie stark kann ein Parlament überhaupt noch bezeichnet werden, wenn sich eine geschäftsführende Regierungschefin schlicht weigern kann, mit wechselnden Mehrheiten (ähnlich wie in den Vereinigten Staaten) zu regieren und dies nicht öffentlich hinterfragt wird.
Dabei hätte gerade eine solche Konstellation dem Abgeordneten endlich wieder mehr Gewicht verliehen. Man stelle sich nur vor: Woche für Woche müsste die Bundeskanzlerin gemeinsam mit ihren Ministern im Parlament erscheinen und sich für Ihre Entwürfe und Entscheidungen rechtfertigen, um eine Mehrheit zu erhalten. Eine Regierungserklärung ist dann nicht mehr zu allererst eine Show-Einlage für die Heute-Nachrichten und die Regierungskollegen in Brüssel, sondern der ernsthafte Versuch, den Vertreter des Souveräns von Politikvorschlägen zu überzeugen. Der Minister als demütiger Diener, der Wahlkreisabgeordnete als Star: Das wäre doch was!